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Blumenlese – Zweiter Band
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Friedrich Oser

O weißt du, wie's die Blume macht

O weißt du, wie's die Blume macht,
Wenn sie erwacht
Vom süßen Traum in kühler Nacht?
Sobald der Sonne erstes Licht
Grüngolden durch die Blätter bricht,
Schlägt sie ihr Auge auf sogleich
Noch thränenreich,
Und schaut mit freudevollem Sinn
Hin nach des Tages Königin.

Und wiss', es wendt' die Blume licht
Ihr Angesicht
Niemalen von dem Sonnenlicht,
Bis daß die Sonne niedersinkt,
Mildleuchtend durch die Haine blinkt;
Dann schließt die Blum' ihr Auge zu
Zur süßen Ruh,
Und träumet in der Frühlingsnacht
Noch von der Sonne heller Pracht.

Doch weißt du, wie's der Blume geht,
Ihr Glanz verweht,
Wenn traurig sie im Dunkel steht,
Und nimmer, nimmer schauen kann
Die Sonne an der Himmelsbahn?
Sie senkt ihr Antlitz matt herab,
Und welket ab,
Und – o des Leids! in kurzer Frist
Die arme Blum' gestorben ist!

So schau auch ich mit Liebesmacht
Wenn ich, erwacht
Aus Träumen wiederum der Nacht,
Nach dir mein süßes Lieb gleich hin,
Du meines Herzens Königin!
Und kann den ganzen Tag fast nicht
Mein Augenlicht
Von dir, du Holde, wenden ab,
Die neu mir Licht und Leben gab.

Und Abends spät, mein Lieb, wenn du
Zur süßen Ruh
Die müden Augen schließest zu,
Da muß zuletzt ich immer doch
Dein wonnig Antlitz schauen noch;
Und schau ich's einstens nimmermehr,
Ob ringsumher
Mein thränend Auge nach dir späht,
Ist auch mein Leben bald verweht!

Die Witwe

Die Wittwe sitzt im Kämmerlein
Bei ihrem todten Kind,
Und ringt die Händ' in wilder Pein,
Weint sich die Augen blind.

»Dahin nun auch die letzte Freud,
Mein letzter Trost dahin;
Hilf Gott, daß nicht vor all dem Leid
Verwirret sich mein Sinn!

Und bin so arm, o gar so arm!«
Aufschreit sie todtenbleich –
»Wie kauf ich – o daß Gott erbarm!
Ein Särglein für die Leich'?

Mein Hab und Gut ja alles fort,
Ach fort – für's liebe Brot!
Blieb Eins mir nur, mein liebster Hort,
Hier dieses Ringlein roth.

Der mir's einst gab, der schlummert nun
Tief unterm Rosenstrauch.
O könnte doch bei ihm ich ruh'n,
Bei ihm ich Aermste auch!

Ich wollt' es tragen bis zum Tod
Mein theures Brautringlein,
Viel lieber litt ich Hungersnoth,
Jetzt aber muß es sein!«

Sie eilt voll Gram zum Goldschmied hin,
Verkauft um schnödes Geld
Mit nassem Aug', halb irrem Sinn
Ihr Liebstes auf der Welt.

Und kaufet schnell ein Särglein schmuck,
Trägt's freudig stolz nach Haus; –
»Drin ruh von allem Erdendruck
Mein süßer Engel aus!«

Und bald mit saurem Angesicht
Der Küster kommt voll Hast,
Und trägt im Abenddämmerlicht
Zum Grab die theure Last.

Geht Niemand mit als nur allein
Die Mutter schluchzend laut,
Ein Sternlein, wie in Thränenschein,
Auf sie herniederschaut.

Für Arme ist zu theuer wol
Ja auch der Glockenklang,
Ein Vöglein nur singt mitleidsvoll
Dem Kind den Grabgesang.

Scheinleben

Einer Eiche Riesenstamm
Sah ich liegen an der Halde,
Den zur Winterzeit die Axt
Niederhieb im nahen Walde.

Und, o Wunder, nun im Lenz
Aus des todten Stammes Rinde
Uepp'ge Schosse wuchsen auf,
Wiegen freudig sich im Winde.

Ach, ein holder Trug ist's nur! –
Sahst du's nie mit eignen Schmerzen,
Wie noch taglang lebt ein Mensch,
Und hat schon den Tod im Herzen?

Herbststurm

Heulend raßt der Sturm durch's Thal
Tobet durch der Bäume Wipfel,
Die voll Früchten allzumal
Prangen bis zum höchsten Gipfel.

Bald mit süßen Früchten roth
Ist der Rasen hoch bedecket,
Kaum ein Aepflein noch mit Noth
In der Krone blieb verstecket.

Ha! wie Morgens in der Früh'
Alle Leute freudig nicken,
Die da kamen, um mit Müh'
Frucht um Frucht vom Ast zu pflücken;

Daß so mühlos, wie im Traum,
Liegt die Frucht zu ihren Füßen,
Der geschüttelt du den Baum,
Herbstwind, laß zum Dank dich grüßen. –

Du mein Herz und ist's nicht so
Gleicherweis auch dir ergangen?
Danktest deinem Herren froh
Für den Leidenssturm, den bangen!

Was du ohne Rast und Ruh
Suchtest in des Glückes Stunden,
Was mit saurer Mühe du
Jahre lang nicht hätt'st gefunden.

In der dunkeln Leidensnacht
Ward's dir unversehns gegeben,
Als der wilde Sturm mit Macht
Einbrach in dein stilles Leben.

Luft und Liebe

Strömst du nicht aus die Luft, und athmest sie nicht ein,
So wird dein Lebensdocht alsbald verglommen sein.

Die Lieb', die Himmelsblum, so reich an Glanz und Duft,
Ist deines Lebens Licht, ist deines Lebens Luft.

Strömt sie nicht ein mit Macht in deines Herzens Grund,
So schlägt ihm alsobald die letzte Lebensstund.

Ward aber deine Brust der reinen Liebe voll,
Such' dir ein zweites Herz, darein sie strömen soll.

Weh! wenn du sie in dir als todten Schatz verschließest,
Und sie nicht jeden Tag als hellen Quell ergießest!

Denn wiss', den reichsten Schatz wirst du gar bald verlieren,
Dein armes Herz wird elendiglich erfrieren!

Wem Niemand Liebe schenkt, wohl nennest du ihn arm,
Als wenn kein Herz du weißt, dem du die Lieb kannst schenken.

An diesem Gram, o glaub's, gar viele Menschen sterben,
Gar manches warme Herz mußt' also schon verderben.

Die Lieb', fürwahr, die tief in deinem Busen brennt,
Die Lieb' ist wie die Luft des Lebens Element.

Die Wirthin

Wilder Lärm tönt in der Schenke,
Wer wollt heut' nicht fröhlich sein,
Da zur Stadt, der reichgeschmückten,
Zog des Festes Jubel ein?

»Freut des Lebens euch, ihr Brüder!«
Schallt ein kräft'ger Männersang,
Und die vollen Gläser läuten
Drein mit lustig hellem Klang.

Aber droben, weh, im Sterben
Liegt des Wirthes junge Frau;
Erst vor Kurzem noch so blühend,
Wie die Ros' im Morgenthau.

Und die frohen Klänge dringen
Zu dem Sterbebett hinauf,
Bitter lächelnd schlägt die Kranke
Einmal noch die Augen auf.

»Freut des Lebens euch!« schallt's wieder,
»Alsolang das Lämpchen glüht!«
Droben aber in der Kammer
Eine Rose lag verblüht.

Frühlingswolken

Siehst du, mein Kind, die schneeweißen Wölklein,
Hinter jedem von Engeln ein Völklein
Lauschen herab von den seligen Höhn,
Schwingen verwundert die glänzenden Flügel,
Seh'n sie die blühenden Thäler und Hügel,
Singen: wie ist doch die Erde so schön!

Schade, mein Kind, jetzt könntest du schauen,
Tief in den Himmel da droben, den blauen,
Sehen die Engelein stehen im Chor,
Schade, mein Kind, darfst nimmer es hoffen,
Grad wo am Himmel die Fensterlein offen,
Ziehen die Engel ein Wölklein davor.

Das Amulet

Nimm dieses Kleinod hier,
Mein Lieb, von seinem Gold,
Ist auch dem goldnen Schmuck
Die Demuth wenig hold.

Wohl reicheres Geschmeid
Trägt keine Königin;
Von meiner Mutter Haar
Ein Löcklein ist darin,

Von ihr, um die noch stets
Mein Aug' in Thränen steht,
Ein Heimweh bang und tief
Die Seele mir durchweht;

Von ihr dieß Einz'ge noch,
Was ich dem Tod geraubt,
Als sie zur ew'gen Ruh
Geneigt das müde Haupt.

Trag' sie am Halse nun,
Mein Lieb, die edle Zier,
Ein heilig Amulet
Für immer sei sie dir!

Geheime Zauberkraft
Ist fortan drein gebannt,
Trägst du's, die Muttertreu
Bleibt ewig unverwandt.

Trägst du's, dein Glaube kann
Niemalen untergehen,
Wirst fest in Noth und Tod
Bei deinem Herren stehn.

Und trägt's verblichen einst
Die fernste Enkelin,
Noch haust geheimnißvoll
Der Mutter Segen drin.

Frühlingspädagogik

Ich hatt mir viele Müh gemacht,
Und um ein schön Stück Geld gebracht,
Hatt' unten, oben und mitten
Meine jungen Bäume beschnitten.

Und dachte, wie wird jeder Ast.
Sich biegen unter der Früchte Last,
Und grämte mich schon: zu enge
Wird mein Keller sein für die Menge.

Und als im Lenz auf die Wies' ich ging.
Mit einem Stolze nicht gering, –
Schön grün war der Bäume Krone,
Kein Blüstlein fand ich zum Lohne.

Doch des Nachbars Bäume, wie beschneit,
Glänzten und dufteten in die Weit,
Streckten mit ihrem Blüthengewimmel
Wie zum Hohn mir die Zweige zum Himmel.

Waren doch, weiß kein Mensch wie alt,
Und ganz verkrüppelt an Gestalt,
Und traun auf jeglichem Aste
Waren Moos und Mistel zu Gaste!

Ihr Herren Pädagogen seht,
Wie's mit dem vielen Schneiden geht.
Zum Blühn kommt nimmer die Jugend.
Und Blühn ist auch eine Tugend!

Wie lachen die Alten die Jungen aus
Mit den Herzen noch voll Jugendbraus,
Mit den Wangen, die so frisch noch blühen,
Mit den Seelen, die so arm noch glühen.

Eure Buben aber schon voll Gram,
Und wie erschrecklich lahm und zahm!
Ob noch so voll die Köpfe,
Die armen, armen Tröpfe!

Frau Käthes List

Der Luther in schweren Nöthen war,
Versunken in Kleinmuth ganz und gar,
Der Teufel wollt den kühnen Glauben
Voll arger List dem Helden rauben.

Der sonst so froh die Gnade pries,
Und alle Welt zum Kreuze wies,
Wie Jakob rang mit seinem Gotte,
Ihm ward sein Glaube, weh! zum Spotte.

Verzagen will er an seinem Herrn,
Und in das Dunkel fällt kein Stern,
Ob tröstet ihn, ob zürnt Frau Käthe,
Und um ihn weinet im Gebete.

Vergebens! fort mit Weh und Ach
Sitzt Luther trostlos im Gemach,
Den langen Tag verstimmt und müßig
Und gar des Betens überdrüßig.

Da räth sein Weib ihm: »Aus dem Haus
In Gottes Welt zieh doch hinaus,
Vielleicht mag dir das Reisen frommen,
Dem bösen Geiste zu entkommen.«

Der Doktor wandert zagend fort,
Doch mit sein Gram von Ort zu Ort;
Kommt heim, du lieber Gott, noch trüber,
Die Wolken zogen nicht vorüber.

Und als er in die Stube tritt
Mit finstrem Sinn und müdem Schritt,
Vor Schrecken that er jach erblassen,
Und mag vor Beben kaum sich fassen.

Denn Käthe, sieh, in schwarzem Kleid
Am Fenster sitzt mit bittrem Leid,
Das Thränentüchlein in den Händen,
Thät sie sich grüßend gen ihn wenden.

»Um Gott, lieb Weib, was ist geschehn,
Daß ich dich muß in Trauer sehn?
Sag an, wem gilt dein banges Klagen,
Liegt eins der Kinder auf dem Schragen?«

Fein lächelnd Käthe drauf begann:
»Weißt du's noch nicht, mein guter Mann?
Der Herrgott ward zu Grab getragen,
Er starb gar schnell vor wenig Tagen.«

Da wich mit eins des Doktors Gram
Und schluchzend rief er aus voll Scham:
»Vergieb mir, Herr, die arge Sünde,
Und deine Gnad mir wieder künde!

Ei ja! noch lebt der alte Gott,
Und macht des Teufels List zu Spott!
Hab Käthe Dank, daß deine Treue
Den Glauben mir geschenkt auf's Neue!«

Und unverweilt stimmt seinem Herrn
Ein Lied er freudig an zu Ehr'n,
Und in sein Herz zieht mit dem Liede
In reichem Strom der alte Friede.

Ferdinand der Vorgeladne

Aus dem Schlosse zu Palenza
Ritt Fernando von Castilien,
Sanchos Sohn, auf schwarzem Hengste,
In der Rüstung goldverzieret.

Weithin überragt der König
Alle, die zur Seit' ihm sprengen,
Ob in jugendlicher Schöne
Seine Wange noch erglänzet.

Plötzlich hält mit starkem Arme
An sein Roß er im Galoppe,
Denn ein Blutstrahl, sieh, ganz nahe
Spritzet auf in hohem Bogen.

Als er reitet durch's Gedränge,
Liegt ein Edelmann erstochen,
Doch es war mit Windesschnelle
Weit der Mörder schon entflohen.

Und der König wuthbleich hebet
Auf zum Himmel seine Rechte,
Schwöret laut: »Bei meiner Ehre,
Schrecklich sei die That gerächet!«

In des Jünglings Herzen wohnte
Sonst die Großmuth wohl und Milde,
Doch, gereizt einmal zum Zorne,
War er grausam unerbittlich.

Tags darauf die Häscher führten
In die Königsburg, gefesselt,
Vor Fernando hin zwei Brüder,
Carvajal war'n sie genennet.

Diese zeihte man des Mordes;
Doch ihr Auge sagt es deutlich,
Das umherschaut klar und offen,
Daß geredet falsch die Zeugen.

Finster aber blickt der König,
Spricht also zu den Gefangnen:
»Wer so frech mein Wort verhöhnet.
Dem gebührt die schwerste Strafe!

Von dem Fenster dort die Frevler
Stürzet mir herab zur Stunde,
Ha, ich schwur's bei meiner Ehre,
Unabwendbar ist das Urteil!«

Weh! ob bei des Heilands Wunden
Ihre Unschuld beid' beschwören,
Gegengründe bringen hundert,
Unerbittlich bleibt der König.

Und die Häscher, selbst erweichet,
Führ'n die Armen hin zum Tode;
Horch, noch ruft, der Brüder Einer
Rückgewandt die ernsten Worte:

»Nun, so laden wir, Fernando,
Vor den Stuhl des ew'gen Gottes
Dich von heut in dreißig Tagen,
Anzuklagen dich des Mordes!«

Noch in selber Stund zerschmettert
In der Schlucht die Brüder lagen,
Hauchten aus ihr junges Leben
Unter grausenvollen Qualen.

Bald darauf nach Andalusien
Zog der König mit dem Heere,
Hatt' in seinem Jugendmuthe,
Was geschehen, bald vergessen.

Keiner focht wie er so tapfer
Und so kühn im Schwarm der Feinde;
Wunderbar blieb er bewahret
Allezeit vor jedem Pfeile.

Eines Tages aber ging er
In sein Zelt zur Mittagsruhe,
Abends fand ihn todt ein Ritter,
Niemand wußt des Todes Ursach.

Grad am dreißigsten der Tage
Wars seit jenes Urteils Gräuel.
Ferdinand der Vorgeladne
Heißt der König drum noch heute.


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