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Blumenlese – Zweiter Band
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Adolf Sarasin

Der Schwesternborn

Als noch im Schwyzerlande der stolze Vogt regiert,
Hat er drei frommen Schwestern in Küßnacht nachgespürt;
Sie aber fliehn behende aus ihrer Mutter Haus,
Und wandern mit einander im Wintersturm hinaus.

Wohin nun aber fliehen vor Geßlers Tück' und Macht,
Der ringsum diese Thale mit scharfem Aug' bewacht?
Sie fieh'n zu Gott um Hülfe und suchen eine Bahn
Durch Schnee und über Felsen zum Rigiberg hinan.

Da wo jetzt Tannen stehen beim Haus zum kalten Bad,
Da leitet in die Höhle sie ein verborgner Pfad;
Dort sind sie wohl geborgen, kein Sturm durch Felsen weht;
Dort werden sie vom Häscher auch nicht so bald erspäht.

Wohl schützet sie der Felsen, den sie zum Dach erwählt;
Doch ist's der Durst, der bitter die drei Verlass'nen quält;
»Wird uns kein Trunk geboten, so sind wir morgen todt!
O Gott, erbarm' dich gnädig der armen Schwestern Noth!«

Und sieh! da kömmt gequollen aus tiefem Felsenspalt,
Die Jungfraun zu erretten, ein Brunnen frisch und kalt.
Als dann bei Küßnacht unten kein Geßler mehr regiert.
Da hat der Weg zur Heimat sie wiederum geführt.

Noch heut' kommt diese Quelle so kalt, so klar und rein
Hervor mit sanftem Murmeln aus tiefem Bett von Stein.
Ein Löffel auch von Eisen, der schwimmet in der Fluth,
Aus dem ein jeder Pilger den Trunk mit Freuden thut.

Ein Kirchlein bei der Quelle steht dort verborgen still.
Und winket einem Jeden, der allda beten will.
Dort hingen viele Pilger Denktafeln an die Wand;
Und diese alte Sage ich da geschrieben fand.


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