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Blumenlese – Zweiter Band
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Eduard Dößekel

Die Steineiche

Siehst du den Felsen aus dem Thale ragen?
Hinan in Wolken düster, grau zerklüftet,
Aus seinen Spalten wilde Sträucher schlagen,
Die Blätter weh'n vom Abendhauch durchlüftet.

Da rankt, der Riesenschlange gleich gewunden,
Ein Eichbaum sich mit zwergeknorr'gen Zweigen;
Wie hat er wohl den Weg hinauf gefunden,
Den nur des Bergs verschwiegne Geister zeigen?

Mir ward – als ich an tiefster Herzenswunde
Geirrt auf Graten und auf schwanken Stegen –
Mir ward vertraut auf Windeshauch die Kunde:
Verwandter Sinn versteht auf halben Wegen.

»Da weil' ich – flüstert es – seit langen Jahren,
In diesem Steinreich freud- und weltverlassen;
In düsterm Brüten bin ich wohl erfahren,
Das mag die Brust, die Triebe hat, nur fassen.

Einst als ich, noch umhüllt im Schooß der Schale,
Als Eichel ahnungsvoll geruht, geträumet,
Trug mich ein Fittich, rauschend überm Thale,
Und setzt' mich ab, wo dieser Fels sich bäumet.

Es schwoll der Kern, die Schale mußte springen,
Ein Blättlein guckt' in schüchternem Entzücken,
Und höher bald sah man das Stämmchen dringen,
Ringsum mit Zweigen jugendlich sich schmücken.

Und emsig drang die Wurzel nach dem Grunde,
Und flocht und wob ein künstliches Geschlinge:
Das bohrt' und saugt' so durstig in der Runde,
Daß es nach oben Kraft und Wachsthum bringe.

Doch wie es weiter seine Fasern spann – o Schrecken,
Stieß es auf Felsgezacke sonder Ende;
Da war kein Quell der Nahrung zu entdecken,
Wohin es auch die Augen suchend wende.

Ein wenig Erde, Thau und Schnee und Regen
War Alles, um zu fristen dieses Leben:
Da ging der Puls in immer mattern Schlägen
Verkümmert stockt' ein frohentfaltend Leben.

Siehst du im Waldesdunkel jener Halde
Gewaltig einen Eichbaum sich erheben –
Weittragend – selbst ein Wald aus niederm Walde –
Die breiten Aest' wie Riesenflügel schweben?

Um seinen Gipfel kreist der Adler wiegend,
In seinen Zweigen schläft die scheue Eule,
Und unten tief, im würz'gen Schatten liegend,
Gemächlich kaut der Hirsch auf müder Keule.

Die Krone glänzt lichtgolden an der Sonne,
Und wirft die Schatten weithin in die Gründe;
Darunter braust des Baches Jugendwonne
Und eilt zum Rad in lieblichem Gewinde.

Einst lagen wir, des gleichen Stamms Genossen,
Zwei Eicheln, brüderlich auf kühler Erde.
Uns trennt das Loos – und jener konnte sprossen,
Dieweil ich kam auf karge Felsenerde.

In sand'gem Grund, in Sonne, Licht und Stürmen
Konnt' ungehemmt er seine Kraft entfalten;
Und jedes Jahr sah ich kühner ihn sich thürmen,
Auslangen weit in knorrigen Gestalten.

Doch ich – da seufz' ich, eingeklemmt, gefangen;
Mir hilft kein Drehen, Winden und kein Ringen,
Und krüppelhaft muß ich vom Felsen hangen,
Statt kraftbewußt das Haupt im Sturm zu schwingen.

In unserm Herzen schliefen gleiche Triebe,
Als wir noch weilten in den engen Schalen:
Mir ward versagt der Fügung Gunst und Liebe;
Ach höh'res Sehnen wurde mir zu Qualen!

Und wenn am Sommerabend golddurchleuchtet
Die schlanken Gipfel in den Lüften schwanken
Und wenn die Fluren leis der Thau befeuchtet.
Da brüt' ich still ob schmerzlichen Gedanken.«

Fernes Ziel

Aus Wolken leuchtet in geweihter Stunde,
Wenn leise dich des Gottes Stab berührt,
Ein reines Bild, es weist mit stillem Deuten
Des Pilgerlebens fern gestecktes Ziel.
Es glühet mild, es naht, es scheint dir klarer,
Und selig glaubst du schon es zu erfassen;
Dein Auge leuchtet ob gefund'ner Wahrheit,
Und wie der Schiffer freudig, rufst du – Land!

Doch wachst du kaum aus erstem Schlummer wieder,
Da schwebt das Bild in duftgehauchter Ferne.
Du regst die Kräfte, und dem kühnen Streben
Scheint hold das Glück, und wieder bist du nah!
Da brechen vor aus düstern Hinterhalten,
Die längst gelauert an des Lebens Pfad:
Es schleicht die Sorge blaß in grauen Haaren
An deiner Seite schattenartig nach;
Es welkt die Lust, der hohe Drang des Muthes. –
Doch ringt die Kraft, jetzt hebt sie sich gewaltig;
Sieg! ruft sie froh, und hinkend flieht die Alte.
Doch unbemerkt hat mälig sich gethürmet
Am Horizont der Wolke dunkle Burg.
Sie zieht heran hoch über deinen Scheitel,
Horch! des Geschickes Donnerschlag erschallt,
Zerstört, zerrissen ist dein schönstes Fühlen;
Verwirrt, betäubt, wie gott- und weltverlassen
Erhebst du taumelnd dich und blickst umher.
Ach, lange geht es, bis die Wunden heilen,
Bis neue Kräfte junge Sproßen treiben.
Verschwunden war das Ziel in trübe Nacht;
Doch unerschöpflich ist der Quell des Lebens,
Gewohnheit überzieht mit frischem Moose,
Und auf die Zukunft richten sich die Triebe.
Da hebt sich leis' das halb vergeßne Bild,
Entfallene Fäden werden aufgenommen,
Und frischer Wind bläst in die neue Segel,
So rückt es fürder – unversehens bricht
Aus ungekannter, ungeahnter Tiefe
Die Leidenschaft in hellen Flammen aus.
Es hüllen Rauch und Qualm ringsum die Räume
Und in dem Kerne haust Zerstörung ein.
Zwar wird die Gluth gelöscht und ausgebessert
Der Schaden, den die Brandstatt düster zeigt.
Von Neuem geht's ins frische Leben aus,
Gewitzigt als ein neugeschaffner Paul.
In düst'rer Ferne zeigt sich abermals,
Wie lichterloschen, der verlorne Punkt.
Und wie's nun ebner geht, gemäßigt, ruhig
Wie stiller Fortschritt mehrt das Streben,
Da kömmt geheimnißvoll auf leisen Schwingen
Durch schwang're Luft ein gift'ger Hauch geflogen;
Es schüttelt dich, es glüht in deinen Gliedern,
Und reißt dich tobend an des Grabes Rand.
Nach zähem Ringen siegt das Leben wieder,
Genesung keimt mit frischem Trieb empor.
Mit vollen Zügen schlürfst du ein die Gaben,
Die dir die Welt in reicher Fülle reicht;
Nie schien sie dir so wonnig hold, so labend.
Und jenes Bild so klar erfaßlich nah.
Ja, endlich doch gelingt's, die Winde schweigen,
Du segelst glücklich schon der Erde zu,
Und reine Wonne haucht dich duftend an,
Der Himmel wölbt sich blau und ewig heiter,
Die Erde athmet stille Seligkeit.
Du stehst entzückt, du ruhest sinnend,
Da bringt der Schlaf auf leiser Zehe nahend
Dir dumpfen Sinn und kindisches Vergessen.
Und wenn du aufwachst, sieh! erloschen schon
Sind an der Firn des Tages letzte Strahlen!
Die Trägheit stahl den schönen Abend weg.
Ein andermal treibt geistesleerer Zeitvertreib,
Des Ernsten schlimmster Feind, ein launig Spiel.

Und so vermagst du, ach! so selten nur
Zu fassen, zu erhalten im Besitze,
Was du als wahr, als rein, als ächt erkannt;
Was hoch den Adel deiner Seele trägt.
Wenn wild des Lebens Woge um dich schlägt;
Was dir am Ziel durchlaufener herber Tage
Den Lorbeer auf die kühle Stirne drückt.

Und dennoch lasse nie vom edeln Streben!
Es ist das Beste, was du bist und hast,
Prometheus Feuer wahre keusch und heilig,
Es ist den Göttern des Olymps entwandt.
Und kannst du nicht zum Ganzen dich erschwingen,
Wie's still vor deinem Geistesauge schwebt,
So reiche du das Gute zu dem Guten,
(So wachsend schlingt sich eine Perlenschnur)
Und schätze früh, dieweil die Kräfte halten,
Den Werth der Zeit, der seltnen goldnen Stunden,
Die hold ein Gott in deine Hand gelegt.

Der Unzufriedene

Kranken Sinnes, Brust verschlossen,
Schweift ich trüb durch Dorn und Fohren,
Wo sich jeder Pfad verloren
Fortgehetzt von inn'rer Hast.
Und ich klagte tiefverdrossen:
Alles ist mir stets entgegen,
Fahret hin denn – meinetwegen!
Jeder Tag ist mir zur Last.

Und am allerstillsten Orte
Setzt ich mich in meinem Kummer,
Und versank in Fieberschlummer
Auf geknicktes Tannenreis.
Und da war's, als hört' ich Worte,
Hört' ein Klingen durch die Räume,
Und die Schatten meiner Träume
Flüsterten ins Ohr mir leis.

Willst du alles Danks vergessen,
Zweifeln an des Vaters Güte,
Der des Lenzes holde Blüthe
Eben duftend ausgestreut?
Willst du dessen Weisheit messen.
Der die Raupe still entfaltet.
Der die Firnenwand gestaltet,
Ewig Nacht und Tag erneut?

Jedes Ding hat seine Weise:
Wie der Pappel dort am Bache,
Wie der Schwalbe unterm Dache
Wild das Deine dir zu Theil.
Reine lenkt die Fügung leise,
Schwache muß das Feuer stählen,
Böse muß der Teufel quälen.
Wie es paßt zu Jedes Heil.

Laße du dein weichlich Grämen,
Wisse denn: du sollst entbehren,
Sollst dich regen, sollst dich wehren.
Bis du deiner Kraft bewußt.
Lasse nicht im Kampf dich lähmen,
Trage muthig die Beschwerde:
Willst du, daß sie leichter werde.
Such' den Sieg in deiner Brust.

Die Himmelsbraut

Die Kerze brennt! Wie ist es still im Zimmer,
Wie feierlich im matten Dämmerschein!
Ein silbern Kreuz erglänzt in mildem Flimmer,
Ich wag's! Auf leiser Zehe tret' ich ein.

Da liegt sie sanft! Im reinen Feierkleide,
Den Brautkranz in der marmorweißen Hand,
Und Myrth' und Rosen blühen als Geschmeide;
Es schlingt sich zart manch farbig Wasserband.

Sie schläft! wie spielt so hold, so engelmilde
Ein himmlisch Lächeln auf dem Angesicht:
O kniet leis vor dem Marienbilde!
O störet ja den schönen Traum ihr nicht!

Ach nein, sie wird aus diesem tiefen Traume
Erwachen erst in jener andern Welt.
Fern an des Morgenrothes goldnem Saume
Ist ihre heitre Wohnung schon bestellt.

Wir ahnten's längst, ein leichter Engel walle
Hier unter uns in ird'scher Huldgestalt.
Sie war so gut, so lieblich gegen alle,
Und herzgewogen war ihr Jung und Alt.

Sie trug den Zug zur Heimat in dem Herzen,
Wenn sie als Meisterin am Flügel sang,
Aus ihrer Rede, aus dem milden Scherzen
Drang geisterhaft der Heimat ferner Klang.

O seht! o stets verklärter wird dies Lächeln,
Ihr inn'res Auge hat schon aufgeschaut;
Sie fühlts, wie Himmelslüfte sie umfächeln.
Sie hört Gesang: »Willkommen reine Braut.«

Der Orangenbaum

Im Garten hangen thauend die Gebüsche,
Sie duften Gruß dem frühen Sonnenstrahle,
Es glüht aus Grün und farbigem Gemische
Die Goldorange mit der würz'gen Schale.

Da steht der Baum. In seiner dunklen Krone
Durchschlingen Früchte sich mit zarter Blüthe,
Ein seltsam Kind aus einer andern Zone,
Den ew'gen Lenz im sinnigen Gemüthe.

Da steht er wohl! – doch aus den grünen Zweigen
Entflüstern Schmerzenshauche, leises Trauern,
Die goldnen Früchte und die Blüthen neigen
Schwermüthig sich, durchweht von kühlen Schauern.

Aus seiner Nacht da summt ein heimlich Klingen,
Wie Kinderträume aus vergangnen Zeiten.
Das ist ein Flismen, Flüstern und ein Singen,
Als wollten Engelschwärme sich verbreiten.

Vernimm, vertrauter Sinn, die selt'nen Töne:
In tiefer Fern am thauigen Gestade
Da glänzt ein Land von zauberhafter Schöne;
In Schatten ruht die blühende Najade.

Es prangt und duftet rings, ein Feengarten,
Durch den sich Grotten, klare Bäche schlingen,
Wo hinterm Busche junge Faunen warten,
Und Philomelen auf den Zweigen springen.

Es wölben sich ob Quellen dunkle Haine,
Um Felsen ziehen Kaktus, Myrth und Feigen;
Und zauberhaft in stillem Mondenscheine
Paläste hoch aus schatt'ger Tiefe steigen.

Es ruht das Meer im leichten Spiel der Wogen,
Es säuseln linde abgekühlte Lüfte,
Die Welle plätschert an der Brücken Bogen
Und rauscht zurück, nachhaltend durch die Klüfte.

Dort duften sie die Brüder all', die lieben,
Dort weilt auch ich in meines Lenzes Tagen,
Von rauher Hand ward dort ich früh vertrieben,
Und ach, ins ferne kalte Land verschlagen. –

Da weht kein Hauch für meines Herzens Fühlen;
Die Winde ziehn vom Berge her, dem kahlen,
Und frieren muß ich in der Nacht, der kühlen,
Und selbst die Sonne hat nur matte Strahlen.

Und ob es grünen mag in meinen Zweigen,
Ob Blust und Flüchte spärlich auch erglühten,
Es ist nicht Trieb, nicht frohes Lusterzeigen
Es sind der Sehnsucht karge Schmerzensblühten.

Tasso auf Sorrent

1.

Vereinsamt sitzt am hohen Fensterbogen
Im Wittwenkleid Cornelia Sersale,
Sie blickt hinunter auf des Meeres Wogen,
Wie sie erfunkeln in des Morgens Strahle.

Ein Fremder meldet sich. Es kommt geschritten
An Tracht ein Hirte aus Albaniens Bergen; –
Ein Antlitz düster, frostig, schmerzdurchschnitten,
Wie scheu gejagt vor aufgehetzten Schergen.

Und schweigend reicht er einen Brief der Frauen;
Sie liest und liest, und auf die blasse Wange
Tritt tief're Blässe; leise Thränen thauen,
Ein Seufzer zittert aus dem Busen bange.

O weiches Herz, o sinn'ge Dichterseele,
Von Aeolsseiten tausendfach durchzogen.
Dem Ohr der Menschen eine Philomele,
Und für dich selbst zum Schmerze nur erzogen.

O Bruderherz, unglücklicher Torquato!
Dich quält der Dämon in der Schöpferstirne;
Verbannt selbst aus dem Staate deines Plato,
Ach stehst du heimatlos gleich einer Firne.

So klagt die Dame, wendet dann gemessen
Zum Hirten sich: »Ihr wißt noch mehr der Kunde?«
Und der erzählt – es scheint ihn schwer zu pressen,
Des Bruders Leiden mit beredtem Munde;

Wie er geschmachtet in Bologna's Thurme,
Der Großen kaltes Launenspiel erfahren,
Wie er verfolgt, benagt vom gift'gen Wurme
Des Neids, umstrickt von Falschheit und Gefahren;

Wie er im Fieberwahne krank gelegen,
Der Liebe Schmerz ohn' Hoffnung still getragen,
Gehöhnt – gezückt in Königshall' den Degen,
Und wie sie dann in Bande ihn geschlagen;

Wie ruhlos er; umdüstert, weltverlassen.
Nun irre aufgescheucht von Stätt' zu Stätte,
Bestaunt von Pöbeljungen auf den Gassen,
Die seiner herzlos spotten um die Wette.

So weiß der Hirt in immer grellern Zügen
Zu schildern Weh' und Schmach des flücht'gen Armen.
Da neigt es leise sich – mit kalten Zügen,
Ohnmächtig liegt die Frau in seinen Armen.

»O süßes Schwesterherz, erwach', erwache!
O hier schlägt warme Liebe für mich Kranken,
So find ich Labung unter deinem Dache,
Um deine Treue will ich grünend ranken.«

Und wie den Blick sie aufschlägt wie in Träumen,
Da blickt sie in ein Auge glühend milde,
Auf eine Stirn', die dunkle Locken säumen;
Als täusch' ein Gott sie mit des Bruders Bilde.

»Ich bin es Schwester, Herz voll Lieb und Reine!
An deinem Trost mag ich vielleicht gesunden;
Hier in Sorrento's ew'gem Sonnenscheine;
Will heilen ich des Seelenschmerzes Wunden.«

2.

Sorrent, du blüthenduft'ger Himmelsgarten,
Hoch hinter Felsen traulich still geborgen,
Geschaffen ganz, gewählter Ruh' zu warten,
Und wegzuträumen Erdenschmerz und Sorgen;

Verwundert sieht dein Völklein Tagelange
Den düstern Fremdling in den Hainen weilen;
Der trübe Blick, die abgehärmte Wange,
Sie scheinen weder Freud noch Leid zu theilen.

Einsam verbirgt er sich in nächt'gen Grotten,
Wo Quellen hüpfen vom gezackten Steine,
Wo Vögel sich auf schwankem Zweige spotten.
Durch Schatten fliegt ein Licht im Zitterscheine.

Dann steigt er nieder zu des Meeres Buchten,
Da schaukelt läßig er rücklings im Kahne,
Die Blicke starr, als ob sie Sterne suchten;
Er sieht die Engel wohl im Dichterwahne!

Und wenn der Abend sinkt zum Meeresbette
Da sitzt er hoch auf steilem Felsgetrümmer.
Er schaut im Glanz Kapellen, Kirchen, Städte,
Neapels Golf im rosenduft'gen Schimmer.

Er weilt vertieft im innersten Geheimen,
Belauscht Natur in ihrem ew'gen Walten;
Er hört das Herzblatt in der Knospe keimen,
Und folgt dem stillen Wandel der Gestalten.

So liegt er selig an dem Mutterbusen,
Es singen Quell' und Vögel Wiegenlieder;
Doch seine Träume wandeln leis' die Musen,
Sie träufeln Nektar auf den Schläfer nieder.

Umweht vom duft'gen Hauch der frischen Lüfte,
Erholen mälig sich die welken Kräfte;
So bringt der Lenz der Eich' im Felsgeklüfte
Hinauf durch Äst und Wipfel neue Säfte.

Und wieder regt sich Lust und Weltverlangen,
Und wieder spornt des Dämons scharfe Spitze,
Zur frühen Stunde kommt er rasch gegangen,
Im Aug des Seelendranges dunkle Blitze.

»O Schwester! habe Dank für Sorg' und Güte,
Mit deinem Segen laß mich weiter wallen!«
Sie schaut ihm nach: »Du wunderlich Gemüthe,
Du bist des Ruhmes Flamme, ach, verfallen!«

Fra Diavolo

Die Kette klirrt! die Mauer starrt und feuchtet,
In stillen Pausen fällt ein Tropfen schwer.
Ins düstre Dunkel durch die Scharte leuchtet
Ein blasser Schein vom goldnen Tage her.
Was regt sich? Ha! welch frostig Fiebergrauen
Hat wie ein Blitz die Glieder dir durchschreckt!
Der Räuberhauptmann mit den düstern Brauen,
Da liegt er wild ins feuchte Stroh gestreckt. –

Da liegt er. In der Rechten wiegt er brütend
Das sonnverbrannte thatenstolze Haupt,
Bald seufzt er auf, – bald sprüht sein Auge wüthend;
Es zuckt die Faust noch blutig und bestaubt.
Es ziehen hell und trüb vor seinen Blicken
Die wilden Tage, die er durchgestürmt;
Noch trotzt sein Sinn den mächtigen Geschicken,
Ob drohend auch die Strafe sich gethürmt!

Wie zog er kühn voraus den treuen Schaaren,
Frei durch's Gebirge an den Alpenpaß,
Wie stürzt er sich inmitten von Gefahren,
Und war ihm Kampf und Sieg ein Morgenspaß.
Wie schön war er – die Flinte auf dem Rücken,
Die Feder lässig auf dem breiten Hut,
Hinschleichend, wo am Fenster Blumen nicken,
Zur Mühle, die sich spiegelt in der Fluth. –

Wie schreckt er weit die Städte und die Gauen!
Dem Ruhme glich des Namens stolzer Ruf. –
Wie ritt er keck durchs Thor, sich umzuschauen,
Und flog zurück auf sturmbeschwingtem Huf.
Kein Häscher wagt's, den Kolben anzulegen;
Ein schönes Auge blickt ihm glänzend nach.
Wer zählt's, wie oft ihm Frauengunst verwegen
In stiller Nacht des Ganges Schloß erbrach.

Doch jetzt! Des Kerkers riesig Eisengitter,
Des ew'gen Dunkels ekle Moderluft,
Des Richterspruches ernstes Strafgewitter,
Und gähnend schon des Todes finstre Gruft!
Verlassen, ausgestoßen in die Tiefen,
Weit aus der Schöpfung innigem Verband,
Besucht vom Mönche nur, dem ränkeschiefen.
Der frostig leiert hohlen Wortes Tand. –

Horch! Wer da! Rostig Schloß und Riegel knarren!
Die schwere Thüre drückt sich langsam ein. –
Still in die Wölbung tritt – in weißen Haaren
Ein blaßes Weib bei mattem Lampenschein.
Der Räuber stutzt, erhebt sich leis, betroffen
Späht er die Züge, gramerfüllt, doch traut.
Jetzt springt er auf, stürzt hin, die Arme offen:
»O Mutter, Mutter!« schluchzt er tief und laut. –

Er, der mit Angst und Blut und Menschenleben
Seit Jünglingsjahren frevles Spiel gespielt,
An dessen Waffen tausend Morde kleben,
Die scharf sein wilder Räuberblick erzielt;
Er, den nicht Scheu, nichts Heiliges verhindert.
Der höhnisch trotzend fröhnte jeder Lust,
Der Tempelgut und Priester ausgeplündert:
Er weint an gramerfüllter Mutterbrust. –

Und sie, die, unbekannt, ihr langes Leben
Im stillen Bergthal fleißig zugebracht,
Die, ungeplagt von ruhelosem Streben,
Den kleinen Hof, die Heerde nur bewacht:
Sie hat von Stadt zu Stadt sich durchgefunden,
Das letzte Ziel mit nassem Blick erspäht,
Durch Wachen sich zum König hingewunden,
Und für den Sohn die letzte Gnad' erfleht.

Da sitzen sie, o trauervolles Schauen!
Am Himmel glänzt die Nacht so hehr, so rein,
Sie wissen's nicht in dieses Kerkers Grauen;
Er sieht ihn nicht den letzten Sternenschein.
Sie sprechen lang. Der Mutter ernstes Mahnen –
Man hört's gebrochen draußen noch im Gang –
Da sitzen sie und scheinen nicht zu ahnen,
Daß längst die Sonne aus dem Osten drang.

Horch, Glockenklang! Gefüllt sind die Balkone;
Aus Fenstern strotzt die Neugier bunt heraus.
Die Trommel schwirrt; es rücken die Plotone:
Des Walles Krachen schüttert Grund und Haus.
Weit unabsehbar in den langen Straßen
Steht Kopf an Kopf und Brust an Brust gekeilt,
Das Aug' des Volks auf Dächern und in Gassen
Auf Einem Punkte athemstockend weilt.

Da schreitet festen Schrittes zum Schaffotte
Der Räuberhauptman durchs Gedräng heran.
Kein Sündertrotz! Versöhnt mit seinem Gotte,
Hat er die Weltlust reuig abgethan.
Er steht bereit: er hat den Sieg erfochten
In der durchwachten langen, langen Nacht –
Was Priesterwort und Satzung nicht vermochten.
Das hat die Mutterliebe still vollbracht. –

Der Bettelbube

Horch Geklingel, horch Geschelle
Hinter jenem Hügel dort!
Sieh! da beugt's mit Flugesschnelle
Um der Felswand jähes Bord!
Wie die Schlitten lustig gleiten
Durch des Feldes Winterglanz!
Silberschmuck und Fähnchen streiten
Um der Mode Ehrenkranz.

Hier den Fußweg kommt geschlichen
Scheu ein Bettelbub daher,
Bütteln ist er ausgewichen,
Ob sein Säcklein auch noch leer.
Und er rupft die wilde Schlehe
Hungrig von dem dürren Reis.
Aus den Schuhen guckt die Zehe,
Strauchelt auf dem harten Eis.

Hörner, Geigen, Flöten dringen
Von dem Saale lustig aus.
Auf des Taktes flücht'gen Schwingen
Fliegt der Galloppade Braus.
Manche Holde muß verluften,
Manchem wird der Athem schwer.
Hei, es dringt ein Brodeln, Duften
Von der regen Küche her.

Auf der Treppe schlotternd kauert
Wieder da der Bettelknab',
Und mit fleh'ndem Blicke lauert
Er sich eine Gabe ab.
Ach, es ging kein warmer Bissen
Heute noch in seinen Mund,
Und es hat der Dorn gerissen
Ihm die blaue Zehe wund.

Horch, es klingelt, Peitschen knallen,
Liebchen steckt in Pelz und Schmuck!
Zecherlieder thalwärts schallen,
Und es wechseln Kuß und Druck.
Kommt nicht schon heraufgezogen
Dämmernd dort der Morgen an?
Nacht, wie warst du bald verflogen!
Liebchen, so ist's wohlgethan!

Doch was stutzt der stolze Rappe?
Was liegt Dunkles da im Schnee?
Gott – ein Kind in dünner Lappe!
Und im Antlitz Gram und Weh!
Wieder ist's der Bettelknabe. –
Als sich Keiner sein erbarmt,
Bracht' der Todesengel Labe,
Hat im Schlaf ihn still umarmt.

Der Handwerksbursch

In seiner Werkstatt sägt und hämmert
Der Schreinermeister für und für;
Und wie der Abend leise dämmert,
Da pocht es zweimal an die Thür.

Den staub'gen Fuß hebt auf die Schwelle
Ein Handwerksbursche, jung und zart,
Die Wangen blüh'nd, die Augen helle,
Von schlankem Wuchs, bescheidner Art.

»Vergebt! bin ich wohl recht gewiesen?
Den Meister Konrad such' ich da!
Man zeigt das Haus mir in den Wiesen.«
Der Meister winkt ein ernsthaft Ja.

»So sagt mir, Herr, wart Ihr vor Jahren
Geselle nicht im Schweizerland?«
»So ist's! wie hast du das erfahren?
Noch seh' ich See und Firnenwand!«

»Kennt Ihr ein Dorf – im weiten Thale
Liegt's in den Bäumen halb versteckt,
Und wie es heißt liest man am Pfahle?«
Was blickt der Meister halb erschreckt?

»Kennt ihr ein Häuschen, rein und heiter?
Es zieht vorbei ein muntrer Bach;
Ins Kämmerlein führt eine Leiter,
Sie hängt sonst ruhig unterm Dach.

Nicht wahr! des Morgens kam zur Quelle
Ein Mädchen mit dem Wasserkrug?
Und mancher schaut' gebannt zur Stelle,
Wie sie den Zuber zierlich trug.

Sie war die schönste in der Runde,
So schlank der Wuchs, so voll der Arm,
Zur Arbeit flink, von holdem Munde,
Doch war sie Magd, doch war sie arm.

Der Fremde, den sie liebgewonnen,
Er zog davon, ließ sie im Stich. –
Versiegt war ihr der Freudenbronnen. –
Nun Meister Konrad kennt Ihr mich?!

Man sagt, ich sei von Euch geschnitten
Vom Kopf zur Zehe auf ein Haar.
Da seht dies Buch! es hat gelitten,
Benetzt von Thränen manches Jahr.«

Dem Meister flimmert's vor den Blicken;
Im Herzen sitzt sein Strafgericht.
Er ist sonst recht in allen Stücken –
Doch bald gefaßt er heiter spricht:

»Bist du mein Sohn, fast sollt ich's meinen,
Mich dünkt, du schlagest ins Geschlecht:
Da möcht' ich keinen Punkt verneinen!
Bei Gott, das Werk ist nicht so schlecht.

Und aus ist's jetzt mit deinem Wandern;
Komm, Knabe, gib mir einen Kuß!
Du theilst hinfort mit allen andern
Bei Tisch und Erb des Sohns Genuß.

Ei, Nachbar, schauet da den Jungen!
Mein Sohn ja auf den ersten Blick!
Aus ganzem Holze gut gelungen,
Probhaltig Jugendmeisterstück!

Wie hab' ich's gut! Ihr müsset wiegen.
Und Monden geht's, bis sie gestellt.
Mir kommen sie – Beweise liegen,
Ihr seht's! mit Stock und Bart zur Welt!«

S'Wienecht-Chindle

So ihr Chinder, jetz wär de Tisch do unten am Ofe;
Sind jetz still und loset! Ich will Ech es bitzli erzehle –
Händ Er doch scho mengmol gfrogt und gnöthet und gwundret,
Wie denn s'Wienecht-Chind dur Thür und Schlösser daher chöm.
Bisch scho, Karli, dert oben am Berg im dunkele Wald gsi?
Wenn de Schnee uf de Matten, uf Bäume, uf Stude und Stöck lit.
Und d'Iszäpft am Mühlrad, a Röhre und Dächere hange?
Das isch es Luege! do stönd der Tanne a Tanne i Reihe,
All's voll Schnee und Duft. Vo luter silbrige Franse
Senke die dunkele Aest si aben und überenandre.
S'ist, as flüstere se vo tieft heimlige Sache.
Und bricht d'Sunne z'Mittag es Stündli dur d'Nebel und Wulke,
O da glitzeret's dir vo tusig und tusig Diamante!
Höch i der bläuliche Luft do funkelt's vo Wipfel zu Wipfel,
S'glicht enere andere Welt. Vo rosige Bildre und Farbe
Glänzt wie e Tempel de Wald, und Alles isch still und fyrlich;
Selten e Gloggeschlag, und hin und wieder wie's tröschet
Unten im Thal uf em Hof, denk wohl bim Rothsherr vo Seenge,
Susch ke Ton und Lut. I der Höche seglet e Vogel.
Los do rieselet öppis! es ruschet vo witem, es flüstret!
Jo e beladene Ast het lisli dert sie erschüttet –
Lueg, wie's silberig fließt, dur d'Nodlen abe zum Bode.
Isch echt e Geist vorbi, und het er e bitzli no agstreift?
S'chönt no si – umsust nit fyret und funklet de Wald so! –
Wunderbars goht jetz vor i sinem geheiligte Dunkel.
Wo-n-am verborgene Ort verwachsene Distle und Gstrücher
Vor ere felsige Chluft Wacht halte gege de G'wunder,
Dert wär öppis z'gseh für eue Auge, ihr Chinder!
Lieblige Elfe, Bergmännli, Alrune und listige Hexli
Huse zäme jetz do in luter christallige Hüsli!
Wit scho funklets vo Gold und Silber und herrliche Sache;
Rings a der Wand vo Spiegle, uf Bänke und sidige Stüehle
Hanget's, was hange nur mag, vo jeder Gattig und Sorte.
Dußen im Gärtli do stöhnd gar seltene Wese vo Blueme,
Wenn me nur liis sie-berührt, so föhnd sie a chlinge und singe,
Alle Gebüsch und Bäum sie stimme dezue und singe und chlinge,
Und verzauberet blibt, wer unberuefe derzue tritt.

Aber die Zwergli und Elfe, das sind gar herzige Gästli,
Lieblig und chli, chum höcher as dert selb Tischli vo Nußbaum.
Wänd sie spaziere, do chöme der z'trotte vier lustige Räppli,
Alle mit guldigem Gschirr und s'Zwergli führt sie am Zügel,
S'Gutschli, was meinsch? es isch vo purem Gold und Diamante,
Wie das funklet und blitzt, wenn's sust im Galopp wie bsesse!
Nebedra billt es Hündli, nit großer schier as es Müsli.
Jo do sitze sie drin, wie d'Engel so schön und fründli;
Doch das schönste vo alle, wie Materose und Alpschnee,
O wie lächelt's so hold! Los s'Wienechtchindli sie heiße's!
S'Wienechtchindli? so rüefet Er us! Io ebe das meini.
Dert im christallige Hus het's währli im Winter si Wonig.
Und i der heilige Nacht, won euse Herr Jesus isch worde,
Wo vo bsunderem Glanz die Sterne am Htmmel thüend lüchte,
Wo i der Chammer elei, wenn d'Mitternacht lisli herannoht,
S'Mägdli hindertst wüscht, z'verneh ob's ächters e Ma krieg,
Do nimmt's Chindli si Flug herab zu Dörfre und Städte.
Und wo im ene Hus de Chindersäge deheim isch,
Do ime Bett rothbaggige Buebe si dreie und chere,
Do i sidige Löckli es liebligs Meiteli schnüüflet,
Macht's grad Halt, und sacht mit em guldige Rüetli
Schlot's nur einisch a Thür, so thuet si lisli si öffne;
Hurtige Schritts ischs droben im warme fründlige Stübli,
S'suumt si und gaffet nit lang. Mit niedlige gleitige Fingre
Leit's uf e Tisch sine Chröm. Potz tusig, wie werde sie luege!
Druf het d'Muetter am Morge die Buebe und Meiteli ufgweckt.
Nei wie zablets und gohts do hinte im heimelige Schlofgmach!
Sind si doch nie so gschwind in de Hosen und i de Rock gsi!
Lueg do stöhnd sie jo scho mit früschen Bagge und Auge,
Nume de Langsam dert het näumis no z'byste und z'greste.
Psyt! Was g'hört me so fins? Es chlinglet es silberigs Glöggli,
Wäger es isch's. I kenne's im Wienechtchindli si's Zeiche!
Wie doch die Chline si schmuckt uf em Arm der gschäftige Muetter!
S'förchtet si fast und 's versteht nit, was si da trybe und vorhänd.
S'isch vorem Johr no gläge im Wiegli im dämm'rige Schlummer,
Und zum erste Mol jetz blickt's i de heilige Morge.
Sacht goht Thür ich uf; hei, wie si gugge und drücke!
O wie schön! wie schön! Wie glänzt und lüchtet doch d'Stube!
Liechtli a Liechtli brönnt am rich behangene Bäumli,
Güldige Oepfel und Nuß und Mannli vo Zucker und Bäre!
Nei wie hange die Aestli so schwer! es tropfe die wächsige Cherzli.
Doch uf em Tisch lueg erst, do liegen die köstliche Sache.
Alles isch gordnet und theilt, ich glaub no de Chöpfen und Plätze.
Föhnd wer denn a und luege: es Buech mit schöne Figure,
Wißes Papier vom glättste und wieder Bleistift und Fedre,
Farben und Schäleli au, und gar es Messer derzue no.
S'isch für e Aeltest do, er isch e Meister im Zeichne.
Ueb jetz fliißig di Chunst, und schärf dine Auge am Schöne!
Lieblig isch es und fin, und wär's im niedrigste Hüttli,
Won e niedlige Sinn verschönt und ordnet im Stille.
Spreng me, so wiit de witt, me Hotsche und rueßige Gsichtre!
Aber was gsehni denn do? es Huttli und Schufle und Gable
Uebernand verchnüpft mit farbige Nestle vo Siide;
S'Huttli no gar voll Nuß und drüber e mächtige Lebchue.
Lueget de Karli, doch a! nüt gseht er as Huttli und d'Schuufle.
Hexli, du Hexli! du hesch gwüß heimli glost a der Thüre!
Oder es hets vernoh, wie gern und wacker er werchet.
Hänks denn nume grad a. Potz tusig wie paßt der das Huttli!
Wär's jetz nume scho Früehlig und chönntest der Muetter go helfe.
Wenn si im Garte handtiert mit Bluemezwieblen und Setzlig.
Karli, du hesch es errothe, was Mueth und e freudige Sinn macht,
S'het der's en Engel gseit a der Wiege liislig is Oehrli.
Arbet und Fliiß i freier Luft und uf sunnige Feldre,
Drüber goht nüt; es chiimet und wachst der und grothet
Alles so still und schön i glicher ewiger Ordnig.
Lügen und Trügen und Knüff und Firlefanzen und Rede,
S'nützt Alls nüt und s'Chörnli loht si am Wachsthum nit störe;
Ehrliche Fliiß erhaltet die Güetli einzig bim Säge.
Liseli, chum jetz du! Was finde mer unterm Tüechli?
Lueget, nei lueget, do gilt's! e Chuchi, es Stübli, e Wiege,
S'Bäbeli drin im Schlof – i glaube im ene feste.
Wiege wend sie gar bald, die gschäftige, gschwätzige Meitschi,
Heige selber schier erst die eigene Windeli abgstreift!
S'ist en Ahnig künftiger Ziit. So rueht im schlöfrige Sömli
Lang scho vorus der Halm und s'hundertchörnige Aehri.
Anderes liit no do; für Jedes im Huus es Grüeßli,
S'Wienechtchindli verstohts, s'weiß's alle z'breiche noch Herze,
Jo e fründliche Sinn, de mueß em schlage im Brüstli.
Aber wo isch's? Wie isch es denn cho? wie isch es verschwunde?
Thüre isch bschlossen und jedes Riegeli wäger no gstoße,
Niene ke Spur! Wie gester am alten Oertli no Alles!
Doch was gsehni? E lueg! wie blüeht so lieblig das Zinggli
Do uf em duftige Sims; es het i der Nacht si entfaltet:
O i merk und verstoh – es isch mis Chindli vorbii gschwebt,
Und mit himmlischem Huuch het's s'Blümli geweckt us de Träume.


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