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Blumenlese – Zweiter Band
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Philipp David

Der grüne Prinz

»Verehrte Herren, allzumal,
Aus meinem Reich versammelt,
Der Römer schäumt und der Pokal
Und manche Zunge stammelt;
So sage Einer frei heraus,
Warum – wenn ich spaziere –
Das Volk bricht stets in Lachen aus?
So daß ich mich geniere!«

Da sehen sich betroffen um
Die Herrn aus den Provinzen,
Sie wissen alle wohl warum
Man lächelt ob dem Prinzen.
Der Prinz, sonst ganz ein guter Mann,
Hat eben einen Fehler,
Er hat halt einen Mackel an,
Deß sind sie alle Hehler.

»Frisch auf, ihr Herr'n, ich zürn es nicht,
Am wenigsten beim Weine,
Gebt Antwort frisch mir in's Gesicht,
Sei's, was es woll' für Eine!«
So fährt er fort, der –ne Prinz,
Doch keiner thät sich regen,
Nur stumme Marmorstatuen sind's,
Kein Mund will sich bewegen.

Am End' fängt Einer an und läßt
Der Zunge freien Zügel:
»Herr Prinz, es wäre wohl das Best',
Ihr säht in einen Spiegel.«
Doch Spiegel sind nicht in der Näh'
Weil einst aus guten Gründen,
Damit Er nie sich drinnen säh'.
Man alle ließ verschwinden.

Ein Zweiter spricht: »Bös ist die Welt,
Wie sonst, so hier zu Lande,
Indem sie Das für schimpflich hält,
Was weiter keine Schande;
Im Gegentheil, es leuchtet ja,
Hoffnung aus Dero Zügen ...«
Doch da der Prinz just an ihn sah,
So hat der Mann geschwiegen.

Ein Dritter sprach nur: »Hoher Herr,«
Da war sein Spruch zu Ende;
Ein Vierter sagt' auch nicht viel mehr,
Rieb sich nur scheu die Hände,
Ein Fünfter fing beherzt wohl an,
Da fuhr ihm drein der Sechste,
Am End' lag Aller Zung in Bann,
Als wären sie Behexte.

Jetzt fährt der Prinz gewaltig auf:
»Ihr Herrn, ich meine Jeden,
Was stocket Eurer Zunge Lauf?
Nicht schweigen sollt Ihr – reden!
Heiß ich Euch schweigen – so seid still,
Ihr wißt, daß ich nicht spaße,
Jetzt aber redet, weil ich will,
Ansonst ich Euch entlasse.

Das wurmt die Herrn, sie fürchten sich
Vor ihres Herren Grimme,
Und endlich Einer kräftiglich
Ruft mit beherzter Stimme:
»Ja, Hoheit, wenn Ihr's doch verlangt
Und alle schweigen – diese,
So wißt, daß Dero Antlitz prangt
Grasgrün wie eine Wiese!«

Es stutzt der Prinz, es that ihm weh;
Das war ihm sonst verborgen,
Sein Zorn flammt auf, steigt in die Höh',
Wie ein Gewitter-Morgen,
Und plötzlich greift er nach dem Schwert,
Den Frevler zu bestrafen,
Als grell ein Blitz herniederfährt
Durch alle Herrn und Grafen.

Vom Donnerschlag erbebt das Haus,
Es zittern, beben Alle;
Wo will das hin? Wie geht das aus?
Da mit Posaunenschalle
Ruft eine Stimme: »Sehet hin,
Der Zauber ist gebrochen,
Weil Einer mit beherztem Sinn,
Die Wahrheit hat gesprochen!
«

Was weiter folgt' in jenem Saal,
Ward uns nicht aufgeschrieben,
Wir können höchstens die Moral
Daraus ziehn nach Belieben:
Manch böser Zauber fiel zur Stund',
Wie einst in jenen Tagen,
Wenn man den Fürsten nett und rund
Die Wahrheit dürfte sagen!

Die Gschicht vom Wilhelm Tell

Von einem beliebigen Schulmeister seinen Jungen erzählt

So ungefähr sagt es der Schiller auch
Ein wenig nur mit andern Worten.

Wo sie mer bliebe in der letschte Stund?
I frage n Alli zemme in der Rund,
Wo si mer bliebe? He, gänd Antwort schnell?
»Bim Wilhelm Tell.« – Jo, jo bim Wilhelm Tell.
Das hend Er bhalte, doch jetzt saget no,
Was het dä Wilhelm Tell de gmacht? Was hei er do?
»Er het, er het ....« Was het er denn? I g'sieh
Do isch's mit eurer Gschidheit scho vorbi,
Ihr wüßet nüd, – – – doch wartet nur, i will
Die G'schicht jetzt wieder afo, sied gäng still.

Im Urnerländli isch vor viele Johre
En Landvogt gsi e so mit rothe Hore
As wie 'n e Judas und e Mönsch derbi,
Dä gschunde hat ufs Aergsti Groß und Chli,
Und alli Hochmuet gha het in sim Kropf,
Und Alles isch nur gange no sim Kopf.
Es Mol do stellt er au en Stange 'n uf,
Und setzt e 'n alte Huet no obe druf
Und sait: Es sig denn Jederma so guet,
Dä dure got, und lüpf' dervor si Huet!

Jetz frogi all mini liebe Kind,
Isch so n e Mönsch nit dümmer as es Rind?
Sisch fast unglaubli, dennoch isch's passiert,
So wie n üs Tschudy's Chronik refe–ri–ziert.
Und was das Aergst' isch gsi bi dem Sgandal,
Die dure sind, die händ' si bukt fast All.

Do zletscht kunnt aber au e rechte Ma,
Der Wilhelm Tell, und luegt di Dummheit a,
Und zue sim Bübli sait er kurz und gut:
»Dä ka mir gstohle wärde mit sim Huet,«
Und got verbi; do kömme zwee Schnurrante
Oder, wie me sie denn eigentli heißt »Krabante«,
Und packet uf der Stell
Dä Wilhelm Tell.
Und grad so trifft si 's daß zur säbe Stund
Dä Landvogt Gäßler mit sim Gsindel chunt,
Und frogt, was got? do heißt es denn: »Dä Ma
Het vor dem Huet dert der Despekt nit gha.«
»So!« sait der Gäßler: »So, isch das e so.
Dä Ma, dä soll sie rechti Strof biko.«
Und will er grad si Pfil und Armbrust bi si trait,
So hat dä Gäßler also zu n em gsait:
»Wilhelm Tell
Du trutzige Ribell
Gält, das isch dert woll dis liebstes King,
Gang, schieß em der Aepfel ab em Gring.«
Nai, sait der Tell, i bi n e gute Schitz,
Doch so n e Schutz, das wär e schlechte Witz.
Lönd 's lieber si, und stecket denn mi i.
Nai, sait der Gäßler, grad jetz mues es si,
Und will du mir denn gar no wöttisch trutze
So schieß nur jetz gli dur dä Aepfelbutze.« –

Doch, halt i glaub, dert gsieh i Ein im Schnuf,
Wart nur, du Galgenstrick, di weck i uf.
Do hesch de Eini, gäll de hesch si gspiert – –Da alles wird denn natürlich abgespielt, hernach ...

Doch halt; jetz bin n i scho wieder in der Gschicht verirrt. – –

He jo, der Tell, dä schießt, und trifft denn grad
Der Aepfel mitte durch ganz akurat
Und alles schreit denn scho bravissimo,
Do isch denn au der Gäßler häre ko
Und sait: »Der Schuß isch guet, doch ha n i gseh
Du hesch dert no e Pfil in dim Schileh
Me brucht zu aim Schuß ai Pfil und nit zwee.
Do sait der Tell, und bsinnt si au nit lang:
»Das isch e so der Bruch, me nennt's Gommang«.
»Nai,« sait der Gäßler, »Säll isch denn nit wohr,
Gib Antwort, Tell, es isch derbi kai Gfohr.« –
Do sait der Tell denn frei und unschenirt:
»He, wenn Ihr d' Antwort mir denn permittirt,
So wüßet: Wenn i troffe hätt mis King,
So stäck dä zweiti Pfil Euch längs im Gring,«
Der Gäßler, dä macht Auge, wie n e Türk,
»Tell, Tell, gib Acht, daß i di nit verwürg?«
Ich dank dir für di fruendlichi Belehrung,
Doch will i di zuer witere Bekehrung
Jetz lasse uf mi Bundesfestung bringe,
Wo Frösch und Krotte dir dis Nachtlied singe.

»Krabante paked a!«
Und so wird denn dä Biderma
An Hand und Füße bunde, und derno
Do händs e mit si in es Schiffli gno,
und fahre mit em furt –

doch halt i mueß jetzt denn e Prise neh
Es darf jetz woll e Mol e kleine Pause gscheh– – Schnupft mit Grazie, nachher fährt er fort ...
– Was hani zletschte gsait? – – sie fahre furt,
Jo, jo sie fahre n also mit em furt. –
Do aber chunnt e Sturm, schlot alli Welle uf
Und Alli strecket d' Händ zuem Himmel uf,
Und schreie: »Mutter Gottis hilf.«– – Jo, jo,
Dem Lumpegsindel sott sie helfe no.
Der Donner und der Blitz, die brüle nur viel meh
Und Alli denke, s' wär scho um si gscheh;
Do sait zletscht Ein: der Tell, das wär der Ma,
Der uns alleinzig jetz no helfe ka.
Ma bind't e los, und denn mit starker Hand
Führt er das Schiff bis noch derzu ans Land,
Und Alli glaube scho, si sige grettet,
»Nai, denkt der Tell, so hem wer denn nit gwettet.«
Er also in der größte Il,
Nimmt d'Armbrust und si letschte Pfil,
Springt us em Schiff ... und lacht si tüchtig us. –
Die Andre aber in dem Sturm und Grus
Tribts uf dem Meer (oder dem See ... no mengi Stund umher,
Bis endli wie von ungefähr
Si au no kömme dört ans Land
Und stiged us, die ganzi schöni Band.

Es isch e Hohlweg dört; me nent's »die hohli Gaß,«
Krabante gehnd vorus und mache Platz
Der Gäßler kunnt, Trompeter blose Tusch,
Der Tell steckt aber lang scho hinterm Busch,
Dä het scho lang dert gwartet uf si Ma,
Und will er denn au langi Zit het gha,
So het er mengs so bi si denkt und gsait
Was uns der Schiller het in Verse übertrait ...

Do kunnt der Gäßler uf sim stolze Roß
Der Tell, dä gsieht e, faßt e scharf, druckt los,
Und sieht au gli zu siner größte Fraid,
Wie n im der Pfil stekt grad im Ingewaid.
Do lacht der Tell: Gäll, gäll jetzt het's di gä,
Jetz wirsch mi nimme an der Gurgele nä.
Und stimmt da druf e schöne Jodler a,
Und singt derzu: »Heil dir Helvetia.«
Und sit der Zit im Johrgang drizehhundert und siebe,
Do hett die Schwiz das fremde Volch vertriebe!

So hend Er, mini King, die Gschicht denn wieder ghert.
I hoffe, daß es Jedes usse lehrt.
I denk, Er sottet 's wol begriffe ha
Wonit, so fangi wieder vorne a. – –

Händ Er 's bgriffe? – »Jo« – so wem mer schließe
Ihr könne wer eure Eltern fründli grieße.


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