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Blumenlese – Zweiter Band
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Carl Morell

Erinnerung

Die Abendröthe leis und leiser
Schmiegt sich an grüne Tannenreiser,
Es flammt und glüht der ernste Baum,
Er singt noch einen Jugendtraum.

Durch's Auge bis in's Herz hinein
Schleicht sich der freundliche Abendschein
Und weckt, – was besser unten bliebe,
Verschwundnen Lenz, verlorne Liebe.

In die Berge

In die Alpen hinein, in das schöne Land!
In der Berge dunkelschattige Wand!
In die Alpen hinein, in die schwarze Schlucht
Wo der Waldbach toset in wilder Flucht!
            Hinauf zu der Matte warmduftigem Grün,
                      Wo sie blüh'n
            Die rothen Alpenrosen.

Schon schließen die starren Wände mich ein.
Es tropft der Quell vom grauen Gestein;
Der Tannzweig peitschend die Welle schlägt,
Der Sturm hat die Nadeln hinweggefegt.
        Und oben, hoch in den Lüften, kreist
                      Wie der Wildniß Geist,
        Der graue Lämmergeier.

Und enger und enger schließt sich das Thal;
Nur oben ein blauer Streifen schmal.
Da schießt hervor aus dem feuchten Gestein
Der Bach und stürzt in die Schlucht hinein.
      Ich klimme hinauf – und aus Waldesnacht
                      hat mich angelacht
      Duftweiche Alpenweide.

So ruh' ich träum'risch im warmen Grün,
Seh' die Wolken hoch oben am Himmel zieh'n,
Hör' unten tief um des Waldbach's Tosen
Das helle Vogelgezwitscher kosen.
            Und – ein Bote aus stillem Wunderreich –
                      Anschmiegt sich weich
            Die rothe Alpenrose.

Verrathenes Geheimniß

Geh' ich über Feld und Wald,
Geh' ich ganz alleine;
Doch die Vögel wissen bald,
Was ich sinn' und meine.
Horch! Was haben sie gesagt?
»Bursche, nimm dein Herz in Acht!«
Das ist doch eigen!

Springen in die Welt hinein
Lebensfrische Quellen;
Meine Blumen werf' ich drein,
Haben doch die Wellen
Nicht gedankt und nur gelacht:
»Bursche nimm dein Herz in Acht!«
Das ist doch eigen!

Schau, da winden sich durch's Thal
Duft'ge Rosenhecken,
Doch die Rosen allzumal
Flüstern schlau und necken:
»Helle Glut ist schon entfacht;
Bursche, nimm dein Herz in Acht!«
Das ist doch eigen!

Hab' es Keinem doch erzählt;
Ist Geheimniß blieben;
Und doch weiß die ganze Welt
Mein geheimes Lieben,
Und ich hab's mit keinem Laut,
Keiner Seele doch vertraut!
Das ist doch eigen!

Sehnsucht

Ich weiß nicht, wie mir worden –
Und weiß nicht, wie mir ist –
Ich weiß nur noch von Allem,
Daß du nicht bei mir bist.

Im Wald sind viele Blumen,
Es singen die Vögel all'.
Es springt ob hellen Steinen
Der fröhliche Wasserfall.

Doch seh' ich nicht die Blumen,
Ich höre die Vögel nicht,
Kaum hörbar ist's verrauschet,
Was flüsternd die Quelle spricht.

's ist mir wie'n Traum geworden
Alles, was um mich ist;
Ich weiß nur noch von Allem,
Daß du nicht bei mir bist! –

Ein Blumenstrauß

In dem Moose schlank und fein
Zittern blaue Glocken,
Wollen in den duft'gen Hain
Junge Herzen locken.
Heimlich tönt's an meine Brust,
Weiß, was es bedeute:
's ist der Lieb- und Maienlust
Fröhlich Festgeläute.

An dem Hage roth wie Blut
Wilde Rosen prangen,
Als der Lenz- und Liebesglut
Feuriges Verlangen.
Rosenbrand und Glockenruf,
Holdes Lenzgetriebe,
Kommt! zu schönerem Beruf
Weiht euch meine Liebe.

Was im Herzen ich gedacht,
Meine stillen Flammen,
Haltet es in duft'ger Pracht
Farbig mir zusammen.
Und so mög't ihr euch zu Haus
Um die Holde ranken,
Als ein frischer Blumenstrauß
Seliger Gedanken.

Vorfrühling

Aus kaltem Boden steigt der Baum,
Doch leise seine Wipfel beben,
Als ob er aus dem Wintertraum
Erwachen wollt' zu neuem Leben.
Unwirklich ist noch rings die Welt;
Doch aus den trostlos nackten Zweigen
Schon manche grüne Knospe schwellt,
Den nahen Frühling anzuzeigen.

Mahnt ihr mich doch an dieser Zeit
Geheimnißvolles Schöpfungsregen,
An Herzen, die aus wildem Streit
Dem Menschheitsfrühling glüh'n entgegen;
Zerstreuten Geistesblüthen gleich
Gesproßt am Baume der Geschichte,
Die voll aufblühen, wunderreich
An einem künft'gen Freiheitslichte.

Dauer im Wechsel

Was sinnst du, Herz, und kümmerst bang
In dunkeln Winternächten,
Als lauschte dir der Glockenklang
Vergangner Tage Abschiedssang,
Verfallen finstern Mächten.

Sie rauschen da, sie rauschen dort.
In stetem Wechselspiele,
Und reißen in dem Strome fort
Des Herzens unbewachten Hort
Beglückender Gefühle.

Laß ziehen, was nicht bleiben will!
Du kannst es nimmer halten.
Kehr' ein in's Herz und harre still:
Dort ruht des Guten noch so viel,
Um schön sich zu gestalten.

Was zu verlieren du geglaubt,
Du hast es nie besessen.
Der Kranz, der schön geschmückt dein Haupt,
Und den der erste Sturm entlaubt,
Er bleibe dir vergessen.

Nicht trübe dir den heitern Blick
So schmerzliches Verlassen.
Gib es dem Schicksal gern zurück,
Um jenes, was dir blieb von Glück,
So fester zu erfassen.

Und ob die Rosen all' verblüh'n.
Das Schifflein zieht zur Ferne
Mit deiner Hoffnung Schätzen d'rin –
In dunkler Nacht am hellsten glüh'n
Der Liebe ew'ge Sterne.

Laß ziehen, was nicht halten will!
Fremd wär' es, auch wenn's bliebe.
Kehr' ein in's Herz und harre still,
Und halte fest, wie's kommen will,
O Herz, an deiner Liebe.

Bundeslied

Wie uns hier zu guter Stunde
Hält ein guter Geist gebannt,
Schall' es frisch aus Herzensgrunde,
Dem die Herzen zugewandt.
Freier Kräfte regem Streben,
Brudersinn in Lust und Leid,
Einem schön geeinten Leben
Sei der volle Kelch geweiht.

Lassen wir das bange Quälen
Um ein unbestimmt Geschick.
Oeffnen heiter wir die Seelen
Dem geweihten Augenblick.
In verstärkter Flamme lohe
Uns, was gut und schön und wahr,
Und als einzig Leiden drohe
Scheiden aus der Freunde Schaar.

Lächelnd winkt das Glück des Lebens
Uns aus lieben Augen zu.
Zaud're nicht! Du harrst vergebens,
Denn dein Glück, das schaffst nur du.
Hange fest am rothen Munde,
Lädt zu sel'gem Kuß dich ein
Liebe Lippe: nur die Stunde,
Nur der Augenblick ist dein.

Alles Schöne, das da wallte
Hin durch den beseelten Raum,
Schwindet rasch, als ob's gestalte
Deine Seele, Welt, im Traum.
Wie die bunten Farbentöne
Auf des Falters Schwinge glüh'n,
Lebt im Fluge nur das Schöne. –
Doch der Geist darf ewig blüh'n.

Ein's d'rum soll für uns nur taugen:
Laßt uns Alle, treu geeint,
Mit den hellen Geistesaugen
Halten, was vergänglich scheint,
Frisch und schön die Welt genießen,
Lieben Alles, ohne End,
Bis wir uns in's All ergießen,
Neuen Lebens Element.

Der Kelch in der Runde

Nur Todtes ist, was gesättigt ruht,
Doch rastlos das Leben auf Erden:
D'rum bring' ich die ambrosische Fluth,
Dem ew'gen Bewegen und Werden.
Wie der Bergbach rauscht vom Felsenhang,
Und wächst von Stunde zu Stunde,
Und nimmer zaudert im eilenden Hang,
So mache du, Becher, die Runde.

Schon rollt er in prächtigen Wogen daher,
Und schlägt sich durch Felsen und Riffe.
Da schimmert auf das unendliche Meer
Und die weithin segelnden Schiffe.
Die Möven fliegen, die Wolken ziehn
Hoch über dem gräulichen Schlunde –
Zum seligen Lande der Zukunft hin:
Herum, o Pokal, in der Runde!

In der Rebenlaube, dem heimischen Ort,
Sitzt Einer glückselig beim Andern,
Wo im Wechselgespräch das geflügelte Wort
Von Lippe zu Lippe muß wandern.
Vom freien Leben, vom Männerstreit,
Vom Höchsten geben sie Kunde;
Und mit den Gedanken in treuem Geleit,
Macht der volle Becher die Runde.

Und herüber klingt ein verlockender Ton
Von jubelnden Hörnern und Geigen,
Und unter den Linden da tanzen sie schon
Den seligen, nächtlichen Reigen.
Da leuchten die jungen Augen auf,
Da lispelts von Munde zu Munde.
Wie sie im kreisenden, schwebenden Lauf,
Mache du auch, o Becher, die Runde.

So wandelt in ewigem Wechsel die Welt
Ein ruh'los Vergehen und Werden.
O wüßt' ich nur Eines, so fest aushält
Im stürmischen Kreislauf der Erden.
»Und ist's nicht ein Herz, hingebend und treu?«
So flüstert's von rosigem Munde.
Hurrah! Jetzt füllt mir den Becher auf's Neu
Und jubelnd mach' er die Runde!

Erlösung

Ob du mich liebest, möcht' ich fragen –
Und ob dein Auge, mild und klar,
Wie du es schüchtern aufgeschlagen,
Ein Stern für meine Liebe war.
Ein Leitstern, der dem müden Herzen
Hell leuchtet mit verklärtem Schein,
Aus seinem Wanderzug voll Schmerzen
Zur lieben Heimat führet ein.

Ach: tiefes Herz – herumgeschlagen
Ein Schifflein auf der wilden See,
Das doch ein hohes Gut getragen,
Des Menschenschicksals stilles Weh.
Die Wellen tragen dir's entgegen,
Die Segel schwellen voll und rund;
O, laß mich ruhig Anker legen
In deiner Liebe sichern Grund! –

Würtemberg-Husaren

1849.

Wo fern der blauen Donau Uferweite
Das Schloß Komorn beherrscht, ein Felsenaar,
Da steht, die kampfgestählte Wehr zur Seite
Noch eine kleine, stolze Männerschaar.
In dichten Reihen stehen sie zusammen
Und krampfhaft preßt dem Kamerad die Hand
Der Schlachtgenoß. Vom Auge brechen Flammen.
Denn ach, verloren ist das Vaterland,

Vergebens stürmt' der Honved Ofen's Mauern,
Vergebens flog ins Schlachtfeld der Husar
Und sandte vor sich her ein Todesschauern
Ins Herz der kaiserlichen Söldnerschaar.
Vergebens wogten reich der Ehre Saaten
Im Ungarland, wo jeder Mann ein Held,
Denn Görgey hat die Heimat ja verrathen
Dort in Vilago's fluchbeladnem Feld.

Und auch Komorn –, das felsenfest gestanden
Und Oestreichs Heere schleudert' in die Waag,
Wenn seine Mauern Racheengel sandten
Ins Feld – erfährt der Freiheit letzten Tag,
Den letzten Tag des heil'gen Ungarrechtes,
Geschützt durch Kossuth's heererweckend Wort.
Die herrlich strahlt' im Feuer des Gefechtes,
Die gute Waffe liegt am Boden dort.

Und um die Männer zieht als Eisenmauer
Sich rings das österreichische Carré;
Doch kalt schaut Haynau's Auge, ohne Trauer
Um dieses Volkes namenloses Weh.
Da stellt' Held Klapka sich vor die Husaren
Und sprach in seines Volkes Feuergluth
Ein letztes Wort des Dankes zu den Schaaren
Für ihre Treu' und ächten Mannesmuth.

Aus jenen Augen quellen heiße Tropfen,
Die ruhig in der Schlachten Graus geseh'n,
Doch bricht des Herzens ungestümes Klopfen
Aus in ein langes, donnerndes »Eljen«!
Doch wie die stolzen Töne leiser schallten.
Trat Haynau höhnisch vor die Reiterschaar
Und sprach: »Es möge seine Wehr behalten,
Wer jetzt sie braucht für Oestreichs Doppelaar.

Doch keine Antwort ward ihm von den Freien,
Und Keiner griff nach dem verwaisten Stahl.
Da, plötzlich, rief ein Graukopf aus den Reihen
Mit fester klarer Stimme: »General!
Vor Oestreichs Solde mag uns Gott bewahren!
Doch wenn uns wieder braucht das Vaterland,
Dann rufe man nur freudig den Husaren;
Und Keiner fehlt von uns. Mein Kopf sei Pfand!«

An die Nacht

O Nacht, du stille, wolkenlose,
O Zeit der milden, ernsten Ruh',
Wie webt mir doch aus deinem Schooße
Ein seliges Geheimniß zu.
Des Tages wilde Pulse feiern
Wenn Thaueskühle niederfällt,
O stille Nacht mit deinen Schleiern
Birg meine Liebe vor der Welt!

Du hältst in deinem dunkeln Grunde
Der Lustgestalten bunten Chor,
Bis er in frischer Morgenstunde
Sich bebend ringt aus dir hervor.
In deinem Mutterschoß, dem theuern,
Des Lebens erste Regung schwellt.
O stille Nacht mit deinen Schleiern,
Birg meine Liebe vor der Welt!

Gern magst du, Herz, dich d'rein ergeben,
Was ihre Sterne dir gebracht.
Auch dieses neue, sel'ge Leben
Ist leis entsprossen in der Nacht.
Geheime Liebe darf ich feiern,
Wo nur mein Aug die Wache hält,
O stille Nacht mit deinen Schleiern
Birg meine Liebe vor der Welt.

Auf dem Missisippi

Fern von des Urwalds säulenschlankem Dom,
Der schützt des Missisippi reine Quellen,
D» wogt, ein wandelnd Meer, der breite Strom
Mit seinen dicken, gelben, trägen Wellen.
Kein Waldesvöglein flöge drüber bin.
Nur morsche Stämme aneinander krachen.
Und zwischen ihnen hebt sich schlammig-grün
Des Alligators Schweif und offner Rachen.
Vergebens hallet ein verirrter Ruf;
Rings ist nur Schlamm und gelber Tod zu sehen,
Als sollte, was der frische Morgen schuf,
In Todesgluth des Tages untergehen.
Doch schau wie vorwärts in der trüben Fluth
Sich eines Dampfers Schaufeln mächtig regen,
Ringt mit des Geistes siegessichrem Muth
Dem tückisch-plumpen Element entgegen.
Ein schlankes Schifflein, dessen scharfer Kiel
So leicht die wandermüde Fluth durchschneidet
Als trieb er mit dem Gegner nur sein Spiel.
Auf dem Verdecke drängt sich bunt gekleidet
Ein wunderliches Volk, Das Lederwams
Hüllt jenes Mannes eisenstarre Glieder,
Vor ihm ein Tragkorb, voll des bunten Krams.
Drauf sieht er hie und da verächtlich nieder
Und mürrisch von den schmalen Lippen grollt:
»Ist es auch elend Zeug, so bringt's doch Gold
Und Büffelfelle mir von kind'schen Wilden.«
Nicht fern von ihm seht einen Kreis sich bilden:
Wie schwirren durcheinander nicht die Töne
Gleich wilden Bienen – Aechte Frankensöhne,
Verhandelnd – Zucker nicht und Wollenstück –
Nein, ihres Vaterlandes wahres Glück.
Ein Mann mit hoher Stirn und Falkenaugen,
Doch zuckt Gemeinheit um die schmalen Lippen,
Auf hohlem Fasse stehend schreit: »Es taugen
Die jetzigen Herren nichts und ihre Sippen.«
Er grollt ob Jener schmählichem Gewinn,
Die an des Staates Honigwaben naschen:
Und dennoch steht nach Anderm nicht sein Sinn,
Als selbst ein solches Aemtchen zu erhaschen;
Und jeder Höhre ist dem Manne hold,
Denn jeder Sinn, wie seiner, geht nach Gold.
Der Redner packt sie schlau bei Geld und Ehren;
Er kennt sie trefflich, die Kentukybären,
Und dreht der Redeblumen üpp'ger Strauß
Beim Mangel geistigen Bandes zu zerfallen,
So hilft ein Schlagwort glücklich ihm heraus
Und neu gewonnen hat er es bei Allen.
Denn kaum hat er die Rede noch geendet
So wird ein donnerndes Hurrah gespendet,
Und stürmisch bricht der ganze wilde Rudel
Aus in den nationalen Yankeedudel.

Doch ehe noch der wilde Sang vorbei,
Mischt sich in ihn ein banges Klaggeschrei.
Erschrocken halten Alle plötzlich an
Und forschen, was das Rufen will bedeuten. –

Am Dampfer fest gebunden ist ein Kahn,
Schier überfüllt von kupferfarb'gen Leuten,
Sind Seminolen, die der »weiße Vater«
Vom alten, heim'schen Jagdgebiet vertrieb.
Dort fällt die alten Eichen jetzt der Squatter.
Es knattert in den Wäldern Hieb auf Hieb.
Geschleppt vom stolzen Schiffe segeln sie
Der neuen, ungewissen Heimat zu,
Am Boden kauernd, Knie gepreßt an Knie,
Hinbrütend in verzweiflungsmatter Ruh.
Sie hören nicht des Yankee frohes Singen,
Sie sehen nicht das helle Abendroth,
Wie kranke Adler senken sie die Schwingen
Denn grimmig haust in ihren Reih'n der Tod.
Bewußtlos starren Augen in die Leere,
Die in der Feinde Augen Blitze schossen;
Matt sinkt die Faust, die einst des Beiles Schwere
Leicht schwang, wie Kinder schwingen Blüthensprossen.
Den armen Leuten steht nur hülfreich nah
Im Todeskampf die braune, treue Squaw.
Doch, wo das Schiff zum Landen Halt gemacht
Wird Einer stets zur Ruhe weggebracht.
Dem Krieger gaben sie die Flinte mit,
Den Frauen Hausgeräthe und Geschenke,
Dem Kinde Spielzeug, schimmernde Gehenke
Und bunten Schmuck der Jungfrau – also quitt
Zu werden mit dem Leben.

Unter ihnen
Lag stumm ein Greis mit ernsten, strengen Mienen.
Der Alte war ein Häuptling und die Narben
Auf Brust und Armen künden deutlich an,
Wie manches Wild und mancher kühne Mann
In seiner eisernen Umarmung starben.
Vom Fieberschauer krampfhaft angerüttelt,
Enthüllte sich sein mächtiges Skelett.
Die Hand, die einst der Tomahawk geschüttelt,
Sank kraftlos nieder auf das Buchenbett.
Sie war so zart, so klein, des Mannes Hand,
Die er wie spielend hin und her bewegte;
Dann packt er grimmig an des Schiffes Wand,
Als ob die alte Schlachtenlust sich regte.
Die Sonne, die schon tief gesunken war.
Beschien den Alten so mit vollem Glanze,
Und wie verklärt vom goldnen Strahlenkranze
Aufleuchtete sein silberweißes Haar.
Da flog ein Lächeln über seine Züge,
Und sanft bewegten seine Lippen sich,
Als ob das sinkende Gestirn er früge:
»Sag, führst du zu den grünen Feldern mich?«
In scheuer Ehrfurcht Alle rings verstummen,
Von seinen Lippen nur tönt leises Summen,
Das zögernd hinstirbt in dem Abendwind.
Zu stärkren Wogen schwellen an die Töne,
Drob wachen auf die stolzen Waldessöhne;
Wie flüssig Feuer durch die Adern, rinnt
Der Schlachtgesang. Sie steigen von den Sitzen
Und kampfesheiß die dunkeln Augen blitzen,
Als ob der tiefgebeugte Sinn erwache
Zu neuer Hoffnung und zur alten Rache.
Und weiter sang der Alte; mächtig hob
Er seine Axt, so daß sie Funken stob
Im Abendsonnenschein. Mit wilder Gluth
Hinschleudert er die Waffe in die Fluth.
Noch einmal bricht vom Aug ein Zornesflammen –
Da aber knickt der müde Leib zusammen;
Ein letztes Lächeln fliegt noch übers bleiche
Antlitz – und stille liegt er – eine Leiche.

Es lagern, wie sein treues Aug geschlossen,
Sich träumend um ihn her die Stammgenossen;
Noch einmal muß ihr Blick zu ihm sich neigen –
Und sie versinken in ihr altes Schweigen,

Die drüben lautlos zugeschaut vom Schiff,
Von ihren Lippen schwillt ein geller Pfiff.
Und Einer rief: »Ich hab' es wohl errathen,
Er prahlte noch mit seinen Höllenthaten.
Und seine Worte trank die rothe Brut.
Wie ein cuban'scher Schweißhund Menschenblut.«
Drauf schritt er mit den Andern schweigend weg
Und spritzt die Tabaksjauche aufs Verdeck.


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