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Blumenlese – Zweiter Band
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August Corrodi

Liedlein vom Scheiden

1.

Fliege fort, fliege fort.
Du klein Waldvögelein!
Die Röslein sind verglommen.
Die Lieb' hat Abschied g'nommen
Gestorben, verdorben
Sind all' meine Blümelein.

Fliege fort, fliege fort.
Du klein Waldvögelein!
Flieg' aus nach allen Winden
Wirst's immer wieder finden –
Gestorben, verdorben
Ist all' die Freude mein.

Fliege fort, fliege fort,
Du klein Waldvögelein!
Such' dir dein Heim bei Zeiten.
Der Winter will anschreiten –
Gestorben, verdorben
Sind Blum' und Läubelein.

Fliege fort, fliege fort,
Du klein Waldvögelein!
Möcht' mir ein Bettlein werden
Wohl in der kühlen Erden –
Gestorben, verdorben
Ist all das Glücke mein.

2.

Es singt ein Vogel im Tannenbaum,
Singt leide, leide, leide,
Ich hab' geträumt einen bösen Traum,
Ich sollt von dem Liebsten scheiden.

Und als ich erwacht in der dunklen Nacht,
Da kam der Sturm geflogen,
Und als ich erwacht in der dunklen Nacht,
Der Liebste war fortgezogen.

Und wer einen Liebsten im Herzen trägt,
Dem ist sein Herz voll Wunden,
Und wem der Liebste scheiden geht,
Der mag nit mehr gesunden.

Es singt ein Vogel im Tannenbaum –
Singt leide, leide, leide.

3.

Wem Gott ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden,
Er soll es halten treu und fest;
Denn wenn er's wieder scheiden läßt,
Dann gehet auch sein Herze mit,
Und Frieden findt er nimmer nit –
Wem Gott ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden.

Wem Gott ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden.
Die Welt, ist sie wohl schön und groß,
Ist sie doch kalt und liebelos.
Und wem sein Liebstes scheiden geht,
Wie 'n Vöglein ohne Bettlein steht –
Wem Gott ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden.

Wem Gott ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden.
Ein Stündlein lang, ein Stündlein weit,
Und zwischen liegt die Ewigkeit.
Und der euch sang dieß Liedlein gut,
Der klagt es Gott, wie weh das thut –
Drum, wem ein braves Lieb bescheert,
Der soll von ihm nit scheiden.

Novelle

Von meiner Liebe
Sagt' ich ihnen,
Von meiner Liebe
Sagten sie dir.

Von deiner Liebe
Sagtest du ihnen,
Von deiner Liebe
Sagten sie mir.

Gingen zusammen
Ueber die Felder:
Gingen zusammen,
Du und ich.

Kannte des Einen
Liebe das Andre,
Brannten die Augen
In heimlicher Gluth.

Aber die Lippen
Mieden zu künden
Unserer Augen
Flammende Schrift.

Sprachen die Lippen
Kühles und Fremdes,
Sprachen von Englands
Literatur.

Kamen im Dörfchen
Endlich allein an;
Flammte vom Himmel
Stolz der Komet.

Sprachen noch lange
Von englischen Büchern,
Ließen entfliehen die
Köstliche Zeit.

Bangte vor dir mir,
Liebe zu sagen,
Bangte vor mir dir,
Liebe zu hören.

Kamen die Andern,
Lächelnd und spähend,
Trennten uns wieder
Dich und mich.

Von meiner Liebe
Sagt' ich ihnen,
Von meiner Liebe
Sagten sie dir.

Von deiner Liebe
Sagtest du ihnen.
Von deiner Liebe
Sagten sie mir.

Lachten die seligen
Götter im Himmel,
Lachte vor Allen
Eros, der Schelm.

Es ist so spät geworden

Es ist so spät geworden,
Die Sternlein schlummern lind
Im weiten Wolkenbette –
Schlummre auch du, mein Kind.

In stillen Wiesenblumen
Träumet der müde Wind
Von rothen Morgenrosen –
Träume auch du, mein Kind.

Nur meine Lieb' und Treue
Beide noch munter sind,
Und schwingen sich über die Wälder
Im Wachen bei dir, mein Kind.

Mittags

Ich stieg von grünen Waldeshöh'n
In's kühle Thal hernieder,
Ein Bächlein sang mit Lustgetön
Im Geh'n mir muntre Lieder.

Ich folgte froh des Bächleins Spur,
Um seinem Sang zu lauschen;
Doch als wir kamen auf die Flur,
Verstummete sein Rauschen.

Und als ich schaute, lag es tief
In bunten Blumendecken;
Ob seinem Singen es entschlief –
Ich mocht' es nicht erwecken.

Kindesschlaf

Saß einst im stillen Kämmerlein
An eines Kindes Bett allein;
Da spürt' ich's heimlich mich umwehen,
Weiß nicht, wie mir so mocht' geschehen.
Es ging von diesem schlummernden Kinde
Ein Friedenshauch, so leise, linde,
Der um mein Herz, das vielbewegte,
Fächelnde weiche Schwingen legte. –
Und alles Leid und alle Lust
Verschwammen schweigend in meiner Brust,
Und tief in sinnendem Gemüthe
That auf sich mir des Wortes Blüthe:
»Wer nicht mag sein wie solch ein Kind,
Dem alle Himmel verschlossen sind.«

Ein Werk

Es ging ein Meister wandern
Hinaus in die weite Welt,
Gott Vater hatte bei ihm
Ein großes Werk bestellt.

Vom Himmel nahm er die Sonne
Und flimmernde Sternengluth,
Er nahm des Sturmes Sausen,
Des Meeres hallende Fluth.

Den Wiesen entführt' er lächelnd
Den duftigen Blumenschein,
Dem Quell sein muntres Rauschen,
Dem Walde die Vögelein.

Und als er all gesammelt.
Der Erde bunte Lust,
Da griff der Meister kräftig
Hinein in die Menschenbrust.

Zum Werk auch mußt' ihm dienen
Das tolle Menschenherz,
Mit seinem klagenden Sehnen,
Mit seinem jubelnden Scherz.

Und als das Werk des Meisters
Zu seinem End gedieh,
Da nannte es Beethoven
Die A-dur-Symphonie.

Wiegenlied

Schlafe, mein Kindchen, schlaf' ein geschwind,
Ueber den Tannen gehet der Wind,
Wehet der Sonne die Augen kühl;
Treibet der Wolken wallend Gewühl,
Spielet und streifet über die Weiten,
Himmelweit will er heute noch gleiten.
Schlafe, mein Kindchen, schlaf' ein geschwind,
Ueber den Tannen gehet der Wind.

Schlafe, mein Kindchen, schlaf' ein geschwind.
Ueber den Tannen gehet der Wind.
Tannen, die wachsen zum Himmel hinan,
Schauen die Sonne wandeln die Bahn,
Schauen die Sternlein sinken und steigen,
Nicken und rauschen, wiegen und neigen.
Schlafe, mein Kindchen, schlaf' ein geschwind,
Ueber den Tannen gehet der Wind.

Schlafe, mein Kindchen, schlaf' ein geschwind,
Ueber den Tannen gehet der Wind,
Vögelein sitzt auf glänzigem Ast,
Pfeift sich ab das Herzelein fast,
Sitzet beim Nestchen und hütet die Seinen,
Hütet die lieben schlummernden Kleinen,
Pfeift hinein in Sonne und Wind:
Schlafet, ihr Kindlein, schlaft ein geschwind.

Den Philistern

»Und hast du denn nichts Bessers zu thun.
Als immer Federn zu spitzen?
Als immer, wie ein brütend Huhn,
Auf poetischen Eiern zu sitzen?

O mehre nicht auch noch die Dichterbrut,
Die überall uns in Weg tritt!
Wo fände man endlich, bei Gottes Blut.
Genug Hennedarm, Hanfsamen, Wegtritt?

Bewirb dich um ein praktisch Amt
Oder wähl' eine Facultät dir.
Was nützet dem Staat so ein verdammt
Hinbummelndes Poetthier?«

O du gestrenger, du weiser Chor,
Wie gönn' ich dein Gequack dir!
Nicht neid' ich dich um dein langes Ohr
Und nicht um den Titel: Packthier.

Ich neide dir nicht den beschlagenen Huf
Und nicht deine duftenden Pferche;
Laß du mich bleiben, wie Gott mich schuf:
Eine lustig trillernde Lerche!

Sonst und Jetzt

Hinauf aus den Tiefen, aus Korn und Klee,
Hinauf aus dem flimmernden Blühen,
Hinauf in die Berge zu Eis und Schnee,
Hinauf in die felsigen Flühen!

Wo die Geier kreisen, das Schneehuhn schwirrt,
Wo die Wasser donnern und tosen,
Wo der Birkhahn balzt, der Apollo flirrt
Durch der Alpen leuchtende Rosen!

Wie jauchzt' ich hinaus von der schwindelnden Wand,
Hinaus in die blauenden Weiten,
Wie winkt' ich so stolz in's qualmende Land
Aus den prächtigen Einsamkeiten.

Wie ruht' ich so wolig auf wildem Gestein,
Wie pries ich die Tiefe der Stille –
Allein zu sein, ach, so selig allein.
War all mein Wunsch und mein Wille. –

Die Nebel ziehen und die Zeiten fliehen
Und die Wasser wandern und schäumen –
Wohin ist die Lust, wohin, wohin:
In den Gletschern zu gehn und zu träumen?

Das war: ich fand im Alpengrund
Einen Garten, funkelnd im Thaue,
Ich fand einen liebholdseligen Mund,
Zwei Augen, leuchtende, blaue.

Mein Herze sprach: »Hier machst du Halt,
Hier hat dein Weg ein Ende;
Laß fahren die Gletscher, wild und kalt,
Laß fahren die schwindelnden Wände!

Was beut dir droben das Urgestein,
Was lehrt dich der Wasser Tosen? –
Bleib' unten im duftigen Blüthenschein
Und kränze dein Haupt mit Rosen.

Aus dieser Augen Alpensee
Sollst du deine Seele tränken,
Und all dein einsam Leid und Weh
Wonniglich drein versenken.« –

So hat meinem Weg in's Urgestein
Und auf zu Gletschern und Schrunden
Ein jung jung Hochlandtöchterlein
Ein selig End gefunden.

Who ist that at my bower-door?

(Nach Robert Burns.)

Wer böpperlet a der Chammer a?
Nu ich bi's, seit de Heiri.
Se pack di hei, was witt du da?
Nu öppis, seit de Heiri.
De schlichst ja, wie wann d' gstohle hettst –
Chumm lueg nu, seit de Heiri;
De machst na Stämpeneie z'letzt –
Cha scho sy, seit de Heiri.

Und lies i di i's Chämmerli –
O las mi, seit de Heiri;
So wär's dänn mit mim Schlaf verbi –
Natürli, seit de Heiri.
Und wärist i mim Chämmerli –
O wäri, seit de Heiri;
Se wettst bis 's taget, bimer sy –
Bis 's taget, seit de Heiri.

Und wettist die Nacht bimer sy –
Die ganz Nacht, seit de Heiri;
Se fürchi, chämist wieder gli,
Gli wieder, seit de Heiri.
Was gscheh mag dänn im Chämmerli –
Las gscheh nu, seit de Heiri;
Das rathider, das bhalt für di! –
Verstaht si, seit de Heiri.

O lassic, art thou sleeping yet?

(Nach Robert Burns.)

          Er.

O Vreneli, los, säg, schläfst du scho?
O Vreneli, los, bist wachber no?
I möcht es bitzeli zueder cho,
O Vreneli, thuemer uf!

O thuemer uf nu das mal.
Das einzigmal, nu dasmal,
I bitte di, gwüß nu dasmal,
Stand uf und thuemer uf!

Los nu wie's guslet und wie's macht,
Lueg nu, kes Sternli schünt dur d'Nacht,
Mini Bei hämi nümme wiiters bbracht –
Chumm, lami understah, Chind!

Und ghörst dänn nid da Chuuti gah?
Er gstabet und verschniidt mi na!
De chönntist doch Verbärmket ha –
Iszapfe, thuemer uf!

0 thuemer uf nu dasmal,
Nu das, nu das, nu dasmal,
I bittedi, nu dasmal
Stand uf und lami ine, gäll?

          Sie.

O schwätzmer nid vu Schnee und Wind,
Säg nid, i seig e gruusams Chind,
Mach, gangmer vu der Thüre gschwind,
I thuene der nid uf, nei!

I sägder iez, nid dasmal
Nid das und das und dasmal
Und eimal iez für allmal
I thuene der nid uf, nei!

De bißigst Wind, won um ein pfüüst.
De cheltist Gutz, wo abegüüßt
Isch nüt gege wie es Chind aschüüßt.
Wo me falsche Bueb trout, weißt. –

Hütt lueget man es Blüemli a,
Morn butzt mä sini Stifel dra –
Das chönnedmer as Bispiil ha,
Wie's eusereim gieng, weißt!

Es Vögeli pfifft im Sunneschii,
Morn föhtmäs in es Chefi i –
Das Vögeli mag is Warnig sy,
Wie's eusereim gieng, weißt!

I sägder iez, nid dasmal,
Nid das, nid das, nid dasmal,
Nid eimal und nit keimal
Thuenider uf, iez lauf! –


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