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Blumenlese – Zweiter Band
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Emil Zschokke

Schweizerehre

(Im Mai 1853, als Oesterreich die Schweizergrenze wegen Tessin bedrohte.)

Für jedes Volk in weiter Völkerrunde
Muß schlagen einmal der Erprobung Stunde;
Damit es zeige mit dem blanken Schwert,
Ob es der Ehre seines Namens werth.

O Schweizervolk, dir hat in diesen Tagen
Ihr ernstes Mahnen an das Ohr geschlagen.
Der alte Feind, der sich in Waffen reckt,
Hat dich aus deinem Friedenstraum geschreckt;
Des Volkes Erbfeind, wie zu Geßlers Zeiten,
Möcht' deinem Namen blut'ge Schmach bereiten,
Und hat von Neuem seinen Hut erhöh't,
Daß sich ihm beuge, wer vorübergeht.

Und wir? Wir sollten unsern Nacken beugen,
Den Hohn ertragen und mit Zittern schweigen?
Brennt in den Adern uns kein Feuer mehr
Des edeln Zorns ob tief gekränkter Ehr'?
Des Zorns, der in der Väter Brust gelodert,
Wenn sie vom Erbfeind Rechenschaft gefordert;
Des Zorns, der auf der Trift am Schornathurm
Die Dränger niederwarf wie Donnersturm?
Hat er nun ausgeflammt? So hör' ich fragen;
Ward in des Friedens langem Wohlbehagen
Das Volk entnervt und feig und matt,
Daß es kein Herz mehr für die Ehre hat?
O dann sei unser Wappenschild zertrümmert,
Das einst im Glanz des höchsten Ruhms geschimmert!
Dann sei zerbrochen unser altes Schwert,
Das oft vom Lande Unbill abgewehrt!
Dann geh' zerrissen ewiglich zu nichte,
Die Heldenchronik unserer Geschichte!
Und, nicht zu überleben deine Schand',
Versink' in Abgrund, armes Vaterland!

Doch nein! Fort mit des Zweifels Schmachgedanken!
So lange nicht Helvetiens Berge wanken,
So lange wird bestehen fest und frei
Im Schweizerbusen auch die Schweizertreu!
Auf, auf, mein Volk! Vor des Tyrannen Hute
Bleib' ungebeugt in stolzem Freiheitsmuthe;
Und will dich zwingen seiner Häscher Troß,
So greife wie der Tell nach dem Geschoß.
Das Horn der Alp, die Glocke auf dem Thurme
Soll heil'ge Losung geben zu dem Sturme;
Zum Heereslager werd' das ganze Land,
Zur Waffe selbst der Feldstein in der Hand.
Dem Tode gilt's dann kühn in's Aug' zu schauen!
Ihr Kinder betet für uns, betet Frauen!
Der Herr, der einst zu uns'rer Väter Tagen
Durch seinen Arm der Feinde Macht geschlagen,
Er lebet noch und selbst im Schwachen schafft,
Der Blick auf Ihn zum Siege Riesenkraft.
Und wird auch Mancher nicht mehr wiederkehren,
Der auszog auf das blut'ge Feld der Ehren,
So mag's in Gottes Namen auch gescheh'n:
Der Tod für's Vaterland ist ewig schön!
Rings um die Gräber Derer, die gefallen,
Wird Ruhmesklang das Weinen überhallen!

Ja, lieber sterben, als mit Schande leben!
Vor diesem Schlachtruf soll der Feind erbeben.
Laßt wallen hoch las heil'ge Kreuzpanier!
Wo es vorangeht, dahin folgen wir!

Frühling

Nur wieder vor mein Gartenhaus gestellt
Die grüne Bank, daß ich zum ersten Male
Mich freuen kann der schönen neuen Welt,
Mich sonnen kann am warmen Frühlingestrahle!

Schon schimmerts lichtgrün durch den Wiesenplan,
Schon treibt der Wind mit Knospen sein Gekose,
Und sieh', ein frühes Bienchen summt heran
An das Geländer zu der Pfirsichrose.

Der Brunnen, seiner Strohumhüllung baar,
Er plätschert fröhlich in sein Beckchen wieder;
Mir däucht, es klingen daraus wunderbar
Des Brunnengeistes leise Frühlingslieder.

Und auch das Finkenpaar ist wieder da;
Es badet Fuß und Brüstchen in der Rinne;
Dann schwirrt es flugs auf Zweige fern und nah'
Und schnäbelt dort in süßer Frühlingsminne.

Der Brunnen plätschert mich in Träumerei;
Mir fehlt noch was zum vollen Lenzgenusse,
Da kömmt mein Weibchen aus der Stadt herbei
Und weckt mich lächelnd auf mit einem Kusse.

Ein Blick zu den Sternen

Ein Frühlingsgarten blühet in überird'scher Pracht
Hoch an dem Himmel oben zu jeder Mitternacht;
Die Sternenblumen glänzen vom Licht der bessern Welt
Und ihre Myriaden hat noch kein Mensch gezählt.

Wenn hier im Erdenthale all' Pracht und Lust vergeht,
Dort blüht es ohne Welken in ew'ger Majestät;
Wenn hier der Strom des Lebens zerrinnt in flücht'ger Klag',
Dort gelten tausend Jahre als wie ein einz'ger Tag.

Drum auf zu jenen Lüstern das Aug so gerne blickt,
Wenn hier auf dunkeln Pfaden die Sorge uns erdrückt;
Dort möchten Rath wir holen, der uns hienieden fehlt.
Dort suchen wir Gewißheit, wenn uns hier Zweifel quält.

Und mit der Geistersprache, die nur das Herz versteht,
Aus jener fernen Heimath die Antwort uns ergeht:
»Harr' fröhlich aus! Der Vater dort oben in dem Licht,
Der alle Sterne zählet, vergißt auch deiner nicht!«


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