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Blumenlese – Zweiter Band
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Edmund Dorer

Wahres Eigen

Die Liebe däucht uns arm nach äußerm Schein,
Doch liegt in ihr des Reichthums Schatz verborgen;
So taucht aus bleicher Luft der goldne Morgen,
So ruht in dürft'gem Grund der Edelstein.

Nur, was du liebest, nennst mit Recht du dein!
Was Denken dir errang, was dir in Sorgen
Der Arm erschafft, hat dir Natur geborgen,
Das wird Besitz, nicht Eigenthum dir sein.

Was du gedacht, das magst du schätzbar finden;
Was du erwarbst, das magst du froh empfinden;
Doch was du liebst, das kannst du überwinden.

Und was du liebst, muß ganz sich dir ergeben,
Es waltet fort und fort in deinem Leben,
Wie Sonnengluth und Feuersaft der Reben.

Nähe und Ferne

Vergleiche ich, was ich von dir gedichtet,
Mit deiner Anmuth, deiner holden Nähe,
Scheints mir, als ob ein leichter Hauch verwehe
Des Liedes Leben, das von dir berichtet.

Von deiner Schönheit wird mein Licht gerichtet.
Und keine Kunst verhindert, wie ich sehe,
Daß ihm es besser, als dem Monde gehe,
Den stets der Sonne nahender Strahl vernichtet.

Doch wie der Mond, dem ich das Lied verglich,
In Klarheit leuchtet, wenn in Westes Dunkeln
Die Tageskönigin in Schlummer ruht,

So scheint's mir, hält die finstre Ferne mich
Von dir getrennt, das blasse Licht zu funkeln,
Es glänzt in ihm ein Strahl von deiner Gluth.

Dezember

Es herrscht Dezember wolkenfeucht und rauh;
In Nebelschleiern, die sich rings ergossen,
Liegt jetzt der Schöpfung bunter Schein verschlossen;
Das Auge kränkelt in dem Nebelgrau.

Entbehrt der Blick des Himmels süßes Blau,
Verlangt er nach den glühenden Geschossen
Des Frühlings, ihren blühenden Genossen,
Und was sie beide stärkt, dem Morgenthau.

Doch wenn mein Blick in deinem ruhen könnte,
In dem er lebt, wie in der Lüfte Fächeln
Die Brust, er würde nicht in Sehnsucht glühen.

Wenn Solches ihm die Huld des Schicksals gönnte,
Vermißte willig er der Sonne Lächeln
Und was ihm Antwort gibt, der Erde Blühen.

Metamorphose

Der Sterne Reich, die irdischen Gefilde
Beherrschte einst der Märchengeist; als Blüthe,
Als Stern verschied das Herz, das schmerzlich glühte,
Zum Menschen ward der Rose Duftgebilde.

Des Märchenschicksals launigbunte Milde
Hegt noch Natur im innersten Gemüthe,
Die Wunder einer längst verklungnen Mythe
Erblickt die Gegenwart in klarem Bilde.

Der Sehnsucht Macht entfesselt von den Schranken;
Des Staubs Genosse wird vom Strahl sich trennen,
Bald ruht der Schmetterling im Duft der Rosen.

Zum Liede werden liebende Gedanken,
Das Lied verstummt im Kuß, daß wir erkennen
Der Liebe liebliche Metamorphosen.

Geist und Herz

Bald schwebt der Geist mit kühnen Adlersschwingen
In der Gestirne Reich, dem heiterschönen,
Und lauscht im Sphärenkreis den reinen Tönen,
Die auf den goldnen Bahnen wiederklingen.

Bald strebt er, in der Erde Schacht zu dringen,
Denn gleich der Küste muthigstolzen Söhnen
Taucht er ins Meer, mag auch der Abgrund dröhnen,
Um auf dem Grund die Perle zu erringen.

Doch eitel bleibt das Streben der Gedanken;
Dem Geiste steht die Hoffnung ewig ferne,
Des Friedens feste Eiche zu umranken.

Das Herz weiß besser, sich der Welt zu fügen;
Die Perlen und die Sterne mißt es gerne,
Da ihm ein Lächeln und ein Blick genügen.

Blumensprache

Da Worte mir gewohnten Dienst versagen,
So will ich mit den Blumen mich verbünden;
Sie mögen, was ich fühle, dir verkünden,
Und den Gedanken sinnig übertragen.

Und solltest du die stummen Blumen fragen,
Wirst du im Duft die stille Antwort finden:
Die Blumen lassen unsern Geist empfinden,
Was nie die Worte zu erfassen wagen.

Da sich das schwache Wort vergebens mühte,
Zu schildern, was das Innerste entglühte,
So ward zur Sprache uns der Blumen Blüthe.

Die Blume spricht dem Schweigenden zum Horte,
Für Liebe, Schmerz und Freude hat sie Worte,
Und sie verstummt nicht an des Todes Pforte.

Der Blumen Streit

Ich lauschte in des Abends Dämmerungen.
Die Nelke sagte: »Blumen, huldigt mir!
Ich bin der Schönheit auserwählte Zier,
Hat sie des Geistes Sonnenglanz durchdrungen.«

Und die Granate hat mit ihr gerungen:
»Ihr Schwestern, zügelt eure Herrschergier;
Erglänze ich nicht strahlender als ihr?
Ich bin dem Licht am leuchtendsten entsprungen.«

»Wer ringt mit mir?« – die stolze Rose sprach –
Ich prange als die königliche Blume,
Und als Vasallen dient ihr meinem Ruhme!«

Ich hörte still der Blumen Streit und brach
Die Hadernden für dich. Was sie entzweite.
Vergaßen bald sie, da ich dir sie weihte.

Wellen und Gedanken

Beglückte Nacht! Ich wandle jetzt allein
Am Strand des See's; es flüstern nur die Wellen,
Kein Lärm kann sich dem sanften Ton gesellen,
Und in der holden Stille denk' ich dein.

Klar strahlt des Mondes lichter Widerschein
Im Spiel der Fluth; die leisen Wogen schwellen;
Sie drängen sehnend sich zum Licht, dem hellen,
Um Spiegel seiner milden Gluth zu sein.

Und wie die Wellen ohne Ruhe beben,
Um in des Mondes Abglanz hold zu prangen,
Und in dem Schimmer seines Lichts zu weben,
So wogen die Gedanken mir und streben,
Um deiner Schönheit Strahlen zu empfangen,
Da sie von dir verklärt zu sein verlangen.

Gelöbniß

Wenn in dem Osten Sonnenstrahlen siegen,
Begeistert ihre Gluth den Edelaar;
Er rauscht empor mit kräftigem Schwingenpaar,
Um in dem Gold des Aethers sich zu wiegen.

Der Staub indeß bleibt in der Tiefe liegen,
Erscheint des Tages Wonne noch so klar;
Er trübt mit häm'scher Freude liebebaar
Die Strahlen, die zur Erde leuchtend fliegen.

Siehst du, o Geist, der Schönheit Sonne funkeln,
Gelobe, nie dem niedern Staub zu gleichen,
Der tückisch strebt, das Höh're zu verdunkeln.

Und kannst du nicht dem Aare gleich begehren,
Das Schöne liebend, Höchstes' zu erreichen,
Bleibt dir das Glück, das Hohe zu verehren.

Des Traumes Glück

Zum Traume verwandelt Phantasie das Leben,
Doch dieses Traumes Traum beglückt die Minne;
Und ob der Traum im Neid des Lichts zerrinne,
Wer sehnt sich nicht nach seiner Huld zu streben?

Des Traumes Schwingen mögen mich umschweben,
Daß ich durch seine Gunst mir Glück gewinne;
Der süße Mohn umfange meine Sinne,
Und luft'gen Bildern sei mein Geist ergeben.

Ein wahrer Schlummer ist des Menschen Loos,
Und Keiner wand, wie Mancher sich auch möchte,
Von der Gewalt der Dämmerung sich los.

Doch reiht zur Wahrheitsfrucht des Traumes Blüthe
Und dauert fort, wenn in der Urne Schooß
Der Aschenstaub des kurzen Traums verglühte.


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