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Dem Sieger auf dem Schlachtgefilde,
Der Tausende dem Tod geweiht,
Ist in dem hehren Marmorbilde
Ein ewig Denkmal schnell bereit.
Doch du, o Schweiz, hast deiner Ahnen,
Die bestes Leben dir gebracht,
Die einst gekämpft auf edlern Bahnen,
In keinem Denkstein noch gedacht.
Und den verwegensten Tyrannen,
Die, jede Missethat im Sold,
Sich Macht und Kronen einst gewannen,
Belegt die Gräber man mit Gold.
Doch jene Helden ohne Gleichen,
Die dir gepflückt den Freiheitskranz,
Begrubest, Schweiz, du ohne Zeichen,
Begrubst du ohne Sang und Glanz.
Wo niederschlug die Schicksalsruthe,
Da steht ein golden Monument;
Die Orte roth von Völkerblute
An stolzen Malen man erkennt.
Doch unsrer Freiheit heil'ge Wiege,
Des Rütlis einsam stille Flur,
Der Ort des Edelsten der Siege,
Trägt nur den Zierrath der Natur.
Da stehen keine Marmortempel,
Da strahlet kein vergoldet Erz;
Die Kunst schlug ihre schönen Stempel
Nicht auf des Schweizerlandes Herz.
Dort sieht man statt der Edelsteine
Ein Kalkgebirge wettergrau;
Nur Tannen sprossen in dem Haine,
Nur Moos gedeihet auf der Au.
Und würde nicht im Kleid der Sage
Die Freiheit singen immerdar
Von jenem gottgeschenkten Tage,
Von jenem Ort, der sie gebar;
Man fände nimmer diese Erde,
Die einst die Ahnen eingeweiht
Zu einem ewig warmen Heerde
Des Glückes für die fernste Zeit.
Frisch auf, mein Volk! erricht' ein Zeichen,
Ein Denkmal für den Rütlibund!
Laß deine Tage nicht verstreichen, –
Frisch auf, voran! – und leg' den Grund,
Und laß ein Denkmal sich erheben,
Wie es der Heldenväter werth,
Ein Denkmal für das höchste Streben,
Ein Denkmal für das beste Schwert!
Doch lasse nicht von kalten Meistern
Entwerfen einen öden Plan!
Den besterfahrnen von den Meistern,
Bewährte Weisheit frage an!
Geh zu dem Geiste der Geschichte,
Und seine Stimme frag um Rath,
Wie man das Monument errichte
Für deiner Ahnen beste That.
s' ist mir, als ob aus weiten Fernen
Ich höre einen ernsten Mund,
Als klang herab von hohen Sternen
Ein Wort zum tiefen Erdengrund:
»Ein Denkmal willst du nun errichten
O Schweizervolk, dem Rütlischwur?
Willst Gold und Erz auf Marmor schichten
Auf allberühmter Wiesenflur? –
Laß ab von Steinen und von Erzen,
Hast ja der Felsen schon genug!
Verewigt man die warmen Herzen
Durch hart Gesteine denn mit Fug? –
Der Felsenbrust, die, nie erweichet,
Dem Volke Stein statt Nahrung bot,
Der sei ein Opfer dargereichet
Von starrem Marmor, wenn sie todt.
Doch jenen Männern, deren Sinnen
Nur Opfer, Lieb und Treue war,
Die, Völkersegen zu gewinnen,
Sich weihten jeglicher Gefahr;
Doch jenen Männern, deren Streben
Von jeder schnöden Selbstsucht rein,
Die ausgeschenkt das beste Leben,
Den ewig milden Freiheitswein:
Doch jenen Männern sollst vergelten
Das Gleiche mit dem Gleichen du!
Und glänzen soll vor allen Welten
Die Wiese an der Alpenfluh,
Weil dort ein Denkmal sich erhebet,
Das nach der Wahrheit und mit Recht
Empor zum Sterngefilde strebet,
Empor zum himmlischen Geschlecht.
Bring deine Herzen statt der Steine,
Helvetia, für's Monument,
Und jene Treue, jene reine,
Die in den Herzen lebt und brennt,
Soll diese Herzen dann vereinen;
Es soll der Liebe Flammenwort
In goldner Inschrift dann erscheinen,
Und strahlen weit von Ort zu Ort.
Willst du vernichten altes Hassen,
Vergessen all die Zänkerei;
Willst du der Liebe Geist erfassen,
Zur Eintracht stehen fromm und frei;
Willst du die Hand zusammenlegen
Zu einem neuen Bruderschwur:
So ruht fürwahr ein neuer Segen
Auf unsrer schönen Alpenflur.
Der Fremdling, dem mit Sonnenschimmer
Entgegenblickt dieß Monument,
Der Fremdling frägt dann wahrlich nimmer,
Welch Ufer man das Rütli nennt;
Er rufet: Wo in solchem Bunde
Ein frommes Volk zusammenhält,
Da kam in gottgeweihter Stunde,
Da kam die Freiheit zu der Welt.«