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Blumenlese – Zweiter Band
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Jakob Burkhardt

Aussichten aus einem Fenster

Ueber'm Rheine, in den Reben
Regt sich's in der Mittagsstille
Aufwärts durch die stille Halde –
Kinder eine ganze Fülle.

Wie sie klettern durch die Hecken
Katzen gleich auf scheuen Sohlen!
Denn die Traube schmeckt zwar immer,
Doch am besten nur gestohlen.

Knaben ziehn empor die Mädchen,
Bis die Halde ist erklommen;
Nun zum Plündern! helft einander,
Rasch, bevor die Winzer kommen!

Und es taucht der alte Rheingott
Lachend aus den grünen Tiefen;
Aus dem grünen Barte sieht man
Wasser wie Cascaden triefen:

»Wohl bekomm's, ihr lieben Kleinen!
'S kommt die Zeit, ihr werdet sagen:
Wein taugt mehr als Trauben – jetzo
Nur verderbt euch nicht den Magen!«

Vom Vierwaldstättersee

Abendliche Purpurgluth
Wallt hinauf von Flühn zu Flühen,
Und du siehst ihr bebend Bild
Roth im dunkeln See erglühen.

Rosenwolken ziehn einher,
Feuriger, dann wieder bläßer;
In der Tiefe fluthen sie,
Zart gespiegelt vom Gewässer.

Liebe, die der Sonnengott
Bergen, Wolken hat gegeben.
Lockt aus der geliebten Fluth
Dieses sanfte Purpurleben.

Liebe lodert hell entflammt
In Gebirgs- und Wolkengluthen,
Liebe strahlt verschämt zurück
Aus dem Zittern dunkler Fluthen.

Nyt Eiges meh

Was wie-n-e Flamme-n-uf mym Scheitel rueht,

Du bisch die Glueth!
Was wie-n-e helli Wulke-n-um mi wallt,

Du bisch die Gwalt!

Und 's Morgeroth schynt dur e Rosehag,

Du bisch der Tag!
Und d'Sterne glänze-n-in der hellste Pracht,

Und du bisch d'Nacht!

Es ghört mer weder Denke, Gseh noch Thue

Meh eige zue –
Wer het mi au mit Allem, was i bi,

Verschenkt an Di?

Red und Antwort.

Sag, was isch uf der liebe Welt
Noch azfoh, Mensch, mit dir?
De stuunsch in's Blau, wie d'Wulke ziehnd
Und bisch bald hinterfür.

»So loß mi stuune. Denk, i suech
E Stern, wo d'Wulke deckt.
Giduld nur, bis sie übrezieht
Und 's Liecht mi wieder weckt.«

De thuesch nyt meh, du redsch nyt meh,
Und stiehlsch em Herrgott d'Zyt.
»I red im Stille zue dem Stern,
Bis Antwort kunnt – 's isch wyt,«

Und Tag für Tag laufsch ganz allei
Zum Thor uus dur de Schnee.
»I suech die Stell, wo i dä Stern
zuem leschte Mol ha gseh.

De darfsch es wisse, 's stoht am Hag
E große-n Apfelbaum:
Dört wach i uf; was i mit euch
Jetz red und thue, isch Traum.«


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