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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Wie es mit dem Ronymus war?

Ganz gut, er hat eine brave, bedächtige Art, er hat viel von seinem Vater. Er erzählte mir, daß er etwas voran bringe, und daß er hoffe, noch weiter zu kommen. Das Soldatenleben hatte einen ganz neuen Menschen aus ihm gemacht; er erzählte mir, daß die Schweizer gern Deutsche zu Dienstboten haben, besonders gern gediente Soldaten. Er plagte mich nicht mit Liebessachen, mit keinem Wort, und ich habe gemeint, ich hätte mir etwas eingebildet und unnötige Sorgen gemacht. Er war ehrerbietig gegen mich, nur wollte er sich nicht drein finden, daß ich, die Prinzeß vom Schlehenhof, dienen müsse, und noch dazu als Krankenwärterin.

Vor der Engländerin hatten wir kein Hehl daraus, daß wir uns von Kindheit an kennen, und der Ronymus muß ihr einmal gesagt haben, daß ich von vornehmer Herkunft sei. Die Engländerin hat, so oft es Gelegenheit gegeben hat, sich gern mit dem Ronymus unterhalten, er ist so gradaus und lustig dabei; er ist gar froh, daß er tagtäglich sein kleines Vermögen wachsen sieht; er hat auch schon zwei Aecker und eine Wiese daheim gekauft. Der Ronymus war eben anders als ich, er dachte gern zurück an die Vergangenheit und freute sich, daß es jetzt besser geht; ich dagegen mochte von der Vergangenheit nichts wissen.

Der Ronymus ist noch heute so, er erinnert sich bei jeder Gelegenheit an die frühere Armutei und ist immer dankbar für alles, was eben jetzt ist.

Eines Tages, als ich dem Ronymus über die Engländerin klagte, daß sie immer wieder verderbe, was ich an dem Kinde gut mache, sagte er:

»Wie kannst du dich nur über diese Frau ärgern? Die ist ja einfältig, dumm wie Bohnenstroh.«

Ich sah das jetzt auch; man kann mit den feinsten Kleidern und dem größten Reichtum doch dumm sein. Mir wurde jetzt alles viel klarer, und ich ärgerte mich nicht mehr über die Frau, sie war eben dumm und hatte keine Einsicht.

Wie gesagt, mit Liebessachen hat mich der Ronymus verschont, nur einmal sagte er:

»Was meinst, was zwei so gute Augen wert sind?«

»O du Schmeichler!«

»Was Schmeichler! Ich meine ja gar nicht dich, ich red' von meinen eigenen Augen. Die Kranken können dir sagen, was gute Augen wert sind. Es ist nur gut, daß sie sie nicht kaufen können, sonst müßten wir blind herumlaufen. O! Und wenn gute Augen erst Einen gut ansehen . . . Hui! Da klingelt's wieder!«

»Ja, mach', daß du fort kommst.«

Der Ronymus ging davon.

Ich hatte etwas in der Stadt zu besorgen gehabt, ich kehrte in den Gasthof zurück, ich fuhr mit dem Lupf in die Höhe, ich blieb stehen; auf der Bank saß eine verschleierte Frau und ein verschleierter Mann, ich sah sie kaum in dem wenig erleuchteten Raum. Ich hörte aber, wie die Frau sagte:

»Wenn du krank sein willst, so sei auch recht krank, geh' in ein Hospital, aber ich, ich bin keine Krankenwärterin.«

Der Mann seufzte und sagte nichts.

Die beiden stiegen im ersten Stock aus, ich fuhr weiter in die Höhe, aber ich wurde es nicht los; mir war, wie wenn ich die Stimme der Frau schon einmal gehört hätte. Kann das nicht der Rittmeister und seine Frau gewesen sein? Ich schalt mich aus über meine einfältige Ahnung.

Andern Tages bat ich den Ronymus, er solle sich doch im Comptoir erkundigen, ob nicht der Rittmeister und seine Frau im Gasthof gewesen seien.

»Das brauche ich nicht mehr zu erkundigen. Einer von unseren Omnibuskutschern war der Jokey bei ihm, den er ins Unglück gebracht hat; der hat ihn gleich erkannt. Ja, sie sind's gewesen, sind aber schon wieder fort. Er hat deinen Professor beraten, er hat gealtert und sie auch, aber er färbst sich den Bart, und sie färbt sich die Backen. Im ganzen Haus hat alles davon geredet, wie die beiden miteinander zanken; sie ist allein an die Tafel gegangen, schön geputzt, und wie man ihm das Essen gebracht hat, hat sie sich auf den Balkon gesetzt, sie will nicht sehen, wie er ißt. Ich hab' ihnen die Koffer gepackt. Er hat noch einen Schein und hat sich die Augenlider mit der Hand hoch gehalten und mich betrachtet, wie wenn er sagen wollte: Dich habe ich schon gesehen, weiß nur nicht, wo ich dich hinthun soll . . . Ja, aber ich weiß, wo ich ihn hinthun möcht', den Waldmörder, den Menschenmörder, den Räuber. Wenn ich einmal in den Himmel komm', ins Paradies, da beding' ich mir bei unserm Herrgott aus: er muß mir jeden Tag ein paar Stunden Urlaub geben, daß ich in die Hölle hinunter darf, um den Rittmeister zu zwacken. Der soll spüren, was ich kann; das soll meine beste Seligkeit sein.«

»Du bist bös. Ich will nicht mehr an den Rittmeister denken. Wenn man böse Gedanken auf einen Menschen hat, verdirbt man sich selber damit.«

»Ja, ja, soll so sein, ist auch nicht nötig. Der Mann ist schon gestraft genug, er hat eine böse Frau, da ist er mit allem versorgt.«


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