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Blumenlese – Zweiter Band
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Augustin Keller

Auf der Gislifluh

         Fremder

Was thürmt sich dort in blauer Ferne
Die Riesenschaar im Bogenkreis?
Sie flimmern hell wie Wandelsterne,
Und stehn doch strack und starr wie Eis.

         Führer

Das ist von Dichtern hochgepriesen,
Der grauen Alpen altes Heer;
Der Himmel hat den mächt'gen Riesen
Geschmiedet Helm und Schild und Speer,
Drum siehe, blinken sie so sehr.

         Fremder

Was glänzt wie blanke Silberfaden,
Im grünen Grund gewoben, hier,
Worin sich Thal und Hügel baden
Und holen ihre Blumenzier?

         Führer

Das sind die Bäche und die Flüsse,
Die wirken ohne Ruh und Rast;
Dem Lande bringen ihre Güsse
An Gold und Silber schwere Last;
Drum glänzen sie mit solchem Glast.

         Fremder

Weß ist der reiche, schöne Garten,
Wo Hügel grün an Hügel schwillt,
Und Lust und Segen aller Arten,
In Tiefen und auf Höhen quillt?

         Führer

Das Land gehöret einem Volke,
Deß frohes, freies Schweizerblut
Bei Sonnenschein und Regenwolke
In Haus und Felde nimmer ruht;
Drum blüht der Garten auch so gut.

         Fremder

So sind das, denk ich, Schattenhaine,
Die in den Thalen blühend stehn;
Das Gartenhäuser, wie ich meine,
Die ringsum ab den Bergen sehn?

         Führer

Nein, Dörfer sinds in grünen Bäumen,
Und frohe Städtchen allzumal,
Und Burgen das mit öden Räumen;
Einst hausten Herren drin im Saal,
Nun stehn die Mauern wüst und kahl;
Die Herren wohnen jetzt im Thal.

Der Hallwyler See

Da glänzt der alte blaue Spiegel,
In den der Hans von Hallwyl sah;
Der Held ruht unter Stein und Riegel,
Der Spiegel ist noch immer da.

Und sieh', in ihrer Hauben Glanze
Sah'n mit ihm auch Gletscher drein;
Der Held erlag dem Todtentanze,
Die Gletscher schaun noch immer drein.

Was schaut ihr denn so lang hinunter?
Korallen find't ihr drinnen nicht,
Doch tausend Fischlein froh und munter
In stiller Freiheit Lust und Licht.

Die Ufer kränzen sich mit Eichen,
Und Wasserrosen gelb und weiß;
Und was von selbst sie nicht erreichen,
Das zwingt des Landmanns treuer Fleiß.

Und höher an den frischen Hügeln,
Wie legt sich Kranz auf Kranz im Kreis!
Gefilde, Matten, Reben spiegeln
Im See, und Blust an jedem Reis.

Und sieh', im Kranz die mächt'gen Sträuße,
Die Dörfer traut im Apfelwald,
Draus je ein Tempel Gott zum Preise
Als goldne Immortelle strahlt!

Und nieder, nicht auf hohen Stegen,
Da ruht des alten Helden Schloß;
Da schliff er still den guten Degen
Und tränkte still am Bach sein Roß.

Drum glänze, alter blauer Spiegel,
In den der Held von Murten sah!
Erbrich der Grabes morschen Riegel,
Und bring sein Bild uns wieder nah'!

Der Heimatlose

Von Dorf zu Dorf bin ich gejagt,
Mit Weib und Kind durch Sturm und Schnee,
Von Frost und Hunger durchgenagt,
Gescheucht, als wie des Waldes Reh,
Und preisgegeben jedem Weh.

Verstoßen aus der Menschheit Schooß,
Erbarmt sich keine Seele mein;
Der Wald nur beut mir Reis und Moos,
Das Wild nur läßt mich fromm herein,
Der Mond nur giebt mir Lampenschein.

Und bricht die kalte Nacht herein,
Schließ ich die Kindlein in den Arm,
Die laut nach Brod und Bettlein schrei'n,
Und weine sie am Herzen warm,
Und fühl' mich arm zum Gotterbarm.

O Menschenbrüder, kommt herbei!
Und sehet euer Bruderbild,
Und hört der Kindlein Blutgeschrei,
Das härter euch, als Wald und Wild,
Und wilder, als Barbaren schilt!

Tango

Um 800

Im Kloster lebte zu St. Gallen
Ein Meister vor den Meistern allen.

Er goß, in jedem Ding gewandt,
Die ersten Glocken auch im Land.

Als Kaiser Karol das vernommen.
Ist er selbst zu ihm ins Kloster kommen.

Er hörte der Glocken vollen Klang;
Sie mußten ihm ziehen jeden Strang.

Drauf ließ er sich auch eine gießen,
Und einen Zentner Silber fließen.

Doch Tango verbarg das Silber schnell,
Und mischte Kupfer an dessen Stell'.

Sonst ward die Glocke schön vollendet,
Und jede Zeit an sie verschwendet.

Der Meister freut sich still der List,
Hängt sie zur Probe ins Gerüst.

Und steht, sie innen zu beschauen,
Sogleich darunter voll Vertrauen.

Doch sieh', er fand drin sein Gericht,
Die Krone reißt, und springt und bricht.

Die Glocke stürzt ins Loch zurücke,
Und bricht dem Meister das Genicke,

Da sprach der Abt, er sprach's nicht gern:
»Das Unrecht schlägt den eignen Herrn!«

Die Brücke bei Bischofzell

Um's Jahr 1360

Wer steigt vom Schlosse nieder? Wer ist das kühne Paar?
Wer sind die jungen Ritter dort mit dem blonden Haar?
Es sind die beiden Brüder, die Herrn von Hohenzorn,
Der eine trägt die Falken, der andre bläst das Horn.

Die Ritter wollen jagen im Walde hochgebäumt,
Wo tief im wilden Thale die Thur durch Felsen schäumt;
Sie setzen durch das Wasser und steigen aus dem Kahn;
Sie schreiten in die Tannen und streifen durch den Plan.

Und sieh', die Falken steigen, es flieht der Auerhahn;
Die Hörner wiederhallen, die Hunde schlagen an:
Die Rehe und die Hirzen, sie flieh'n durch Busch und Bach;
Die Hasen und die Häslein, der ganze Wald wird wach.

Die flinken Jäger zielen und machen guten Fang;
Es wird von ihren Würfen jedwedem Wilde bang;
Da that sich Gott erbarmen der Thiere in dem Wald:
Ein rabenschwarz Gewitter erhebt sich alsobald.

In Splitter schlug er Eichen, der Regen floß wie Meer,
Aus jedem Tobel rauschte ein wilder Strom daher;
Die Thierlein haben Ruhe, den Jägern wird es graus,
Sie greifen nach der Beute und kehren bang nach Haus.

Die Thur ist angeschwollen und furchtbar ihre Wuth;
Im Grunde wälzt sie Felsen, und Tannen auf der Flut;
Die Ritter stehn am Ufer und sehn den Gräuel an,
Sie lösen kühn die Kette und steigen in den Kahn.

Sie kämpfen mit den Wogen und treiben frisch hinaus;
Sie halten mit dem Strome auf Tod und Leben Strauß;
Da faßt ein Baum den Nachen und reißt ihn in den Grund,
Und wirbelt auch die Ritter hinunter in den Schlund.

Die Mutter sieht im Schloße der Söhne letzte Noth;
Ihr Jammer ist vergebens, man bringt ihr beide todt;
Die Falken fliegen traurig um ihre Herren her.
Und trostlos klagt die Wittwe, hat keine Söhne mehr.

Ein Kloster will sie bauen, wo sie das Leid erlitt;
Da sprach der Schloßkaplan! »Frau, Ihr helft Niemand damit;.
Wer betet je für Kinder baß, als ein Mutterherz,
Schützt lieber andre Mütter vor Eurem eignen Schmerz!«

Da rief die edle Mutter zwei Meister gleich herbei,
Und ließ die Brücke bauen, von Zoll und Weggeld frei.
Und einen Denkstein setzen am Fluße dort zur Stell,
Seit bald fünfhundert Jahren beim Städtchen Bischofzell.

Niklaus Thut

Gen Sempach zog für Oestreichs Macht
Zofingens Fähnlein in die Schlacht,
Das Fähnlein aber trug mit Muth
Voran der Schultheiß Niklaus Thut.
Bald war mit Schwert und Hellepart
Ihr Harst um Leopold geschaart.
Bald standen sie zum heißen Streit
In grünem Wiesengrund gereiht.
Bald brachte aus des Waldes Nacht
Der Feind die wilde Männerschlacht.
Bald schien dem Adel, felsgekeilt,
Glorreich schon gar der Sieg ereilt. –
Da kam der Eidgenossen Heil,
Struth Winkelried, und brach den Keil,
Er sprang in Oestreichs Speerwald ein,
Und riß den Seinen Bahn darein,
Und wie ein Blitzschlag fuhr sogleich
Der Tod ins Herz von Oesterreich,
Und Eich' auf Eiche schlug er hin,
Kein Schild, kein Panzer hemmte ihn;
Und selbst der Herzog hochgemuth
Sank sterbend in sein junges Blut.
Doch in des Kampfes höchster Gluth
Stand immer noch der Schultheiß Thut.
Er stand als wie ein Riesenthurm,
Und hielt sein Fähnlein fest im Sturm.
Und um ihn, trotzend der Gefahr,
Stritt leugleich seine treue Schaar,
Doch Alles schwankt zuletzt und fällt;
Er steht Von Allen los geschält.
Da trifft der grimme Tod auch ihn:
Er stöhnt und stürzt aufs Fähnlein hin;
Und röchelnd reißt er's noch vom Schaft,
Zu retten es der Bürgerschaft.
Tags drauf da zieht man klagend aus,
Holt seine Todten still nach Haus.
Man fand die ganze treue Schaar
Gefällt, wo sie gestanden war.
Der Schultheiß lag im Blut gesumpft,
Das Schwert bis an die Faust gestumpft,
Und in der Linken hielt, mit Kraft
Gefaustet, er des Panners Schaft:
Allein das Panner mißte man.
Und fand dafür sein Blut daran.
So werden sie nach Haus geführt,
Und schlicht mit Kreuz und Kranz geziert.
Man trägt mit Sang und Glockenklang
Sie Mann für Mann die Stadt entlang.
Man stellt sie All' ins Todtenhaus
Zu öffentlichen Ehren aus;
Und klagend widerhallt's im Chor,
Daß Haupt und Panner man verlor.
Drauf hielt der Weibel treu die Nacht
Bei seinem Schultheiß Leichenwacht:
Der schlief auf seiner Todtenbahr
So schön in seinem grauen Haar.
Er sah den Herren weinend an,
Von dem er einst so viel empfahn;
Er strich den Bart ihm aus dem Mund,
Auf daß er ihn noch küssen kunnt'.
Da nahm er, siehe, wunderbar
Im blassen Mund ein Tüchlein wahr.
Er faßt es an, er zieht's hervor,
Ei schaut es an, er hält's empor;
Er ruft, als er das Wappen sah:
»Glück auf, das Panner ist noch da!«
Gesungen ward's in Spruch und Reim:
»Der Schultheiß bracht's im Munde heim!«
Sogleich vernahm von Thor zu Thor
Die frohe Kunde jedes Ohr,
Und staunend lief die Stadt herbei.
Und pries des Pannerherrn Treu.
Und noch erzählt sich's Jung und Alt,
Daß Jeder treu des Amtes walt';
Und ob er hoch, ob niedrig steh'.
Wie Niklaus Thut zum Fähnlein seh'.

Das Brieflein

(um 1430)

Vom Zugerlande zog daher
Ein frischer Knab' von ungefähr;
Er kam nach Zürich kreuz und quer
Zu einem Gerber in die Lehr'.

Da trat der Meister einst herein:
»Gesellen, he, wer ist so fein,
Und schreibt mir gleich ein Zeddelein?
Nach Basel muß geschrieben sein!«

Der Andern konnt' es keiner nicht.
Sie machten All' ein lang Gesicht;
Da heischt der Knabe Zeug und Licht,
Und schreibet, was der Meister spricht.

Er bringt, geschrieben schön und rein,
Den Brief dem Meister dann hinein;
Der spricht erstaunt: »Ei, ei, wie fein,
Du mußt ein Bürgermeister sein!« –

Und sieh, was Wunder drauf geschah!
Er ward ein Bürgermeister da,
Wie Zürich nie noch einen sah:
Der Knabe hieß Hans Waldmann ja.

Die Heimat

Der fromme Niklaus von der Flüb'
War satt des Lebens Last und Müh'.

Es war daheim ihm nicht mehr recht.
Das Leben däuchte ihm zu schlecht.

Drum schied von Weib und Kind er ab,
Und griff getrost zum Wanderstab.

Er hat gen Nord ein Licht gesehen,
Er wollte nach dem Lichte gehen.

So kam er auf den Hauenstein,
Und drauf gen Liestal und den Rhein.

Da sah er hinter seinem Pflug
Ein Bäuerlein mit schwachem Zug.

Der fromme Pilger grüßte ihn.
Und frug: »Wo geht der Weg hier hin?

Ich will in fremde Lande fort
Mit Gott mein Heil zu suchen dort.«

Da schaut das Bäuerlein ihn an:
»Mein Freund, ihr seid auf irrer Bahn!

Habt ihr den Spruch nicht mehr im Sinn?
Verbleib' im Land und nähr' dich drinn!

Der Häller gilt zu jeder Frist
Das Meist' wo er geschlagen ist.«

Als Bruder Klaus den Rath gehört.
Hat er nicht weiter mehr begehrt.

Er ließ den fremden Honigseim,
Und ging zufrieden wieder heim.

Der Meister Hämmerlein

(um 1463.)

Wer seine Sache kann und fein versteht
Und jedem Ding auf Grund und Boden geht.
Der heißt von Jedermann Land aus und ein
Von Alters her ein Meister Hämmerlein.

Der Chorherr Meister Felix Hämmerlein
Studirte Tag und Nacht im Kämmerlein;
Kein Chorherr war in Zürich so gelehrt.
Und keiner, weit und breit, wie er geehrt.

Im finstern Aberglauben lag das Land,
In Lug und Laster tappte jeder Stand.
Verdunkelt war das lichte Wort des Herrn,
Dem Weisen nur erglänzte noch sein Stern.

Da grub er kühn, trotz Schweiß und Ungemach,
Im dunkeln Schacht dem Gold der Wahrheit nach;
Er zog es frei, wo er das Kleinod fand.
Ans Licht, geklärt von Schlacken und von Sand.

Die Eule aber liebt die Sonne nicht,
Sie schreit und sticht vor ihrem Himmelslicht;
Und wer der Welt zu laut die Wahrheit zeigt.
Wird mit dem Fiedelbogen traun geschweigt.

Doch wie sich's ziemt dem treuen Schweizermann,
Er zeigte sie und kehrte sich nicht dran;
Bis mit Verläumdung sie ihn überspien,
Als Zauberer und Ketzer ihn verschrien.

Und als er war ein hochbetagter Greis,
An Kräften schwach, an Bart und Haaren weiß;
Da trat des Bischofs Knecht zu ihm herein.
Und band den frommen Meister Hämmerlein.

Gottlieben heißt im Thurigau ein Schloß,
Drin, Gott zu Leid, man Huß in Fesseln schloß;
Da warf man, wo's nach Molch und Leichen roch,
Auch Hämmerlein ins tiefste Kerkerloch.

Da lag der kranke Greis bei Molch und Wurm,
Geblockt, auf nassem Stroh im kalten Thurm,
Und blieb, der falschen Lehre falsch verklagt,
Mit Gott vor seinem Bischof unverzagt.

Ei sprach zu ihm: »Die Wahrheit ist nicht mein,
Der Welt ist sie, der Ewigkeit gemein;
Sie widerrufen kann ich ewig nicht,
Nur wieder rufen Jedem ins Gesicht.«

Der Bischof sprach ihn frei, doch war es klar,
Daß Hämmerlein kein Freund der Klöster war.
Und schickt ihn, abgezehrt auf Haut und Bein,
Zur Haft den Mönchen nach Luzern hinein.

Hier saß der arme Meister Hämmerlein
Nun lang im engsten Klosterkämmerlein.
Man gab, zu längern seinen Hungertod,
Dem Kranken Wasser nur und schwarzes Brod.

Nun rief er todtschwach einst den Guardian,
Und hielt bei ihm um den Gefallen an,
Daß er, den Baslern Eintrag nicht zu thun,
Die Reuß verbiete jedem Klosterhuhn.

»Es endet mit ihm!« denkt der Pater gleich.
Und tröstet ihn: »die Reuß fließt also reich,
Daß wohl ein Hühnlein aus ihr trinken kann.
Kein Basler Müller spürt's dem Rheine an!«

»So gnadet,« bat der Greis, »ein Gleiches mir.
Und gönnt von Eurer Tafel reicher Zier
Mir nur ein Bißlein je, so klein es ist,
Das weder Herr noch Knecht bei Tisch vermißt!«

Da brach des kranken Greises scharfer Scherz
Dem Guardian das felsenharte Herz;
Er ließ ihm täglich werden ab dem Tisch
Zu Brod und Wein nach Wunsche Fleisch und Fisch.

Und ob er ihm auch Fleisch und Fisch nun gab,
Kein Mäuslein nahm darum im Kloster ab;
Und heut noch trinkt manch Hühnlein aus der Reuß,
Wovon kein Basler Müller Etwas weiß.

Die Glarnerin

Die Eidgenossen zogen mannlich aus
Im Schwabenkrieg einmals zu Sturm und Strauß,
Und stürmten auf dem Schwarzwald kühn und keck
Bald Stadt und Schloß des Herrn von Roseneck.

Der hatte ihnen manches Leid gethan.
Drum griffen sie Stadt Blumenfeld ihm an,
Und säten rings herum zu Leid und Noth
Ins Feld ihm manches Blümlein weiß und roth.

Doch fünfmalhundert Helden ab dem Wald
Ergaben Blumenfeld nicht alsobald,
Sie schlugen ab der Feinde Drang und Sturm
Mit Steinen und Geschoß von Thor und Thurm.

Da fiel der Hunger in das Städtlein ein,
Daß sterbend Weib und Kindlein thäten schrein,
Und man dann ohne längere Waffenthat
Den Feind um Frieden und um Gnade bat.

läßt der Sieger Stadt und Schloß in Ruh
Und spricht der Mannschaft freien Abzug zu;
Auch dürfen tragen Weib und Kind vom Platz,
Was Jedes mag, von seinem liebsten Schatz.

Nur den von Roseneck, das ist vorbei.
Verlangen sie zum Tode mit Geschrei;
Das Urtheil hört sein Weib mit Schauer an,
Und sinnt, zu retten den geliebten Mann.

Und wie jetzt Weib und Kind in buntem Zug
Zur Stadt hinaus sein liebstes Kleinod trug;
Ließ Frau von Roseneck all Gut zurück.
Und kam daher im ärmsten Kleidungsstück.

Doch kam die edle Gattin nicht so leer;
Sie schwankte langsam hinterm Zuge her,
Und hatte, auf dem Rücken eingesackt,
Den Mann als theu'rstes Kleinod aufgepackt

Da freut der Sieger sich der Frauen Treu.
Gibt ihr gerührt ihr theures Kleinod frei.
Und schenkt zum Lohne ihr noch obendrein
Auch ihren Schatz von Gold und Edelstein.

Und Alles pries die wack're Rittersfrau
Und frug nach ihrem Stamm und Heimatgau;
Da sprach der Rosenecker dankgerührt:
»Ich habe sie aus Glarus heimgeführt!«

Franz Krutter

Das glückhaftige Schachspiel

Des Grames Wolke nimmermehr von Abul's Fürstenstirne weicht.
Der Kummer hat dem Königssohn das jugendliche Haar gebleicht.
Schön ist das Schloß, worin er wohnt, die Säle reich, die Aussicht frei;
Doch mahnen Thor und Mauer ihn, daß ein gefang'ner Mann er sei.

Wohl dehnen sich auf Stunden weit die Mauern um das Lustrevier,
In Gärten springt der Wasserstral, im Haine graset Jagdgethier.
Doch mag er nicht im Garten geh'n, das Jagen ist ihm kein Genuß;
Wie weit er wandelt, jagend schweift, die Mauer bleibt und der Verschluß.
Verstimmt und müßig an der Wand die Laute schläft von Ebenholz;
Im Bauer singt die Nachtigall, das Lied ist freien Mannes Stolz.

Das Schachspiel einzig ihn erfreut, da träumet er von Königsmacht;
Und auf dem Brette ordnet er mit klugem Sinn und lenkt die Schlacht.
Er hat gethan den ersten Zug. – Durch's Fenster scheint der Morgen hell.
Da öffnet sich die Thür; es tritt herein ein widriger Gesell:
»Dein Bruder, Abul, sendet mich, der Herrscher auf Alhambra's Thron.
Du lebst – im Kerker, doch du lebst; auf seinem Haupte wankt' die Kron':
Ich bringe dir den Seidenstrick; du weißt es, was der König will:
Nicht zittern will er fürderhin, bereite dich und dulde still;
Doch hast du einen letzten Wunsch, so bring' ich dessen Vollgewähr.«

Mit trübem Lächeln Abul spricht: »Zum Spiele saß ich eben her:
Das Spiel vollenden möcht ich gern. Weil alles Leben eitel Spiel,
So sei derselbe Augenblick des Spielens und des Lebens Ziel.«

»Dein Spiel so bringe das zum Schluß, wo du's vermagst, mit Seelenruh!
Dem Spieler dräut die Schlinge nicht; das schwör' ich beim Propheten zu.«

Zum Spiele wendet Abul sich, als hinge nicht sein Leben dran.
Und winket dem Genossen zu, von diesem wird ein Zug gethan.
Sie schauen sinnend auf das Brett und prüfen klug und prüfen lang
Und ziehen voll Besonnenheit; das Spiel geht seinen ernsten Gang.
Der Bote starret auf das Brett mit schlauem, regem Kennerblick,
Bewundert beider Spieler Kunst, nimmt Theil an Glück und Mißgeschick.

Der Fürst, sein Henker und sein Freund, ins Spiel versunken alle drei,
Sie achten's nicht, sie ahnen's nicht, wie Stund um Stunde rinnt vorbei.

Die Sonne steigt im Mittag hoch, sie wissen's nicht; sie geht zu Thal;
Sie spielen fort im Dämmerschein, sie spielen fort im Mondenstrahl.
Sie hören nicht den Cymbelklang, der, wie die ferne Brandung, braust,
Sie hören nicht den Jubelsang, der, wie der Sturmwind, näher saust.
Sie hören's nicht, wie mit Geschrei durchs Thor ein Menschenhaufe dringt.
Sie hören's nicht, wie Trepp' und Gang von Sporentritten wieder klingt.
Auf springt die Thür', sie hören's nicht. Es stürmt ein Ritterschwarm herein.

»Granada's König liegt im Sarg und Abul muß sein Erbe sein.
Dem neuen König Huld und Heil!« Der Ruf erfüllt das weite Haus.
Herr Abul wirft das Schachbrett um: »Der König matt! Das Spiel ist aus.«

Der Herr von Castelnau

(Anno 1560.)

Der Morgen kömmt mit blut'gem Schein,
Er kündet eine blut'ge That:
Das Urtheil soll vollstrecket sein,
Das nächtlich fand der Richter Rath.

Hart an Amboise's Thore ragt
Ein finster Mordgerüst empor;
Neugierig halb und halb verzagt
Umdrängt es rings der Menge Chor.

Schon treibt zurück des Volkes Schwall
Der Leibtrabanten ehrner Troß.
Der König und die Großen all',
Sie nah'n und halten hoch zu Roß.

Nun bringen sie der Opfer Schaar,
Wohl fünfzehn edle Junker, schaut! –
Gott tröste manches Elternpaar!
Gott tröste manche junge Braut!

Der Herold ruft: »Dem König Heil:
Verfallen ist um Hochverrath
Der Friedensbrecher Haupt dem Beil.
Den armen Seelen Gott genad'!«

Und Mann für Mann an seinem Seil
Der Henker schleppt auf's Hochgericht
Und zwinget ihn zum Block, derweil
Ein kurz Gebet der Pater spricht.

Und als der erste niederkniet.
Da seufzt er auf aus tiefster Brust:
»Wie jung mein Leben, ach! verblüht.
Und bot mir schier noch keine Lust!«

Der zweite weinte lang und laut:
»So muß dem Tod ich sein Genoß;
Und hofft' um Pfingsten meine Braut
Zu führen in mein lustig Schloß!«

Der Dritte mit gelass'nem Blick
Vom jungen Leben Abschied nahm:
»Mich reut mein blutiges Geschick
Nur wegen meiner Mutter Gram.«

»Ich achte nicht,« der Vierte sprach:
»Des grimmen Todes Nacht und Schmerz;
Doch um des Henkertodes Schmach
Zersprengt der Zorn das muth'ge Herz.«

Der Fünfte lächelt still vor sich:
»Gescheh' es denn nach Gottes Schluß;
Ob auf dem Feld, im Bette ich,
Ob auf dem Block ich enden muß.«

Der Sechste sprach: »Und muß es sein,
So sterb' ich als ein ächter Christ,
Und will dem Feinde gern verzeih'n
Die Bosheit und die Hinterlist.«

Der Nächste sprach: »Für welche That
Soll an den Todesblock ich knien?
Nach Pflichten mußt' ich als Soldat
Mit meinem Lehensherren zieh'n.«

Der Achte rief: »Ich bin Franzos
Und aus der Lotharinger Macht
Wollt' ringen ich mein Frankreich los;
Das hat mich an den Tod gebracht!« –

»Dem König wahrt' ich meine Treu'
Durch eines Aufruhrs Waffenthat,«
Der Neunte rief's: »Ihn wollt' ich frei
Und sah umgarnt ihn von Verrath.« –

»Und wenn des Königs Frevel bricht.
Des Landes gutes, altes Recht,«
So sprach der Zehnte: »ruft die Pflicht
Des Landes Bürger zum Gefecht.«

»Weil's für die Glaubensfreiheit galt,«
Der Eilfte rief, »das Seelenheil;
So troßt ich kühn der Herrschgewalt;
Was kümmert mich mein irdisch Theil?

»Eins ist mir,« – sprach der Zwölfte: »Leid!
Wir gaben uns auf Ehrenwort
Für unsrer Leiber Sicherheit:
Ein Fürstenmeineid stiftet Mord.«

Der Nächste sprach: »Mich ärgert nur.
Daß wir so gläubig dumm getraut.
Auf eines Höflings eitlen Schwur
Als auf ein Ritterwort gebaut!«

»Deß tröst ich mich,« der Nächste spricht.
»Wenn unser Werk auch untergeht;
Es bringt die Zeit das Weltgericht,
Wo Recht und Freiheit aufersteht,«

Der Letzte dann von Allen rief.
Das war der Herr von Castelnau:
»Wir haben eines Fürsten Brief;
Sagt, Herzog, ist es nicht also?

Als Schloß Noizai Euch widerstand.
Da botet Ihr die Seligkeit
Der eignen Seel' als Unterpfand
Für unsrer Leiber Sicherheit.

Mit Brief und Siegel treibt Ihr Spiel!
Vor Gott erheb' ich meine Klag'
Auf euer Pfand, das uns verfiel,
Und lad' Euch auf den dritten Tag.«

Der Herzog rief von seinem Roß:
»Mit Siegel und mit Unterschrift
Gewann ich Euch und euer Schloß,
Wofür mich deine Klage trifft.

Ich gab mein Wort in guten Treu'n
Auf Vollmacht seiner Majestät;
Und lebenslänglich soll's mich reu'n.
Daß Königswort der Wind verweht.

Der Kanzler hat mein Wort zerspellt;
Der Kanzler log dem König vor,
Daß nichtig sei vor Gott und Welt,
Was man den Hochverräthern schwor.

Die Ladung, die du mir gebracht,
Vor Gottes hohen Richtersitz,
Sie sei dem Kanzler übermacht:
Ihn treffe der Verdammung Blitz!«

Der Herzog schwieg. Es fiel das Beil;
Es fiel das Haupt des Castelnau.
Die Menge schrie: »Dem König Heil!«
Des Kanzlers Blut der Wang entfloh.

Er sank vom Roß in Pein und Noth;
Man trug ihn krank nach seinem Haus,
Und bei dem dritten Morgenroth
Da haucht' er seine Seele aus.

Sonntagsabendstille

Weg die Akten für einmal!
Meine Arbeit kömmt ins Stocken,
Dein Geplätscher, Brunnenstrahl,
Will mich an das Fenster locken.

Wie das liebe Thal so weit
Meinem Blicke sich entfaltet,
In dem grünen Mattenkleid! –
Sonntagsabendstille waltet.

Dort des Hügels wald'ger Saum,
Dort der Jura, duftumschleiert.
In der Brust ein stiller Traum,
Der entschwund'ne Träume feiert.

Dort versteckt am Waldeshang
Muntre Aarenwellen schweifen.
Fern verrathen ihren Gang
Gluthgefärbte Silberstreifen.

Ueber Tag und über Jahr
Sollen rasche Dampfer schießen
Auf der unsichtbaren Aar',
Durch den grünen Plan der Wiesen.

Sonntagabendsstille dann
Flüchtet fort aus diesen Räumen,
Und gestöret ist fortan
Mein idyllisch süßes Träumen,

Du gefeierte Kultur!
Forderst du mein Herz zum Kampfe?
Doch ich schwärme für' Natur
Selber bei Cigarrendampfe.

Rigi

Aus dem dumpfen Stubenleben
Floh ich auf die freien Höhen, –
Frei? Ja, wenn die Wolken flöhen.
Nun, das wird sich endlich geben.

Nebelbilder sah ich keine,
Aber Nebel, mehr als billig,
Und ich hoffe fromm und willig,
Daß zuletzt die Sonne scheine.

»Wer da hofft, der ist betrogen«,
Sagt ein Spruch, ein alter, wahrer,
»Dem zu trauen ist ein baarer
Unsinn, das einmal gelogen.«

Doch was frommen weise Lehren?
Und was nützen Wetterzeichen?
Weil sich doch die Hoffnungsreichen
Bitt'rer Wahrheit stets erwehren.

Nicht die Hoffenden getadelt!
Denn wie schaal ist alles Leben,
Alles Dichten, Trachten, Streben,
Wenn es nicht die Hoffnung adelt.

Das Zauberbad

Sagt, was drängt durch Jolkos Gassen sich die Menge, Hauf' an Hauf'?
Sieh, ein Weib in ihrer Mitte hebt ein Bild zum Himmel auf,
Und sie spricht Orakelsprüche, heulet ein Prophetenlied,
Wie die Göttin aus dem Norden zu dem Silberstrande schied,
Fern von Kolchos Nebeltriften zu dem schönen Jolkosstrand,
Artemis mit ihrem Füllhorn, Segenbringerin dem Land. –

Und die Menge hört's begeistert, Jubelruf die Luft erfüllt;
Hymnen schallen, Blumenkränze regnen duftend auf das Bild!
Und das Volk vom Volke fordert für die Göttin Götterehre,
Will ihr Hekatomben schlachten, bauen Tempel und Altäre. –
Schleunig trägt der Ruf die Kunde zu des Königs Ohren hin.
Der alsbald vor sich berufen läßt die fremde Priesterin.
Lange wallende Gewande hüll'n der Seherin Gestalt,
Zitternd und gebückt sie schreitet, sieben Menschenalter alt;
Runzeln ohne Zahl bedecken ihr beeistes Angesicht,
Draus in ernsten Flammen funkelt dunkelblauer Augen Licht;
Ueppig, wie in Jugendfülle, doch gebleicht wie Hämus Haupt,
Das, beschneit auf Haine schauet, die der Wettersturm entlaubt,
Quillt das Haar von ihrem Scheitel, durch die Lüfte wild zerstreut.

Pelias neiget sich in Ehrfurcht, als ein Mann, der Götter scheut,
Da die Seherin der Göttin wundersames Ebenbild
Ihm entgegenhielt, des Reiches künft'gen Hort und Zauberschild!
Alles unbescheid'ne Fragen auf der Zunge ihm erstarb,
Und der Artemis Gesandte ihre hohe Botschaft warb.
Heiser, wie aus Grabestiefen, tönte ihrer Stimme Laut:
»Heil dir, Pelias! Gebieter! den der Himmel gnädig schaut!
Du, auf dessen Haupt vor Allen höchste Gunst die Göttin häuft.
Die, geschürzt mit Pfeil und Bogen, jagend durch die Wälder schweift.

Von der Scythen rohen Bräuchen, von der Menschenopfer Graus
Hat sie sich im Zorn gewendet, und verläßt ihr altes Haus,
Und ihr Heiligthum hinfürder übergibt sie deiner Macht,
Daß die Reiche der Barbaren kommen in der Griechen Macht.
Doch vor allen Griechensöhnen fiel ihr Aug' auf dich, o Held,
Hat zu ihrem hohen Liebling, ihrem Streiter dich bestellt.
Aber mich hat sie gesendet mit dem herrlichen Gebot,
Von dem Freunde abzuwenden Altersschwäche, nahen Tod.
Denn in neuen Jugendreizen soll dein alter Leib erblühn,
Jugendkraft und Feuer sollen in des Greises Adern glühn.
Daß ich Glauben bei dir finde, geb' ich dir der Zeichen drei.
Meine Sendung zu bekunden, Artemis! herbei! herbei!« –

Und sie hat das Wort gesprochen, hat geschwenkt den Zauberstab:
Sieh, da senket schwarz und schwärzer sich die Wolkennacht herab;
Und es heult ein seltsam Stöhnen nieder aus den höchsten Lüften,
Hohle Antwort braust entgegen aus der Erde tiefsten Klüften.
Und es rauschen auf dem Meere Riesenwellen fessellos;
Blitze sprühen, Donner hallen in das wilde Sturmgetos.
Selbst der Erde Tingeweide bersten in furchtbarem Kampf;
Aus den meilenweiten Schlünden wirbeln Flammen auf mit Dampf,
Wälder fallen. Berge stürzen von der unterird'schen Macht;
Wundersame Schreckgestalten schleichen ächzend durch die Nacht:
Durch der Elemente Toben schlägt ihr Wimmern an das Ohr;
Aber aus entlegnen Forsten schallt's wie Hundgeheul hervor.
Und die Priesterin gebietet: da zerreißt der Wolken Zelt.
Und des Mondes bleiches Antlitz grinst auf die zerstörte Welt.
In dem blut'gen Zauberlichte wird der Schrecken offenbar:
Larven schwanken, schweifen, schleichen, Hekate's Gespensterschaar.
Nah und näher jagt die Meute, heulend bricht sie aus dem Tann:
Rasch gezogen von der Drachen flammenschnaubendem Gespann,
Rauscht hernieder durch die Lüfte in des Orkus düstrer Pracht
Artemis in ihrem Wagen als Gebieterin der Nacht.
Daß sie von der Gottheit Nähe nicht zermalmt, verzehret werde.
Stürzt die Menge mit dem König voll Andachtsgraun zur Erde.
Als sie sich nach langem Zagen endlich wiederum erhoben.
Sind die Wunder und die Schrecken in die leichte Luft zerstoben.
Und die Sonne leuchtet wieder an dem Himmel rein und klar;
Seine Blüthen treibt der Frühling, wo noch kaum Zerstörung war. –

Und nun redet zu dem König der Prophetin weiser Mund:
»Ward dir, König, meine Sendung und die Macht der Göttin kund,
Lerne nun der Göttin Milde, lerne der Verheißung trau'n,
Wenn du meinen welken, greisen Leib verjünget wirst erschau'n.
Schließ in deines Königshauses heimlichstes Gemach mich ein,
Und ein Bad laß mir bereiten, reich gewürzt mit Spezerei'n,
Wonnig duftend, die der Schiffer hergeholt vom fernsten Meer:
Zauberkräuter, Zaubersegen bring ich selber mit mir her.
Harret an des Hauses Schwelle eine kurze Stunde lang,
Daß nicht euer Ohr vernehme meines Zaubers Weihgesang.«

Alles ward, was sie befohlen, flugs gethan nach ihrem Wort.
Die Prophetin schließet ein sich am geheimnißvollen Ort:
Welchen Spruch sie da gesprochen, keiner Seele ward es kund.
Doch als sie herausgegangen wieder kam in kurzer Stund,
Will der König mit dem Volke kaum den eignen Augen trau'n,
Weil sie statt der alten Gäa Hebe's Jugendreize schau'n.
Statt der tiefgebückten Greisin eine Jungfrau hoch und hold.
Statt des Winterschnee's der Locken ein Geflecht von Sonnengold,
Statt der eingeschrumpften Wangen und der Runzeln ohne Zahl
Ein Gesicht, das wohl den Donnrer niederzog vom Göttermahl,
Leuchtend wie der Schnee der Firnen, wenn ihn küßt der Abendglanz,
Statt der eklen, fahlen Farbe, gleich dem abgewelkten Kranz;
Auch der Stimme Rabenkrächzen ist verkehrt in süßen Laut.
Also kommt sie angeschritten in dem Festgewand der Braut,
Und der König ruft begeistert: »Laß dein drittes Zeichen, Weib!
Dieser Wunderanblick g'nüget, zu verjüngen meinen Leib.« –
»Glaubst du, König«, spricht die Jungfrau, »an des Bades Zauberkraft,
Folge mir zu deinen Hallen, trinke diesen Wundersaft,
Daß ein schönrer Grabesschlummer hülle deine Sinne ein.
Wenn du wiederum erwachest, wird das Werk vollendet sein!
Und ihr, Königstöchter, eilet! macht des Vaters Bad zurecht!
Denn es ziemet nicht zu leisten also hohen Dienst dem Knecht!«

Von der Königstöchter Händen wird das Bad zurecht gemacht;
Und der König hat getrunken; schwer umfängt ihn Schlafes Nacht.
»Holet Beile, Königskinder! Daß das Zauberwerk uns glücke,
Und verjünget er erstehe, haut den morschen Leib in Stücke!«
Vor dem gräßlichen Befehle steh'n sie zaudernd und entsetzt.
»Fluch dem Kinde«, ruft Alkastis, »welches Vaters Haupt verletzt!
Nimmermehr, du blut'ge Göttin, wie es auch das Schicksal wende,
Legt Alkastis hier an Diesen frevelhaft unheil'ge Hände!«
»Warum bebet ihr?« ruft Jene; »durftet ihr nicht Zeichen schauen?
Schenkt ihr göttlicher Verheißung ein so ärmliches Vertrauen?
Daß ein neues, frisches Leben jugendkräftig sich gestalte,
Muß mit allen Schwächen, allen Keimen erst vergehn das alte.
Eure Zweifel zu besiegen, nehmt mein drittes Zeichen wahr:
Bringt aus allen euern Heerden schnell den ältsten Bock mir dar.
Seine Glieder sei'n zerstückelt in das Zauberbad gestreut;
Und dann trauet, wenn ihr sehet, wie das Thierlein sich erneut.«

Dem Prophetenwort vertrauend nun die Königstöchter eilen,
Selbst den ältsten Bock zu holen und in Stücke zu zertheilen.
Doch mit seltsamen Gebärden und mit fremder Worte Banne
Weiht die Priesterin das Wasser, weihet auch die Badewanne,
Drinn sie dann des Thieres Stücke alle sorgsam niederlegt,
Drob mit wunderbarem Murmeln kräuselnd sich die Fluth bewegt.
Und es zischelt, und es brodelt, steiget dichter Qualm empor;
Aber munter aus der Wolke springt ein junges Böcklein vor.

Rasend heben sie die Beile in des tollen Wahnsinns Wuth;
Von der Kinderhände Streichen fließt des Vaters heil'ges Blut.
Jede hofft, je mehr verstümmle sie des alten Mannes Leib,
Desto frischer sei die Jugend, die verhieß das Zauberweib.
Von den Schwestern allen hält nur rein Alkastis ihre Hand.
Sieh! mit wildem Jubel reißet vom Altar den Opferbrand
Die Prophetin, und begeistert stürmt die Treppen sie hinan
Zu des Hauses freiem Giebel, steht auf ragendem Altan.
Alle hoffen Segensworte: aber sie in tiefer Brust
Rüstet diesem Hause Jammer, labt sich an der Rache Lust;
Mit erhobnem Arme schwinget sie der Fackel lichte Gluth:
Schau! wie durch zerrissne Küsten Pontes unbezähmte Fluth,
Sieht man Schaaren fremder Krieger, scharf bewehrt mit Speer und
Klingen,

In die Stadt, ins Haus des Königs durch gesprengte Thore dringen.
»Kennt ihr diese? Durch die Nacht her rief sie meiner Fackel Schein!
Kennt ihr sie? Es führet Jason sie, mein Bräutigam herein!
Kennt ihr mich? Ich bin Medea! Auf! zu ihm! zur Brautnachtfeier!
Bin Medea, Jasons Gattin! Rache bring' ich ihm zur Steuer!
Der sein Reich ihm hat gestohlen, seine Krone hat getragen,
Der ihm Vater, Mutter, Brüder, mit verruchter Hand erschlagen.
Ja ihn selbst zu Tod und Schande hat geschickt zum fernen Strand,
Pelias liegt hier zerfleischet von der eignen Töchter Hand!
Herrlich hat gewirkt mein Zauber! Lernt Medea's Rache kennen!
Ewig, Vatermörderinnen! wird euch eitle Reue brennen!
Wer die Feinde nur am Leben strafet, ist ein schwacher Thor!
Gift für Seelen, Herzensnattern zieh ich eurem Blute vor!«

Also ruft sie triumphirend, wirft sich an die Brust des Gatten;
Aber trüb am Himmel hüllet sich der Mond in Wolkenschatten.

Hektor Zollikofer

Aetna

Flocken versilbern mein Haupt und Flammen verzehren den Busen,
So unter bleichendem Haar tobet zuweilen ein Herz.

St. Bernhard

Mitten auf starrendem Eis erhebt sich mein wirthliches Kloster,
Blume der Tugend du grünst mitten auf starrendem Eis.

Ochsenkopf

Freudig schau ich hinaus in alle vier Winde der Erde,
Denn dem Himmel sei Preis! meiner Verwandten giebt's viel.

Sinai

Gott der Allerheilige spricht von tausend Gebirgen in Wettern,
Aber auf tausende nicht steiget ein Moses hinauf.

Adolf Sarasin

Der Schwesternborn

Als noch im Schwyzerlande der stolze Vogt regiert,
Hat er drei frommen Schwestern in Küßnacht nachgespürt;
Sie aber fliehn behende aus ihrer Mutter Haus,
Und wandern mit einander im Wintersturm hinaus.

Wohin nun aber fliehen vor Geßlers Tück' und Macht,
Der ringsum diese Thale mit scharfem Aug' bewacht?
Sie fieh'n zu Gott um Hülfe und suchen eine Bahn
Durch Schnee und über Felsen zum Rigiberg hinan.

Da wo jetzt Tannen stehen beim Haus zum kalten Bad,
Da leitet in die Höhle sie ein verborgner Pfad;
Dort sind sie wohl geborgen, kein Sturm durch Felsen weht;
Dort werden sie vom Häscher auch nicht so bald erspäht.

Wohl schützet sie der Felsen, den sie zum Dach erwählt;
Doch ist's der Durst, der bitter die drei Verlass'nen quält;
»Wird uns kein Trunk geboten, so sind wir morgen todt!
O Gott, erbarm' dich gnädig der armen Schwestern Noth!«

Und sieh! da kömmt gequollen aus tiefem Felsenspalt,
Die Jungfraun zu erretten, ein Brunnen frisch und kalt.
Als dann bei Küßnacht unten kein Geßler mehr regiert.
Da hat der Weg zur Heimat sie wiederum geführt.

Noch heut' kommt diese Quelle so kalt, so klar und rein
Hervor mit sanftem Murmeln aus tiefem Bett von Stein.
Ein Löffel auch von Eisen, der schwimmet in der Fluth,
Aus dem ein jeder Pilger den Trunk mit Freuden thut.

Ein Kirchlein bei der Quelle steht dort verborgen still.
Und winket einem Jeden, der allda beten will.
Dort hingen viele Pilger Denktafeln an die Wand;
Und diese alte Sage ich da geschrieben fand.

Alfred Hartmann

Der treue Gefährte

Es war ein gutes Rebenjahr,
Das Jahr, als ich geboren war.
Mein Vater legt in Keller ein
Ein Faß vom allerbesten Wein.

Als ich verließ das Vaterhaus,
Leert' ich die erste Flasche aus.
Da war mein Muth gar wohl bestellt:
Wie schön schien mir die ganze Welt.

Und als ich meiner süßen Braut
Durch Priesters Hand ward angetraut,
Da tranken wir aus einem Glas
Allbeide von dem edlen Naß.

Nach einem kurzen Flitterjahr
Mein Weib mir einen Sohn gebar:
Ich schenkt' mir einen Becher voll
Und trank ihn auf des Sohnes Wohl.

Es rann mir mancher Tag im Glück,
Und mancher brachte Mißgeschick;
Stets fand ich frischen Lebensmuth.
In meinem goldnen Rebenblut.

Da kam der Tod und klopfte an;
Mein liebes Weib führt' er von dann.
Kaum fort, kehrt er zurück geschwind
Und nahm mir auch mein liebes Kind.

Ich saß in meinem Haus allein.
Von meinem Wein schenkt' ich mir ein,
Und manche Thräne floß hinein,
Und bitter ward der edle Wein.

Ich und mein Wein wir sind nun bald
An volle hundert Jahre alt;
Und ist die letzte Flasche aus,
So leg' ich mich ins finstre Haus.

Conrad Meyer

Erhebung

Gottes Kinder wir! Gottes Kinder wir!
Er hat Gnade uns gegeben;
Und ein ewig selig Leben,
O, wie dank' ich dir! o, wie dank' ich dir!

Herz, sei unverzagt! Herz, sei unverzagt!
Wenn sie dich auch fliehen, hassen,
Sollst du doch von Gott nicht lassen.
Gutes frisch gewagt! Gutes frisch gewagt!

Lebe du dem Herrn! lebe du dem Herrn!
Denen, die ihn kindlich lieben,
Ist er niemals ausgeblieben;
Ist er ja nicht fern, ist er ja nicht fern.

Nach dem stillen Land, nach dem stillen Land
Locken mich der Sehnsucht Saiten,
Walle, walle! dich wird leiten
Gottes Vaterhand, Gottes Vaterhand.

Nach der Ewigkeit, nach der Ewigkeit,
Nach der Heimath aller Weisen,
Die den Herrn und Heiland preisen,
Sei du stets bereit, sei du stets bereit.

O mein holder Stern! o mein holder Stern!
Leuchte, leuchte, geh' nicht unter.
Denn ich folge frisch und munter:
Ja, ich komme gern, ja, ich komme gern!

Zuversicht

Ich stehe fest und wanke nicht!
Der Herr ist meine Zuversicht
Auf diesem Pilgerpfade,
Er schützet mich, er schirmet mich
So liebreich und so väterlich;
Wie groß ist seine Gnade!

Ich stehe fest und wanke nicht!
Die Stimme die so mächtig spricht,
Sie soll mein Herz erheben.
Die Glocke, die so mahnend ruft,
Sie läutet nicht zur kalten Gruft,
Sie läutet uns zum Leben.

Ich stehe fest und wanke nicht!
Ob auch der Leib zusammenbricht –
Im Glauben will ich scheiden.
Ich stehe fest in Freud' und Schmerz;
O Christenseele himmelwärts!
Ja dort sind deine Freuden;

Ich stehe fest und wanke nicht!
Bis an das große Weltgericht
Will ich den Herrn verehren,
Will ich ihn lieben tief und heiß,
Will ich ihm bringen Dank und Preis,
Will ich ihm Treue schwören.

Sommerlust

Steht auf, steht auf, die Sonne lacht
Schon auf den Alpenzinnen;
Viel tausend Vöglein sind erwacht,
Ein Dankfest zu beginnen.
Welch heilig Lied von Hag zu Hag,
Welch wunderlieblich Klingen!
Hier Lerchenruf, dort Amselschlag,
Wer möchte nicht lobsingen?
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Hebt euch empor zum lieben Gott,
Frohlockt mit Engelszungen!
Steht auf, steht auf, das Morgenroth
Hat uns schon vorgesungen.
Wer bringt den Tag? wer ruft der Nacht?
Wer heißt die Sternlein glühen?
Dem Herrn sei Lob und Dank gebracht
Mit heitern Melodieen!
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

O Bächlein, spring und hüpfe nur,
Lauf' freudig hin zum Meere,
Sag überall zu Wald und Flur:
Dem Höchsten Preis und Ehre!
Du, Quelle, sollst ein Spiegel sein
Für meines Herzens Bronnen;
Ach, bin ich nur fromm, gut und rein,
Hab' ich mein Glück gewonnen.
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

O kommt, ihr Blumen, kommt zu mir,
Geschwind! muß euch was fragen:
Wer gab euch diese Farbenzier?
Wer heißt euch Honig tragen?
Wer hat die Kelchlein aufgethan
Den frühen und den späten?
O kommt, ihr Blumen, kommt heran,
Ich will euch lehren beten.
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Mein Betbuch ist der Himmel klar,
Die Sternlein sind Buchstaben,
Da steht's auf jedem Blatt so wahr:
Sollst Gott vor Augen haben.
Herbei! Kind, Jüngling, Mann und Greis,
Im Guten sich zu üben;
Wach auf, wach auf, o Erdenkreis,
Zum brüderlichen Lieben!
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Wie prangt das Feld, ein gülden Meer,
Was ist das für ein Knistern!
Die Aehren, o so voll und schwer,
Loblieder sich zuflüstern.
Mohnblüthen und Kartoffelzier,
Kleeblumen aller Orten,
Cyanen dort, Saatrosen hier.
Komm fast nicht mehr zu Worten.
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

O kühler Wald, mein Aufenthalt,
Zu dir will ich nun kehren.
Grüß Gott! ihr Eichen, jung und alt,
Ihr Tannen und ihr Föhren.
O kühler Wald, o schmucker Hain,
Wie heilig ist dein Schweigen!
Ha! in mein Loblied stimmen ein
Die Vöglein auf den Zweigen,
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth.
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Nun steig ich auf den Berg hinan,
Das Haupt entblößt, o Freude!
Was hat der Herr an uns gethan?
O süße Augenweide!
Rebhügel, grünend, traubenschwer,
Hochwachsig Flachs und Rüben,
Der Gärten Viel, und keiner leer,
Wer möchte Gott nicht lieben?
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Und durch die Wiesen zieht der Fluß
In schlängelnden Gewinden,
Schickt bald dem Rhein den Bundesgruß,
Um lustig einzumünden.
Die Fischlein tanzen auf dem Grund,
Ob ihnen die Libellen;
Gibt Alles seine Freude kund.
Die Fischlein und die Wellen.
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

O schöne Welt, o Gottespsalm,
O Herr! wie hehr und mächtig!
Dich lobt der Baum, dich lobt der Halm,
Die ganze Schöpfung, prächtig;
Dich loben Meer, Blitz, Donner, Sturm,
Die Blümlein auf den Wiesen,
Dich lobt der Aar, Dich lobt der Wurm,
Sei auch von uns gepriesen!
            Frohlocke, Herz, sei wohlgemuth,
            Der Schöpfer ist so mild und gut.

Herbstfeier

Was Frühling jung und lächelnd hat besungen.
Erzählt der Herbst uns falb und toddurchdrungen,
          Sein Grüßen ist ein Sterbeton.
Mein Lieben, all' mein Jauchzen ist verschollen,
Was frommt dem Herzen mehr, dem klagevollen,
         Da über's Meer die Schwalben flohn?

Mein Lieben, all mein Jauchzen ist verklungen,
Denn Nebel lagert in den Niederungen
          Und spinnt des Sommers Todtenkleid.
O Herbst, zum letzten Male will ich schleichen
Tief in den Wald, und bei den alten Eichen
          Ausweinen all mein tiefes Leid.

Kein Laut, kein Ton! o welch ein heilig Schweigen!
Entlaubt die Buchen, nur die Tannen zeigen
         Mit grünem Finger himmelwärts;
Der Hoffnung Farbe! Mitten im Verwesen,
Kannst du die freudenvolle Botschaft lesen:
          Süß Wiederseh'n auf Trennungsschmerz!

Noch hie und da steht einsam eine Blume,
Einsiedlerinnen im Waldheiligthume,
         Die bald erdrückt der kalte Schnee.
Der Schlehdorn zeigt noch seine schwarzen Beeren,
Reckholder will Arzneien mir bescheeren –
          Sie kennen, Herz, dein tiefes Weh.

Laubteppiche, Moosgänge, Epheuranken.
Sie leiten auf und nieder die Gedanken,
         O Selt'nes hör' ich da im Hain!
Wie rauscht das Laub so dürr zu meinen Füßen,
Mein Herz vernimmt sein letztes Mahnen, Grüßen,
          Und sinkt mit ihm in's Grab hinein.

O sieh der Sonne bluthroth Untergehen!
Im Purpurmantel ruft ab allen Höhen
         Die Abendröthe zum Gebet.
Und Engel schweben in des Landmanns Hütte,
Und singen da in frommer Kinder Mitte
          Von Gottes Huld und Majestät.

Sieh, wie die Bäume schweigen, wie sie lauschen,
Wenn aus den Dörfern all vorüberrauschen
          Der Abendglocken Silbertön'.
Und spiegelt sich im Bach des Mondes Blende,
Dann jauchz' ich laut, dann falt' ich meine Hände:
          O Erde, wie bist du so schön!

Selig sind, die reines Herzens sind

O Einsamkeit, o süße Feierstunden,
Willkommen mir im stillen Tannenhain;
Hier kann in deiner Nähe ich gesunden,
O Gott, und würdig dein Anbeter sein.
So still und andachtsvoll in Waldes Runde,
Nur auf den Blättern spielt und tanzt der Wind,
Und zu dem Wand'rer spricht die Abendstunde:
O selig sind, die reines Herzens sind!

Begraben alle Sorgen, alle Mühen,
Der grüne Rasen ist mein Freudentisch,
Ab allen Wipfeln rauschen Melodieen,
Und Jubellieder flattern im Gebüsch.
Noch heiliger im Walde, will es dunkeln,
Balsamisch Weh'n, o Säuseln, sanft und lind!
Hold rufen mir Waldrosen und Ranunkeln:
O selig sind, die reines Herzens sind!

O Einsamkeit! o hehre Gottesstimmen!
Wer euch nicht hört, der ist für Alles taub.
Wie auf den Gipfeln Andachtsfeuer glimmen!
Es zittert vor dem Herrn das Espenlaub;
Die Eiche weist empor, die Tannen reden
Von Tod und Grab, o lausche Menschenkind!
Hold rufen dir Violen und Reseden:
O selig sind, die reines Herzens sind!

Das Goldland

Mich lockt noch nicht der Schätze Fülle
Weit über's Meer an goldnen Strand,
Nein, ruhn soll meine ird'sche Hülle
In deinem Schoos, mein Vaterland.
Mich führt nicht irr' des Reichthums Glänzen,
Und zieht Ihr aus mit Sang und Tänzen:
Mein Goldland such' ich in dem Herrn!

O Glück, o Glück zur weiten Reise!
Gott schirm' Euch wohl auf salz'ger Fluth;
Und tritt zu Euch das Heimweh leise,
Faßt, fern der Heimat, frischen Muth.
Sucht Euer Heil im Gold der Erden, –
Laßt hinter Euch Noth und Beschwerden, –
Mein Goldland such' ich in dem Herrn!

Hier quillt der ächte Freudenbronnen.
Hier fließt der einz'ge Trost der Zeit,
Hier wächst im milden Strahl der Sonnen
Das Blümchen der Zufriedenheit.
Kein Weh und keiner Feinde Tücke
Ziehn nach dem Westland meine Blicke:
Mein Goldland such' ich in dem Herrn!

Da ist es grün bei Frost und Dürre,
Da ziert ein ew'ger Mai die Flur,
Da geht der Waller niemals irre,
Froh folgt er des Allgüt'gen Spur.
Kein Mißgeschick mag ihn ermüden.
Er ruft, im ärmsten Stand zufrieden:
Mein Goldland such' ich in dem Herrn!

O leb' ich nur in seiner Gnade.
O bin ich nur sein treues Kind,
So wird der krummste Weg gerade
Mir, und der Gram entfleucht geschwind.
Grollt, Wand'rer, mit dem Herrn verwegen,
Drängt nach des Schiffes schwanken Stegen –
Mein Goldland such' ich in dem Herrn!

Hier ist der Liebe Meer zu finden,
Hell, ohne Riff, voll Perlen rein,
O diesen Reichthum zu ergründen
Ist aller Weisheit Macht zu klein.
Treib' Euch der Golddurst ewig weiter, –
Ich bleib' im Land und jauchze heiter:
Mein Goldland Hab' ich in dem Herrn!

J. A. Minnich

Eremitage

Ich lob' den Klausner mir
In seiner stillen Zelle,
In grünem Waldrevier
Am Ufer einer Quelle.

Er hat in Waldesraum
Viel trauliche Gesellen,
So viel als Zweig' am Baum'
So viel das Bächlein Wellen.

Sie führen freundlich Red'
In ihrem frohen Rauschen;
Der Klausner sie versteht,
Mag gern nach ihnen lauschen.

Gar manches liebe Wort
Es spricht aus grünen Zweigen,
Die Quelle spricht es fort,
Will er sein Ohr ihr neigen.

Mit Blättern hoffnungsgrün
Die Aest' zu ihm sich bücken,
An's Herz sie wollen zieh'n
An Freundesbrust ihn drücken.

Und auch die klare Quell'
Gehört zur Freundschaftsgilde,
Es theilt die laut're Well'
Sein Leid wie Freud' im Bilde.

Und in der Quelle Schaum
Und durch den Raum der Bäume
Sieht er des Lebens Traum,
Hinauf in Himmelsräume.

Bei'm stillen Sternentanz
In leisen, dunkeln Nächten
Die Bäum' ihm einen Kranz,
Die Quelle Lieder flechten.

Drum ist er nicht allein
In menschenleerem Raume,
In Waldes Dämmerschein,
An seines Bächleins Saume.

Nur wird der Eremit
Nicht menschenfalsch belogen,
In stillem Waldesfried'
Nicht um sein Glück betrogen.

Am Luzerner See

Der Rigi zart und freundlich,
Pilatus starr und feindlich,
So raget hoch das Riesenpaar;
Inmitten zwischen beiden
Weilt Seees Ruh', zu scheiden
Die Ungleichen auf immerdar.

Der Baum

Sah einen Baum im Lenze,
Wie war er blüthenweiß;
Sah ihn mit Frucht im Herbste,
Wie bog sich jedes Reis!

Die Millionen Blüthen,
Die hab' ich nicht gezählt;
Die Frucht in wenig Körbe
Gar leicht ward eingestellt.

Die Jugend ist der Pläne,
Der Wünsche Frühlingszeit:
Wie viele treiben Blüthen?
Wie viele Frucht gedeiht?

Mittelalterliche Sage

Es war ein lieblicher Frühlingsmorgen,
Der Himmel so blau und rein,
Und Vöglein ganz in Blüthen verborgen,
Besangen den Sonnenschein.

Die Berge so freundlich, so hehr erglänzten
Wohl in der bläulichen Luft;
Wohl tausend Blumen die Flur bekränzten.
Und athmeten süßesten Duft.

Da kam ein Schäfer die Straße gegangen,
An der Hand sein süßes Lieb',
Die Heerd', deren Glöcklein so fröhlich klangen,
Er auf die Matten trieb.

Und er schaut voll Andacht auf zur Sonne,
Zum Vater himmelwärts;
Und, entzückt von des Lenzes unendlicher Wonne,
Drückt er Elwira an's Herz.

»Wie gut ist Gott! ein jegliches Leben.«
Ruft er, »lebt in ihm allein.
Er ist die Liebe, er hat mir gegeben
Elwira die Traute mein!« –

Da kam ein Mönch die Straße gegangen,
Mit seinem schweren Brevier,
Darauf ließ er düster die Blicke hangen.
Lieb' Pater! was fehlet dir?

Er betet zu Gott nach den todten Zeichen;
Umsonst ihm der Frühling blüht.
Er fühlt nicht den Gott in seines Gleichen,
Und nicht in seinem Gemüth.

Und der Vater im Himmel hat Alles gehöret,
Und also sprach er zu sich:
»Du, guter Schäfer, hast recht mich verehret,
»Du, Pater, du dauerst mich!« –

Das Kaltbad

Romanze.

Eine Hirtin ging des Morgens früh
Wohl auf die Fluh hinaus.
Da suchte sie mit sonder Müh
Den allerschönsten Strauß,
Um mit dem frischen Maien
Den Liebsten zu erfreuen.
O Hirtin, wie bist du so schön und hold
Im Wangenpurpur und Lockengold!

Da sieht sie ein Fluhblümelein,
Will's brechen mit kecker Hand.
O Hirtin, laß Blume Blume sein,
Gefährlich ist die Wand.
Ach Gott! sie fällt hernieder,
Sucht keine Blume wieder!
O blühende Ros'; o schöne Gestalt,
Wie bist du worden so bleich und kalt!

Doch auf der Jungfrau stillem Grab
Ein reiner Brunnen entquoll.
Der Hirte stieg wohl täglich hinab,
Von Gram und Thränen voll,
Um aus der Quelle zu trinken,
Bis auch ihm die Augen sinken.
O Quell, der aus dem Felsen wallt,
Wie bist du so eisig und so kalt.

J. J. A. Pfyffer zu Neueneck

S' Heimweh

All's ist trurig wo n' ih chume.
Was ih g'hüre, was i g'seh,
Und ih finde i der Fremdi
Nie keis freudigs Stündli meh.

Menge thäts hie ortli finde,
Menge würd' hie z'friede sy;
Aber mir wird nühme gefalle,
Bis ih i der Heimeth bi.

Geld ist i der Fremdi z'finde,
Das ist wohr, das gib i zu;
Doch was hilfts? – me chauft mit Duble
Nie kei rechte Freud' und Ruh. –

G'hör i vo der Heimeth rede,
Sprengt mer's Herz schier von enand.
Und wenn And're öppis lobid,
Rüohm i nur mi's Vaterland.

S' Wasser schießt mer de i d'Auge
Und ih möcht vor Leid vergoh;
Ach der Chummer hed mer lang scho
Mini rothe Backe g'noh! –

Wenn ih wüßt, daß's lang fett dure,
Oder daß ih nie meh hei zu chäm,
Wett i lieber, daß der Himmel
Mih grad jetzt scho zu sich nähm'.

'S ist nid z'glaube, was me usstohd,
Ih für mich, ih gönn' es keim,
Tag und Nacht, de denkt men immer:
Wäri, wäri doch de heim! –

Und es drückt eim ufem Herze
Und es nimmt eim Freud und Ruh,
Und me luegt mit naß'ne Auge
Trurig geg der Heimeth zu. –

Heimweh, nennid d'Lüt die Chranked;
's ist es starchs, unsichtbars Band,
's lohd nid grad, zieht über 's Meer selbst,
Menge z'rück is Vaterland. –

Laß' nid los, o Band der Liebe,
Das mich a mi Heimeth bindt,
Bis des Lebens letzter Othem
Us mim Schwyzerherz verschwind't.

Beim Anblick des Rigi bei Weggis

Aus bemoostem Felsenborne
Dort ein helles Bächlein quillt,
Das mit seinen kühlen Wellen
Gern den Durst des Wand'rers stillt.
Bächlein fließe nicht so eilig
In das tiefe Thal hinab;
Denn es harret dir da unten
Nur das allzufrühe Grab!

Dort im Schatten alter Tannen
Eine Waldkapelle steht,
In die mancher Lebensfrohe,
Mancher Tiefgebeugte geht.
Strebt nach oben, müde Pilger!
In der Höhe wohnt die Lust;
Denn dort schließt des Weltalls Mutter
Ihre Kinder an die Brust.

Was bedeutet doch das Sehnen
Bald nach oben, bald in's Thal?
Bald nach einer stillen Hütte,
Bald nach Gütern ohne Zahl?
Es bedeutet, daß wir Menschen
Einem andern Ziel zugeh'n.
Und hienieden blos als Wand'rer
In der Zukunft Hallen stehn!

Salomon Tobler

Der Zehntenwein

          Naht Kamönen!
          Helft mir krönen
Mit Gesang den Zehntenwein!
Länger sollst du nicht dich freun,
          Bendlikon!
          Wisse! schon
Ist dir Preis und Kranz entwunden,
Dein Besieger ist gefunden.

          Tragt ihn leise!
          Pfropft ihn weise,
Diesen meinen Zehntenwein!
Denn ihr würdet's sonst bereun:
          Dieses Naß
          Kennt nicht Spaß,
Frißt sich durch die dickste Bohle,
Nagt sich durch die zähste Sohle,

          Daß die Lauge
          Besser tauge,
Schnell zu waschen, blank und rein,
Gießt mein Weib vom Zehnten drein;
           Nur ein Glas,
          Mehr als das
Müßt im Nu den Lein zerbeißen.
Wie Kartätschen Löcher reißen.

          Frechen Gästen,
          Die sich mästen
Von des Pfarrers Brod und Wein,
Schenk ich meinen Zehnten ein.
          Siehe! wund
          Ist ihr Mund;
Ohne Säumen, ohne Weilen
Seh' ich sie der Thür enteilen.

          Wie sie husten.
          Wie sie pusten,
Die da tranken meinen Wein!
Keiner schenket zweimal ein.
          Dummkopf wähnt
          Süß den Zehnt,
Würgend schnüret er die Kehle,
Füllt mit Todesangst die Seele.

          Sündenrächer!
          Dem Verbrecher,
Leugnet er die Missethat;
Gießet ihr auf meinen Rath
          Zehntenwein
          Künftig ein:
Gleich wird er sich schuldig nennen,
Alles, was man wünscht, bekennen.

          Manch Jahrhundert
          Wird verwundert
Preisen meinen Zehntenwein,
Und die Nachwelt sein sich freun.
          Mächt'ge Zeit!
          Ewigkeit!
Hoffe nicht, ihn je zu zähmen.
Ja den Stachel ihm zu nehmen.

          Ihr, des herben
          Späte Erben!
Laßt euch Vorsicht heilig sein!
Grabt dem Faß die Inschrift ein:
          Zehntenwein!
          Höllenpein!
Daß doch Niemand davon nasche.
Er zernagt zu Staub und Asche.

Auf Unterwaldens Höhen

Empor, wohin die frohen Töne rufen,
Geleite, holder Pfad, des Fremdlings Gang;
Leicht trägt auch über deine Felsenstufen
Am tiefen Abgrund hin der Sehnsucht Drang,
Jetzt will er schlau den Blicken sich verstecken
In dichten Büschen blühnder Rosenhecken,
Doch schaut er wieder lächelnd dort hervor,
Und schlingt sich, Bändern gleich, am Berg empor.

Ha! wie die Felsen dort in Purpur glühen!
Empor, empor durch Waldesnacht und Kluft!
Die grüne Trift hinan zu jenen Flühen!
In Rosen tauchet sie der Abendduft.
Ich steh am Ziel; die trunknen Blicke schauen
Auf Thäler, Seen, Gebirge, Wälder, Auen,
Auf Städte, Hütten, Dörfer ohne Zahl,
Und Bach' und Ströme hin mit Einem Mal.

Da unten ruhn im Felsenkranz die Wellen
Des See's, dem Tell durch kühnen Sprung entrann;
Dort stehn zum Ruhm des Helden die Kapellen,
Dort fiel durchbohrt vom Pfeile der Tyrann.
Bei Sempach dort hat Winkelried das Leben
Zum Wohl der Enkel freudig hingegeben.
Und dort an Aegri's spiegelklarer Fluth
Fiel Oesterreichs Stolz vor armer Hirten Muth.

Dort in den Hütten Beckenrieds vereinte
Zu manchem großen Tage sich der Bund,
Dort schimmert Stanz, wo Mancher reuig weinte,
Versöhnt durch von der Flüe's beredten Mund.
Und dort am stillen Ufer – heil'ge Fluren
Vom Rütli, seid gesegnet! da beschwuren
Die hohen Retter einst mit Hand und Mund
Der ew'gen Brudertreue heil'gen Bund.

O schönes Land, wo sich an jede Stelle
Ein groß Gedächtniß hehrer Thaten schließt.
Und Freiheit ihres Stroms lebend'ge Welle
Beseligend durch jede Flur ergießt!
Und diese Berge, Gottes ew'ge Mäler,
Dieß holde Labyrinth der schönsten Thäler,
Die Auen in der Lieblichkeit Gewand –
Wie pocht das Herz! – sie sind mein Vaterland!

Karl Steiger

Erfüllter Wunsch

Das war seit früh sein täglich Sehnen:
Ein eignes Haus! ein eignes Haus!
So rief er laut mit bittern Thränen
Zum Himmel flehend täglich aus.

Umsonst war all sein Schaffen, Sparen,
Er konnte Niemand hungern sehn.
Und mußte lang vergeblich harren
Und aus und ein bei Andern gehn.

Nun hast ein eignes Haus am Ende,
Kein Mensch jagt dich aus ihm mehr fort.
Zwar enge sind die niedern Wände.
Doch liegts an einem schönen Ort.

Auf grünem Anger unter Flieder,
Dem Kirchlein und den Eltern nah,
Ringsum die armen theuren Brüder,
Und doch so stille ist es da.

Aus den Liedern eines Schweizers

Neuestes aus China

China ist ein gesegnet Land,
Wie sattsam männiglich bekannt:
Den Leuten wachset drin am Schopf,
Grad mitten drauf, ein langer Zopf;
Drum, pars pro toto, heißt zum Ruhme
Das heilge Reich der Mitte Blume,

Da gibt's auch Vögel wunderbar,
Die sind erpicht auf Fische gar;
Was anderwärts wohl auch passirt;
Doch jene sind gar gut dressirt
Und wohl gezähmet und daneben
Auch ihren Herren ganz ergeben.

Die Herren legen nun gar fein
Um deren Hals ein Ringelein,
Als ob's so wäre nur zur Zier;
Doch hindert es die Vögel schier.
Selbst den gestohlnen Fisch zu schlingen.
Statt ihn nur ihrem Herrn zu bringen.

Doch selbst die Vögel sind so dumm
In China nicht! so höret drum:
Sie wollen auch was von dem Raub,
Sonst machten sie sich aus dem Staub;
Das sehn die Herrn wohl ein bei Tische,
Und geben ihnen – faule Fische.

Gebet eines Pharisäers

Ich dank' dir Gott und bin gar froh.
Daß ich nicht bin ein Sünder so,
Daß ich gern geh' zur Kirche hin
Und sitz' im eignen Kirchstuhl drin.

Auch dank' ich für die Taufe gar.
Dadurch ich bin ein Christ fürwahr.
Und nicht ein Türk und Heide blind,
Die allesammt verdammet sind.

Ich dank' dir, daß die Obrigkeit
Mir Schutz und Sicherheit verleiht,
Und daß ich hab' das Bürgerrecht
Und bin ein Herr und nicht ein Knecht.

Ich danke dir, daß mich die Welt
In Ehren und in Ansehn hält.
Und daß gesetzlich ist mein Sinn
Und ich nicht ein Aufrührer bin.

Ich danke dir, daß ich auch Geld
Hab' hier und dorten ausgestellt.
Und daß die Schuldner ohne Frag'
Mir richtig zinsen auf den Tag.

Dann endlich noch sag' ich dir Dank
Gar tief gerührt für Speis und Trank.
Daß ich versorgt bin bis an's Grab –
Und drum auch keine Zweifel hab.

Der Wilddieb

Man schalt mich einen Schelmen gar
Und jagt' mich von der Thür;
Doch nur ein armer Kerl ich war;
Was konnt ich denn dafür?

Es quälte mich der Hunger sehr.
Doch Niemand gab mir Brot;
Es hieß, der Richter mein Vater wär'.
Die Mutter, die war todt.

Da lief ich in den dicken Wald,
Weil ich so Hunger hatt'.
Und Has und Vögel schoß ich bald
Und wollt' mich essen satt.

Der Jäger aus dem Försterhaus
Kam grad nun auch dahin;
Den Fänger zog er da heraus
Und hatte Schlimm's im Sinn.

Doch weil er fett und rund sich aß
Und ich war dürr und schlank.
So meine Kugel schneller was
Als wie sein Messer blank.

Den Jäger in sein Försterhaus
Trug man verwundet schwer,
Das Blut quoll ihm zum Herzen aus,
Er fluchte nimmermehr.

Nun kamen viele, viele Leut',
Und ich war doch allein;
Es hetzt mich lang die wilde Meut',
Bis in die Nacht hinein.

Da war ich müd und blutet' stark,
Ich saß am dunkeln Bach;
Im nassen Busch fror mich durch's Mark,
Die Wunde brannt' und stach.

Gefangen ward ich und geschnürt
Und nach der Stadt gebracht.
Und hin und her vor's Amt geführt,
Von Häschern dann bewacht.

Den Abend leis der Wächter sprach
Zum Kameraden hin:
»Heut halten wir die letzte Wach
Dem armen Teufel drin.«

Ich aber biß in's harte Brot,
Stieß um den Krug von Stein:
Und soll denn nun Spitzbubentod
Mein letztes Ende sein? –

– Du Narr, was schadet Sterben dir?
Hast dann nicht Hunger mehr;
Nicht Vater, Mutter weint nach mir
Und Niemand weit umher.

Nur Eins noch sag' ich, wer ist satt,
Kann leicht auch ehrlich sein,
Und Manchen ehrt die ganze Stadt,
Der sollt gehangen sein!

Sonett an's Vaterland

1840.

Die Völker schaun, die Fürsten auf dem Throne
Auf dich herab und achten dich geringe.
Sie meinen, daß man leichtlich dich bezwinge
Und beug' dein Haupt dem Purpur und der Krone.

Ein Schein nur sei die Freiheit noch; zum Hohne
Dem Enkel nun der Ahnen That erklinge,
Der sie, als wären's Fremde, jetzt besinge.
Sein Leben fristend nur vom Gnadenlohne.

Es zweifeln klagend viel selbst deiner Söhne,
Ich aber will voll Glauben dir vertrauen.
Den ich in meinem Busen groß gezogen.

Gewiß, einst strahlst du noch in Siegerschöne,
Ich glaub' es fest und werd's vielleicht noch schauen,
Daß mich des Herzens Stimme nicht belogen.


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