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Des Grames Wolke nimmermehr von Abul's Fürstenstirne weicht.
Der Kummer hat dem Königssohn das jugendliche Haar gebleicht.
Schön ist das Schloß, worin er wohnt, die Säle reich, die Aussicht frei;
Doch mahnen Thor und Mauer ihn, daß ein gefang'ner Mann er sei.
Wohl dehnen sich auf Stunden weit die Mauern um das Lustrevier,
In Gärten springt der Wasserstral, im Haine graset Jagdgethier.
Doch mag er nicht im Garten geh'n, das Jagen ist ihm kein Genuß;
Wie weit er wandelt, jagend schweift, die Mauer bleibt und der Verschluß.
Verstimmt und müßig an der Wand die Laute schläft von Ebenholz;
Im Bauer singt die Nachtigall, das Lied ist freien Mannes Stolz.
Das Schachspiel einzig ihn erfreut, da träumet er von Königsmacht;
Und auf dem Brette ordnet er mit klugem Sinn und lenkt die Schlacht.
Er hat gethan den ersten Zug. – Durch's Fenster scheint der Morgen hell.
Da öffnet sich die Thür; es tritt herein ein widriger Gesell:
»Dein Bruder, Abul, sendet mich, der Herrscher auf Alhambra's Thron.
Du lebst – im Kerker, doch du lebst; auf seinem Haupte wankt' die Kron':
Ich bringe dir den Seidenstrick; du weißt es, was der König will:
Nicht zittern will er fürderhin, bereite dich und dulde still;
Doch hast du einen letzten Wunsch, so bring' ich dessen Vollgewähr.«
Mit trübem Lächeln Abul spricht: »Zum Spiele saß ich eben her:
Das Spiel vollenden möcht ich gern. Weil alles Leben eitel Spiel,
So sei derselbe Augenblick des Spielens und des Lebens Ziel.«
»Dein Spiel so bringe das zum Schluß, wo du's vermagst, mit Seelenruh!
Dem Spieler dräut die Schlinge nicht; das schwör' ich beim Propheten zu.«
Zum Spiele wendet Abul sich, als hinge nicht sein Leben dran.
Und winket dem Genossen zu, von diesem wird ein Zug gethan.
Sie schauen sinnend auf das Brett und prüfen klug und prüfen lang
Und ziehen voll Besonnenheit; das Spiel geht seinen ernsten Gang.
Der Bote starret auf das Brett mit schlauem, regem Kennerblick,
Bewundert beider Spieler Kunst, nimmt Theil an Glück und Mißgeschick.
Der Fürst, sein Henker und sein Freund, ins Spiel versunken alle drei,
Sie achten's nicht, sie ahnen's nicht, wie Stund um Stunde rinnt vorbei.
Die Sonne steigt im Mittag hoch, sie wissen's nicht; sie geht zu Thal;
Sie spielen fort im Dämmerschein, sie spielen fort im Mondenstrahl.
Sie hören nicht den Cymbelklang, der, wie die ferne Brandung, braust,
Sie hören nicht den Jubelsang, der, wie der Sturmwind, näher saust.
Sie hören's nicht, wie mit Geschrei durchs Thor ein Menschenhaufe dringt.
Sie hören's nicht, wie Trepp' und Gang von Sporentritten wieder klingt.
Auf springt die Thür', sie hören's nicht. Es stürmt ein Ritterschwarm herein.
»Granada's König liegt im Sarg und Abul muß sein Erbe sein.
Dem neuen König Huld und Heil!« Der Ruf erfüllt das weite Haus.
Herr Abul wirft das Schachbrett um: »Der König matt! Das Spiel ist aus.«
Der Morgen kömmt mit blut'gem Schein,
Er kündet eine blut'ge That:
Das Urtheil soll vollstrecket sein,
Das nächtlich fand der Richter Rath.
Hart an Amboise's Thore ragt
Ein finster Mordgerüst empor;
Neugierig halb und halb verzagt
Umdrängt es rings der Menge Chor.
Schon treibt zurück des Volkes Schwall
Der Leibtrabanten ehrner Troß.
Der König und die Großen all',
Sie nah'n und halten hoch zu Roß.
Nun bringen sie der Opfer Schaar,
Wohl fünfzehn edle Junker, schaut! –
Gott tröste manches Elternpaar!
Gott tröste manche junge Braut!
Der Herold ruft: »Dem König Heil:
Verfallen ist um Hochverrath
Der Friedensbrecher Haupt dem Beil.
Den armen Seelen Gott genad'!«
Und Mann für Mann an seinem Seil
Der Henker schleppt auf's Hochgericht
Und zwinget ihn zum Block, derweil
Ein kurz Gebet der Pater spricht.
Und als der erste niederkniet.
Da seufzt er auf aus tiefster Brust:
»Wie jung mein Leben, ach! verblüht.
Und bot mir schier noch keine Lust!«
Der zweite weinte lang und laut:
»So muß dem Tod ich sein Genoß;
Und hofft' um Pfingsten meine Braut
Zu führen in mein lustig Schloß!«
Der Dritte mit gelass'nem Blick
Vom jungen Leben Abschied nahm:
»Mich reut mein blutiges Geschick
Nur wegen meiner Mutter Gram.«
»Ich achte nicht,« der Vierte sprach:
»Des grimmen Todes Nacht und Schmerz;
Doch um des Henkertodes Schmach
Zersprengt der Zorn das muth'ge Herz.«
Der Fünfte lächelt still vor sich:
»Gescheh' es denn nach Gottes Schluß;
Ob auf dem Feld, im Bette ich,
Ob auf dem Block ich enden muß.«
Der Sechste sprach: »Und muß es sein,
So sterb' ich als ein ächter Christ,
Und will dem Feinde gern verzeih'n
Die Bosheit und die Hinterlist.«
Der Nächste sprach: »Für welche That
Soll an den Todesblock ich knien?
Nach Pflichten mußt' ich als Soldat
Mit meinem Lehensherren zieh'n.«
Der Achte rief: »Ich bin Franzos
Und aus der Lotharinger Macht
Wollt' ringen ich mein Frankreich los;
Das hat mich an den Tod gebracht!« –
»Dem König wahrt' ich meine Treu'
Durch eines Aufruhrs Waffenthat,«
Der Neunte rief's: »Ihn wollt' ich frei
Und sah umgarnt ihn von Verrath.« –
»Und wenn des Königs Frevel bricht.
Des Landes gutes, altes Recht,«
So sprach der Zehnte: »ruft die Pflicht
Des Landes Bürger zum Gefecht.«
»Weil's für die Glaubensfreiheit galt,«
Der Eilfte rief, »das Seelenheil;
So troßt ich kühn der Herrschgewalt;
Was kümmert mich mein irdisch Theil?
»Eins ist mir,« – sprach der Zwölfte: »Leid!
Wir gaben uns auf Ehrenwort
Für unsrer Leiber Sicherheit:
Ein Fürstenmeineid stiftet Mord.«
Der Nächste sprach: »Mich ärgert nur.
Daß wir so gläubig dumm getraut.
Auf eines Höflings eitlen Schwur
Als auf ein Ritterwort gebaut!«
»Deß tröst ich mich,« der Nächste spricht.
»Wenn unser Werk auch untergeht;
Es bringt die Zeit das Weltgericht,
Wo Recht und Freiheit aufersteht,«
Der Letzte dann von Allen rief.
Das war der Herr von Castelnau:
»Wir haben eines Fürsten Brief;
Sagt, Herzog, ist es nicht also?
Als Schloß Noizai Euch widerstand.
Da botet Ihr die Seligkeit
Der eignen Seel' als Unterpfand
Für unsrer Leiber Sicherheit.
Mit Brief und Siegel treibt Ihr Spiel!
Vor Gott erheb' ich meine Klag'
Auf euer Pfand, das uns verfiel,
Und lad' Euch auf den dritten Tag.«
Der Herzog rief von seinem Roß:
»Mit Siegel und mit Unterschrift
Gewann ich Euch und euer Schloß,
Wofür mich deine Klage trifft.
Ich gab mein Wort in guten Treu'n
Auf Vollmacht seiner Majestät;
Und lebenslänglich soll's mich reu'n.
Daß Königswort der Wind verweht.
Der Kanzler hat mein Wort zerspellt;
Der Kanzler log dem König vor,
Daß nichtig sei vor Gott und Welt,
Was man den Hochverräthern schwor.
Die Ladung, die du mir gebracht,
Vor Gottes hohen Richtersitz,
Sie sei dem Kanzler übermacht:
Ihn treffe der Verdammung Blitz!«
Der Herzog schwieg. Es fiel das Beil;
Es fiel das Haupt des Castelnau.
Die Menge schrie: »Dem König Heil!«
Des Kanzlers Blut der Wang entfloh.
Er sank vom Roß in Pein und Noth;
Man trug ihn krank nach seinem Haus,
Und bei dem dritten Morgenroth
Da haucht' er seine Seele aus.
Weg die Akten für einmal!
Meine Arbeit kömmt ins Stocken,
Dein Geplätscher, Brunnenstrahl,
Will mich an das Fenster locken.
Wie das liebe Thal so weit
Meinem Blicke sich entfaltet,
In dem grünen Mattenkleid! –
Sonntagsabendstille waltet.
Dort des Hügels wald'ger Saum,
Dort der Jura, duftumschleiert.
In der Brust ein stiller Traum,
Der entschwund'ne Träume feiert.
Dort versteckt am Waldeshang
Muntre Aarenwellen schweifen.
Fern verrathen ihren Gang
Gluthgefärbte Silberstreifen.
Ueber Tag und über Jahr
Sollen rasche Dampfer schießen
Auf der unsichtbaren Aar',
Durch den grünen Plan der Wiesen.
Sonntagabendsstille dann
Flüchtet fort aus diesen Räumen,
Und gestöret ist fortan
Mein idyllisch süßes Träumen,
Du gefeierte Kultur!
Forderst du mein Herz zum Kampfe?
Doch ich schwärme für' Natur
Selber bei Cigarrendampfe.
Aus dem dumpfen Stubenleben
Floh ich auf die freien Höhen, –
Frei? Ja, wenn die Wolken flöhen.
Nun, das wird sich endlich geben.
Nebelbilder sah ich keine,
Aber Nebel, mehr als billig,
Und ich hoffe fromm und willig,
Daß zuletzt die Sonne scheine.
»Wer da hofft, der ist betrogen«,
Sagt ein Spruch, ein alter, wahrer,
»Dem zu trauen ist ein baarer
Unsinn, das einmal gelogen.«
Doch was frommen weise Lehren?
Und was nützen Wetterzeichen?
Weil sich doch die Hoffnungsreichen
Bitt'rer Wahrheit stets erwehren.
Nicht die Hoffenden getadelt!
Denn wie schaal ist alles Leben,
Alles Dichten, Trachten, Streben,
Wenn es nicht die Hoffnung adelt.
Sagt, was drängt durch Jolkos Gassen sich die Menge, Hauf' an Hauf'?
Sieh, ein Weib in ihrer Mitte hebt ein Bild zum Himmel auf,
Und sie spricht Orakelsprüche, heulet ein Prophetenlied,
Wie die Göttin aus dem Norden zu dem Silberstrande schied,
Fern von Kolchos Nebeltriften zu dem schönen Jolkosstrand,
Artemis mit ihrem Füllhorn, Segenbringerin dem Land. –
Und die Menge hört's begeistert, Jubelruf die Luft erfüllt;
Hymnen schallen, Blumenkränze regnen duftend auf das Bild!
Und das Volk vom Volke fordert für die Göttin Götterehre,
Will ihr Hekatomben schlachten, bauen Tempel und Altäre. –
Schleunig trägt der Ruf die Kunde zu des Königs Ohren hin.
Der alsbald vor sich berufen läßt die fremde Priesterin.
Lange wallende Gewande hüll'n der Seherin Gestalt,
Zitternd und gebückt sie schreitet, sieben Menschenalter alt;
Runzeln ohne Zahl bedecken ihr beeistes Angesicht,
Draus in ernsten Flammen funkelt dunkelblauer Augen Licht;
Ueppig, wie in Jugendfülle, doch gebleicht wie Hämus Haupt,
Das, beschneit auf Haine schauet, die der Wettersturm entlaubt,
Quillt das Haar von ihrem Scheitel, durch die Lüfte wild zerstreut.
Pelias neiget sich in Ehrfurcht, als ein Mann, der Götter scheut,
Da die Seherin der Göttin wundersames Ebenbild
Ihm entgegenhielt, des Reiches künft'gen Hort und Zauberschild!
Alles unbescheid'ne Fragen auf der Zunge ihm erstarb,
Und der Artemis Gesandte ihre hohe Botschaft warb.
Heiser, wie aus Grabestiefen, tönte ihrer Stimme Laut:
»Heil dir, Pelias! Gebieter! den der Himmel gnädig schaut!
Du, auf dessen Haupt vor Allen höchste Gunst die Göttin häuft.
Die, geschürzt mit Pfeil und Bogen, jagend durch die Wälder schweift.
Von der Scythen rohen Bräuchen, von der Menschenopfer Graus
Hat sie sich im Zorn gewendet, und verläßt ihr altes Haus,
Und ihr Heiligthum hinfürder übergibt sie deiner Macht,
Daß die Reiche der Barbaren kommen in der Griechen Macht.
Doch vor allen Griechensöhnen fiel ihr Aug' auf dich, o Held,
Hat zu ihrem hohen Liebling, ihrem Streiter dich bestellt.
Aber mich hat sie gesendet mit dem herrlichen Gebot,
Von dem Freunde abzuwenden Altersschwäche, nahen Tod.
Denn in neuen Jugendreizen soll dein alter Leib erblühn,
Jugendkraft und Feuer sollen in des Greises Adern glühn.
Daß ich Glauben bei dir finde, geb' ich dir der Zeichen drei.
Meine Sendung zu bekunden, Artemis! herbei! herbei!« –
Und sie hat das Wort gesprochen, hat geschwenkt den Zauberstab:
Sieh, da senket schwarz und schwärzer sich die Wolkennacht herab;
Und es heult ein seltsam Stöhnen nieder aus den höchsten Lüften,
Hohle Antwort braust entgegen aus der Erde tiefsten Klüften.
Und es rauschen auf dem Meere Riesenwellen fessellos;
Blitze sprühen, Donner hallen in das wilde Sturmgetos.
Selbst der Erde Tingeweide bersten in furchtbarem Kampf;
Aus den meilenweiten Schlünden wirbeln Flammen auf mit Dampf,
Wälder fallen. Berge stürzen von der unterird'schen Macht;
Wundersame Schreckgestalten schleichen ächzend durch die Nacht:
Durch der Elemente Toben schlägt ihr Wimmern an das Ohr;
Aber aus entlegnen Forsten schallt's wie Hundgeheul hervor.
Und die Priesterin gebietet: da zerreißt der Wolken Zelt.
Und des Mondes bleiches Antlitz grinst auf die zerstörte Welt.
In dem blut'gen Zauberlichte wird der Schrecken offenbar:
Larven schwanken, schweifen, schleichen, Hekate's Gespensterschaar.
Nah und näher jagt die Meute, heulend bricht sie aus dem Tann:
Rasch gezogen von der Drachen flammenschnaubendem Gespann,
Rauscht hernieder durch die Lüfte in des Orkus düstrer Pracht
Artemis in ihrem Wagen als Gebieterin der Nacht.
Daß sie von der Gottheit Nähe nicht zermalmt, verzehret werde.
Stürzt die Menge mit dem König voll Andachtsgraun zur Erde.
Als sie sich nach langem Zagen endlich wiederum erhoben.
Sind die Wunder und die Schrecken in die leichte Luft zerstoben.
Und die Sonne leuchtet wieder an dem Himmel rein und klar;
Seine Blüthen treibt der Frühling, wo noch kaum Zerstörung war. –
Und nun redet zu dem König der Prophetin weiser Mund:
»Ward dir, König, meine Sendung und die Macht der Göttin kund,
Lerne nun der Göttin Milde, lerne der Verheißung trau'n,
Wenn du meinen welken, greisen Leib verjünget wirst erschau'n.
Schließ in deines Königshauses heimlichstes Gemach mich ein,
Und ein Bad laß mir bereiten, reich gewürzt mit Spezerei'n,
Wonnig duftend, die der Schiffer hergeholt vom fernsten Meer:
Zauberkräuter, Zaubersegen bring ich selber mit mir her.
Harret an des Hauses Schwelle eine kurze Stunde lang,
Daß nicht euer Ohr vernehme meines Zaubers Weihgesang.«
Alles ward, was sie befohlen, flugs gethan nach ihrem Wort.
Die Prophetin schließet ein sich am geheimnißvollen Ort:
Welchen Spruch sie da gesprochen, keiner Seele ward es kund.
Doch als sie herausgegangen wieder kam in kurzer Stund,
Will der König mit dem Volke kaum den eignen Augen trau'n,
Weil sie statt der alten Gäa Hebe's Jugendreize schau'n.
Statt der tiefgebückten Greisin eine Jungfrau hoch und hold.
Statt des Winterschnee's der Locken ein Geflecht von Sonnengold,
Statt der eingeschrumpften Wangen und der Runzeln ohne Zahl
Ein Gesicht, das wohl den Donnrer niederzog vom Göttermahl,
Leuchtend wie der Schnee der Firnen, wenn ihn küßt der Abendglanz,
Statt der eklen, fahlen Farbe, gleich dem abgewelkten Kranz;
Auch der Stimme Rabenkrächzen ist verkehrt in süßen Laut.
Also kommt sie angeschritten in dem Festgewand der Braut,
Und der König ruft begeistert: »Laß dein drittes Zeichen, Weib!
Dieser Wunderanblick g'nüget, zu verjüngen meinen Leib.« –
»Glaubst du, König«, spricht die Jungfrau, »an des Bades Zauberkraft,
Folge mir zu deinen Hallen, trinke diesen Wundersaft,
Daß ein schönrer Grabesschlummer hülle deine Sinne ein.
Wenn du wiederum erwachest, wird das Werk vollendet sein!
Und ihr, Königstöchter, eilet! macht des Vaters Bad zurecht!
Denn es ziemet nicht zu leisten also hohen Dienst dem Knecht!«
Von der Königstöchter Händen wird das Bad zurecht gemacht;
Und der König hat getrunken; schwer umfängt ihn Schlafes Nacht.
»Holet Beile, Königskinder! Daß das Zauberwerk uns glücke,
Und verjünget er erstehe, haut den morschen Leib in Stücke!«
Vor dem gräßlichen Befehle steh'n sie zaudernd und entsetzt.
»Fluch dem Kinde«, ruft Alkastis, »welches Vaters Haupt verletzt!
Nimmermehr, du blut'ge Göttin, wie es auch das Schicksal wende,
Legt Alkastis hier an Diesen frevelhaft unheil'ge Hände!«
»Warum bebet ihr?« ruft Jene; »durftet ihr nicht Zeichen schauen?
Schenkt ihr göttlicher Verheißung ein so ärmliches Vertrauen?
Daß ein neues, frisches Leben jugendkräftig sich gestalte,
Muß mit allen Schwächen, allen Keimen erst vergehn das alte.
Eure Zweifel zu besiegen, nehmt mein drittes Zeichen wahr:
Bringt aus allen euern Heerden schnell den ältsten Bock mir dar.
Seine Glieder sei'n zerstückelt in das Zauberbad gestreut;
Und dann trauet, wenn ihr sehet, wie das Thierlein sich erneut.«
Dem Prophetenwort vertrauend nun die Königstöchter eilen,
Selbst den ältsten Bock zu holen und in Stücke zu zertheilen.
Doch mit seltsamen Gebärden und mit fremder Worte Banne
Weiht die Priesterin das Wasser, weihet auch die Badewanne,
Drinn sie dann des Thieres Stücke alle sorgsam niederlegt,
Drob mit wunderbarem Murmeln kräuselnd sich die Fluth bewegt.
Und es zischelt, und es brodelt, steiget dichter Qualm empor;
Aber munter aus der Wolke springt ein junges Böcklein vor.
Rasend heben sie die Beile in des tollen Wahnsinns Wuth;
Von der Kinderhände Streichen fließt des Vaters heil'ges Blut.
Jede hofft, je mehr verstümmle sie des alten Mannes Leib,
Desto frischer sei die Jugend, die verhieß das Zauberweib.
Von den Schwestern allen hält nur rein Alkastis ihre Hand.
Sieh! mit wildem Jubel reißet vom Altar den Opferbrand
Die Prophetin, und begeistert stürmt die Treppen sie hinan
Zu des Hauses freiem Giebel, steht auf ragendem Altan.
Alle hoffen Segensworte: aber sie in tiefer Brust
Rüstet diesem Hause Jammer, labt sich an der Rache Lust;
Mit erhobnem Arme schwinget sie der Fackel lichte Gluth:
Schau! wie durch zerrissne Küsten Pontes unbezähmte Fluth,
Sieht man Schaaren fremder Krieger, scharf bewehrt mit Speer und
Klingen,
In die Stadt, ins Haus des Königs durch gesprengte Thore dringen.
»Kennt ihr diese? Durch die Nacht her rief sie meiner Fackel Schein!
Kennt ihr sie? Es führet Jason sie, mein Bräutigam herein!
Kennt ihr mich? Ich bin Medea! Auf! zu ihm! zur Brautnachtfeier!
Bin Medea, Jasons Gattin! Rache bring' ich ihm zur Steuer!
Der sein Reich ihm hat gestohlen, seine Krone hat getragen,
Der ihm Vater, Mutter, Brüder, mit verruchter Hand erschlagen.
Ja ihn selbst zu Tod und Schande hat geschickt zum fernen Strand,
Pelias liegt hier zerfleischet von der eignen Töchter Hand!
Herrlich hat gewirkt mein Zauber! Lernt Medea's Rache kennen!
Ewig, Vatermörderinnen! wird euch eitle Reue brennen!
Wer die Feinde nur am Leben strafet, ist ein schwacher Thor!
Gift für Seelen, Herzensnattern zieh ich eurem Blute vor!«
Also ruft sie triumphirend, wirft sich an die Brust des Gatten;
Aber trüb am Himmel hüllet sich der Mond in Wolkenschatten.