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Fünftes Kapitel.

Wir hielten am Hof an, der Vater sah aus dem Fenster und rief:

»Ei, was kommt denn da?«

»Kennst du mich denn nicht mehr?« entgegnete der Mann.

»Ei, mein Herr Rittmeister,« rief der Vater und kam heraus, brachte einen Stuhl zum Absteigen und hielt den Hut in der Hand, aber der Rittmeister lachte: »Alter Kamerad! Laß den Stuhl, ich kann noch voltigieren. Aber eh' ich absteige, muß ich dich um was bitten. Schenk mir dein Kind da. Wir haben keine Kinder, und just ein solches möcht' ich.«

»Der Herr Rittmeister machen gnädigen Spaß,« sagte der Vater und lachte. Er hob mich herunter und streichelte mir die Backen, was er sonst noch nie gethan hatte.

Ich stand auf dem Boden, wie wenn ich vom Himmel gefallen wäre. Also das ist der Rittmeister vom Vater, und ich bin hübsch! Ich ging ins Haus, in unsere Kammer, stieg auf die Bank und betrachtete mich im Spiegel. Ich habe mir die Backen gestreichelt, ja, ich bin hübsch, und gescheit bin ich auch und eine Bauernprinzessin dazu.

Ich hörte den Vater mit dem Rittmeister in der Stube. Ich zog mich in der Kammer schnell aus, wusch mich und rieb mich und zog meine schönen Kleider an, die von der Hochzeit: meiner Schwester. Die Mutter kam und fragte: »Was ist das?«

»Ja, Mutter, ich muß mich doch anders anziehen vor so einem großen Herrn.«

»Ob das ein großer Herr ist, weiß ich nicht. Jedenfalls brauchen wir vor ihm nicht anders zu sein, als wir sind.«

Ich ging nun auch mit der Mutter in die Stube, da sagte der Rittmeister:

»Xander, entweder sagst du auch du zu mir, oder ich sag' Sie.«

Der Vater schaute vor sich nieder, und der Mann fuhr fort:

»Also ich sage Sie, und wir sind doch gut Freund. Aber, bitte, nennen Sie mich nicht mehr Rittmeister; ich will nicht mehr so heißen. Sie kennen doch meinen Namen.«

»O gewiß!« sagte der Vater, »da sehen Sie, er steht mir und den Meinen täglich vor Augen.«

Er zeigte ihm den an der Wand hängenden Abschied, unter dem der Name des Rittmeisters stand.

O! Wenn wir damals gewußt hätten, warum der Mann so bescheiden und zuthunlich ist.

Es hat eben so kommen müssen . . .

Die Mutter fragte auch, warum er eine grüne Brille trage; er sagte, er habe schlimme Augen; er spreche aber nicht gern davon, denn sobald er davon rede, thäten ihm die Augen weh. Das hatte nun die Mutter mit ihrem Leiden ganz ebenso, und der Rittmeister wußte ihr noch zu sagen, wie sie leide und das nicht merken lasse. Die Mutter sah den Vater an, wie wenn sie sagen wollte: Das ist einmal ein Feiner, der versteht mein Leiden besser als alle Doktor. Die Mutter betrachtete den Rittmeister wie einen, der weissagen kann.

Der Rittmeister that nun doch die Brille herunter, und er hatte Augen so schön wie ein blauer Stein, auf den die Sonne scheint; ich kann gar nicht sagen, wie schön. Er ging mit dem Vater in den Stall, und die Mutter sagte jetzt:

»Komm, wir wollen doch unser Sonntagsgewand anziehen, dem Manne zu Ehren.«

Der Vater ließ vom Stall herauf sagen, er gehe mit dem Herrn Rittmeister in den Wald, und nun wurde gekocht und gebraten, unsere Stube frisch gekehrt und ein spiegelhelles Tischtuch aufgelegt, da war eine Jagd hineingewoben, und das war noch von der Aussteuer der Großmutter her. Die Mutter nahm den Soldatenabschied des Vaters von der Wand und putzte ihn frisch.

Die Männer kamen wieder, und beim Essen sagte der Rittmeister: »Ja, lieber Freund, Sie sind einer der glücklichsten Menschen auf der Welt. Sie haben ein volles Haus, eine brave Frau und ein gesundes Kind. Ich wollt', ich wäre so ein Bauer wie Sie.«

Der Vater streichelte das glatte Tischtuch und nickte vor sich hin, und die Mutter sagte: »Es ist Dankes wert, wenn man einmal wieder hört, wie gut man's eigentlich hat; man vergißt es so leicht. Freilich, es ist auch manches uneben. Auf der Welt ist alles Berg und Thal, hat mein Vater immer gesagt, der war zweiunddreißig Jahr Stabhalter, was man jetzt Bürgermeister heißt.«

»Mit Verlaub, Herr Rittmeister,« fragte der Vater, »sind Sie bloß gekommen, um mich zu besuchen?«

»Das ist recht, daß du . . ., daß Sie so gradaus fragen, und ich sage auch gradaus: Nein, nicht deswegen allein. Ich hörte, daß Sie Ihren Hof an den Staat verkaufen wollen oder auch nur den Wald. Ich bin jetzt auch Geschäftsmann, ich muß doch was zu thun haben; ich gebe immer zweihundert Gulden mehr, als der Staat bietet. Jetzt aber sage ich: Aendern Sie nichts, bleiben Sie auf Ihrem Grund und Boden, da sind Sie der echte Freiherr.« Er erzählte nun, daß er mit dem Bauer vom Himbeerhof Geschäfte mache, der sei ein Spekulant, aber wo Verdienen sei, sei auch Verlieren. Sie hätten jetzt miteinander eine große Lieferung von Bahnschwellen übernommen.

»Schwellen könnte ich auch liefern,« sagte der Vater, und der Rittmeister bestätigte:

»Jawohl könnten Sie das. Ihre Bäume haben Moosbärte, die muß man rasieren. Bäuerin! Ihre Vorfahren müssen rechtschaffene und reiche Leute gewesen sein, daß sie Euch einen solchen Wald hinterlassen haben. Sie wissen gar nicht, was für ein totes Kapital in Ihrem Walde steckt.«

Es wurde spät, ich mußte ins Bett, aber ich mußte noch lang denken: was ist denn das, ein totes Kapital? Ist das vielleicht ein vergrabener Schatz, den man unberufen und ohne Wort nachts um zwölf ausgraben muß, wenn der Mond scheint?

Ich hörte, wie der Rittmeister endlich aufstand, ich hörte was von einem Rappen, und zuletzt sagte die Mutter, der Herr Baron solle doch wieder kommen und seine Frau mitbringen und solle uns auch was verdienen lassen, so gut wie den Himbeerbauer. Was er darauf gesagt, hörte ich nicht, nur das:

»Ich hab' also Euer Versprechen, Ihr verkauft nicht ohne mein Angebot. Nun lebt wohl und grüßt mir Euer schönes Töchterlein. Wie heißt es denn?«

»Brigitta,« rief ich aus der Kammer. Die Männer lachten, und die Mutter schalt. Bald rollte es vor dem Hause, dann war alles still.


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