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Vierzehntes Kapitel.

Der Aussichtler war ein wunderlicher Mann, eben ein leichtsinniger, lustiger Musikant. Er hat für sich selber Freude daran gehabt, Musik zu machen, und daneben Freude, daß andere sich daran vergnügen. Hat ihm aber niemand zugehört, war's ihm auch recht. Wenn er auf ein paar Tage zu leben hatte – die Wegersleute haben ihn billig gehalten – war er heidenfroh, und für weiter hinaus hat er sich keine Sorgen gemacht.

Er war vordem auch Holzschnitzer gewesen und arbeitete auch jetzt manchmal noch was; ich habe auch Holzschnitzen von ihm gelernt, wir haben Schafe gemacht und Kühe und Puppen, ganz grobe Arbeit, aber sie fand Absatz und gab einen kleinen Verdienst; der Aussichtler ist damit hausieren und auf die Märkte gegangen, wenn es mit der Musik nichts zu verdienen gab.

Die Bonifacia machte alles gar ordentlich. Ich habe so viel verdient, daß wir uns gemeinschaftlich eine Ziege kauften, und fünf Hühner und drei Gänse hatten wir auch miteinander. Und sollte man's glauben? wenn die Männer draußen arbeiteten und wir waren im Hause fertig und saßen bei einander in der Stube, da haben wir gesungen, wie wenn alles in der Welt lustig und in Ordnung wäre.

Der Ohm Donatus hat dem Vater einmal sagen lassen, er wolle ihm das Ueberfahrtsgeld bezahlen, wenn er nach Amerika auswandere. Was ihm der Vater drauf hat antworten lassen, weiß ich nicht; Gutes war's gewiß nicht. Die Vettern und Basen, die Kinder vom Donatus, sind manchmal an dem Häuschen vorübergekommen, aber sie haben gethan, als ob sie mich nicht kennten, und da kannte ich sie auch nicht.

So lang wir noch reich waren, war die ganze Gegend ein einziger Verwandtschaftshimmel; jetzt war es, als ob Vater und Mutter aus dem Stein gesprungen wären. Freilich, das war noch das besondere Elend, daß alle unsere Verwandten Geld bei meinem Vater verloren hatten; denn der Rittmeister und die anderen hatten ausgekundschaftet, wo ein Verwandter von uns war, und da hat man gekauft und geborgt und ist's schuldig geblieben.

Ich brachte es dahin, daß mein Vater doch wieder rauchte, mir zulieb, und wir waren vergnügt; ich mußte mir immer die Kleider länger machen, denn in den zwei Jahren beim Weger bin ich so groß gewachsen; bis dahin war ich klein.

Im Winter am Abend hat der Vater mit dem Weger Schindeln gemacht. Einmal hob er das Messer in die Höhe und sagte plötzlich:

»Das möcht' ich dem Rittmeister in die Brust stoßen und siebenmal umdrehen.«

Wir sind arg erschrocken. Der Vater denkt noch so an den Rittmeister! Wir haben aber nichts weiter gesagt und der Vater auch nicht.

Eines Tages kam der Ronymus heim auf einen Tag Urlaub, er war Soldat. Mein Vater gab ihm zuerst die Hand und sagte, daß er damals recht gehabt habe, das dem Rittmeister zu sagen.

Der Ronymus war gar ehrerbietig gegen den Vater, und er sah mir's an, wie ich ihm dafür dankte; er konnte sich aber nicht genug wundern, wie ich gewachsen sei, fast höher als er. »Du bist eben des Großbauern Tochter,« sagte er; das war alles.

Im zweiten Frühjahr, die Sonne hat so hell geschienen, und wir haben die Wäsche aufgehängt, da habe ich meinen Vater noch einmal von Herzen lachen sehen wie noch nie.

Unsere drei Gänse waren seit gestern entlaufen, wir wußten nicht wohin; wir hatten sie bis nach Mitternacht gesucht, aber nirgends gefunden. Jetzt auf einmal hörten wir sie vor dem Hause schnattern. Die Bonifacia rannte in die Stube, wo die Männer eben fortgehen wollten und rief: »Unsere Gänse sind da!« Ich war ihr nachgerannt und rief auch: »Unsere Gänse sind da, Gott Lob und Dank, unsere Gänse!« Die Gänse schnatterten dazu, wie wenn sie zu erzählen hätten, wo sie über Nacht gewesen seien, und in unser Rufen und in das Schnattern hinein lachte der Vater, daß ihm die Thränen die Backen herunterliefen und er sich setzen mußte. Endlich sagte er, und er konnte es kaum vor Lachen: »Jedes hat drei halbe Gänse! So ist's recht. Lustig! Man kann sich auch über drei halbe Gänse freuen!«

Das war das letzte Mal, daß der Vater lachte.


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