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Blumenlese – Zweiter Band
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F. v. Tschudi

Vierzeilen

1.

Es hat der Mensch nach Wahrheit stets begehrt;
Wir haben einen Arm und auch ein Schwert –
Zum Kampfe denn! Du siegest oder fällst,
Es ist ein Menschenleben wenig werth.

2.

Es wohnt im Herzen der Völker ein guter Geist,
Vielfältig zwar, doch sucht er ein Ziel zumeist.
Des Kompaß' buntes Scheibchen, du kannst es drehn,
Indeß die Nadel ewig nach Norden weist.

3.

Zum Verwundern hört man singen manchen Herrn von Weltschmerz nur;
Denn dem kranken Geist der Hörer, weiß man wohl, gefällt Schmerz nur.
Spaßhaft nennen Weltschmerz sie's, weil aller Welt sie schuldig sind,
Und der Schmerz, den sie versingen, ist ein jäher Geldschmerz nur.

4.

Den Klang der Seele versteht kein ödes Gemüth,
Den Schwung des Geistes verfolgt kein blödes Gemüth,
Wenn dich der Grazien Anmuth freundlich erquickt,
Sieht schöne Jungfern nur ein schnödes Gemüth.

5.

Wofür der Mensch die kalten Schwerter wetzt – ist's Glück?
Was eine ruhmesgier'ge Seele letzt – ist's Glück?
Und wenn im Seelenkampf das Auge schmerzlich flammt,
Und über Nacht ein bittrer Thau es netzt – ist's Glück?

6.

Fühlen und Erkennen.

In deiner Hütte ist's, in deinem Thal so traulich warm,
Der Erde Mutterbrust, der Sonne Strahl so traulich warm.
Du steigst hinan zum hohen Bergeshaupt, der Blick ist frei,
Doch ist dirs in dem Aether deiner Wahl so traulich warm?

7.

Mit des Geistes Hammer unerweicht
Brichst des Lebens Formen du so leicht;
Aber sieh, ob nicht aus deinem Geist
Mit der Form das Leben auch entweicht?

8.

Laß vergehen, was sich nicht mag halten,
Laß im Froste das Gefild erkalten;
Ruht in ihm des Lebens ächter Same,
Wird er sich zum Frühling neu gestalten.

9.

Du glaubst an deines Zieles Werth und Reinheit,
Und strebst ihm muthig zu mit Kraft und Einheit –
Allein wie ziemt's, die Königsbraut zu freien
Im schmutzigen Gewande der Gemeinheit?

Ohne Trost

Was sinnest du, was weinest du?
Was ist dein Aug' so trüb?
Der Vogel wiegt auf dem Zweig sich in Ruh,
Er singt dir so heiter – o höre ihm zu, –
Dein Auge, was ist es so trüb?

O sieh mein Herz voll Maienlust,
Was ist dein Herz so trüb?
Inmitten des schönen Lebens du ruhst,
O öffne ihm deine bange Brust,
Dein Herz so schwer und trüb.

Das Licht ist blau, die Welt ist weit,
Was ist dein Sinnen so trüb?
Durch Wolken scheinet die Sonne zur Zeit,
Das Ewige hüllt sich ins irdische Kleid –
Was ist dein Denken so trüb?

»Die Welt ist weit, das Licht ist klar,
Doch ist mein Denken trüb.
Was ewiglich ist und ewiglich war,
Wann wird es dem Menschen offenbar?
Drum ist mein Sinnen trüb.

Hab' Acht zu deinen Blumen im Mai!
Mein Herz, mein Herz ist trüb.
Es kommt ein Frost, sie sind vorbei,
O Blumen meines Lebens, vorbei!
Drum ist mein Herz so trüb.

Der Vogel singt, es schwankt der Ast!
Mir ist das Auge trüb.
Ich schwanke, ein Schifflein sonder Mast,
Habe Blumen gesucht und Dornen erfaßt –
Deß ist mein Auge trüb.


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