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Blumenlese – Zweiter Band
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Johann Jakob Reithard

Die Geister von Greifensee

Dort über'm Berg im Thale, in finst'rer Wälder Näh',
Liegt in umkränzter Schale der blaue Greifensee;
Nächst dem beschilften Strande hebt sich ein Hügel gäh,
Drauf stand die vielbekannte Burg Alten-Greifensee.

Links unter'm Hügel breitet sich eine Wiese bunt;
Die Heerdenglocken läuten im weidereichen Grund;
Doch mitten in der Weide starrt ein verlehmtes Moor,
Gleich einer wüsten Haide, aus dunkelm Grün hervor.

Es geht an selber Stelle ein Jeder schnell vorbei,
Als ob ein Geist der Hölle des Raumes Meister sei;
Und graut ihm schon am Tage, wie mehr noch in der Nacht,
Wenn mit dem zwölften Schlage Vergangenheit erwacht.

Wohl Mancher in der Runde hat grausend dann geschaut,
Wie zu derselben Stunde das Schloß sich wieder baut;
Wie Brücke, Thor und Warten aus ihren Trümmern gehn,
Und wie in Hof und Garten die Linden auferstehn.

Wie dann der Nebel gleitet am Strande, trüb und schwer,
Und donnernd ihm entschreitet ein stattlich Kriegerheer;
Gestalten, wie – bei Räfels, an Lorze, Sur' und Aa –
Die Zeit verjährten Frevels und junger Freiheit sah.

Dumpf schweigend steh'n die Schaaren um das verwahrte Schloß;
Ein Führer, grau von Haaren, hält finster da zu Roß;
Schaut auf, als ob er mahne, den, der im Schloße haust,
Und schwingt die weiße Fahne hoch in der Eisenfaust.

Und rasselnd sinkt die Brücke, es knarrt das feste Thor;
Mit tief gesenktem Blicke schritt die Besatzung vor:
»Und fiel das Schloß – die Ehre bleibt ewig uns verwahrt!«
Doch ein große Zähre rollt' in des Hauptmanns Bart.

Wenn sie zur Stelle kommen, wo sonst der öde Plan,
Fällt, der die Burg genommen, die Waffenlosen an;
Zerreißt die Gnadenzeichen, und giebt's dem Winde frei;
Ein Wink – die Reihen weichen – der Henker tritt herbei.

Von hundert Fackelbränden erleuchtet wird der Kreis.
Mit festgeschnürten Händen kniet allererst der Greis;
Er hebt die Heldenaugen empor mit frommem Muth,
Die Klinge zischt – es saugen die Blumen rings sein Blut.

Und Diener theilt um Diener des alten Meisters Noth:
Stets freudiger und kühner geht Jeder in den Tod;
Schon spritzt zu fünfzig Malen die Fluth, so roth und reich,
Empor in lichten Strahlen, und sammelt sich zum Teich.

Welch' ein entsetzlich Schauen! Das Blut erstarrt zu Eis,
Auch packt zuletzt ein Grauen der Fackelträger Kreis;
Sie löschen, still entweichend, im Blut der Fackel Brand;
Der Henker selbst, erbleichend, hebt flehend Blick und Hand.

Doch mitten aus den Leichen herrscht ihm der Finst're zu:
»Fahr' fort, daß nicht desgleichen an dir ein And'rer thu'!«
Und nochmal sinken Zehne, – vollendet ist der Mord –
Mit einer stummen Thräne eilt auch der Henker fort.

Als ob dieß Blut ihn stärke, weilt noch im Sternenschein
Bei seinem Höllenwerke der grimme Greis allein;
Hoch hält er da zu Rosse, schlägt an sein Schwert mit Schall,
Blickt höhnisch bald zum Schlosse, bald auf den Leichenwall.

Jetzt zieht's wie tiefes Stöhnen durch's blut'ge Leichenfeld,
D'rauf fängt es an zu dröhnen, wie die Trommete gellt;
Des Sees Fluthen schäumen, als wie im höchsten Zorn,
Und in des Waldes Bäumen rauscht's grausenhaft, verworr'n.

Und das Entsetzen schüttelt, wie unter'm Kreuzesholz,
Die Erde wild, und rüttelt den Greis aus frechem Stolz;
Er sieht die Thürme wanken, die Todten aufersteh'n
Und ihn mit grausem Schwanken in weitem Kreis umgeh'n.

Hoch in den starren Fäusten sein Haupt ein Jeder schwingt,
Dieweil das Blut der Treusten hellflammend ihn umringt.
Und drei Mal zieh'n die Leichen die flammenreiche Bahn,
Und drei Mal droh'n die bleichen Gesichter stumm ihn an.

Dann wandeln sie zurücke ins alte Schloß, zur Ruh';
Es fliegt empor die Brücke, die Pforte schmettert zu;
Weit gähnt der Erde Rachen, verschlingend – horch und schau! –
Mit ungeheurem Krachen den riesenhaften Bau.

Doch eng und immer enger schließt sich der Feuerkreis
Um den entsetzten Dränger, der keine Hülfe weiß. –
Der Ritter sammt dem Rappen sind beide festgebannt;
Schon leckt an Helm und Wappen der rächerische Brand.

Und lange, lange währet das nächtliche Gericht,
Eh', wie zu Staub verzehret, das Bild zusammenbricht;
D'rauf wann die Gluth verkühlet, wird Alles wie zuvor,
Und wo der Brand gewühlet, da breitet sich das Moor.

Doch eine Donnerstimme tönt mahnend durch die Nacht:
»Weh', wer unedlem Grimme das Herz zu eigen macht!
Weh', wer in eigner Sache als Richter sitzt und spricht!
Weh', wer aus Haß und Rache das Wort der Gnade bricht!

»Wo er auch immer schliefe – er ist der Völker Graus;
Ihn speit des Grabes Tiefe, ihn stößt die Nachwelt aus.
So grausen Fluch zu tragen, o Reding! hast auch du;
Dir aber, Wildhanns, schlagen die besten Herzen zu!«

Die beiden Gemsjäger

Ein schöner Tag ist aufgegangen,
Und groß hat sich die Alpenwelt,
Noch eben rings vom Schlaf umfangen
Zu frühem Leben hingestellt;
Der Hain erklingt, die Bäche rauschen,
Die Wiesen schmückt ein tiefes Grün,
Das Alphorn tönt, die Heerden lauschen,
Die Sonne naht, die Firne glüh'n.

Und sieh', den niedern Thalrevieren
Entsteigt ein rüstig Jägerpaar,
Der flinken Gemse nachzuspüren,
Die ihnen längst verfallen war.
Vereint in alter Schweizertreue,
Ist auf der Berge Zinken schon,
Zunächst des Himmels reiner Bläue,
Den beiden mancher Tag entfloh'n.

Gespräch und Jodel-Rufe süßen
Den Steig, der sauer sich erklimmt,
Indeß gemach zu ihren Füßen
Das tiefe Thal in Duft verschwimmt,
Doch auf des Tschingels höchster Schräge,
Da stehen sie zum Scheiden still:
Weil Jeder heut' auf eignem Wege
Sein Weidmannsheil versuchen will.

»Mit Glück! Nun geh' ich da hinüber«,
Spricht Hanns zum Bläsi wohlbedacht;
»Doch in der Hütte von Valzüber,
Da treffen wir uns auf die Nacht.«
Und Bläsi lacht: »Ich werde kommen,
Zähl' auf mein Wort, wenn etwa nicht
Mein Unstern zu der Gemsen Frommen
Mir irgendwo den Nacken bricht.«

Sie drücken sich die Hand, sie steigen –
Der Eine hier, der And're dort –
Auf schmalem Pfad in tiefem Schweigen
Zu unwirthbaren Höhen fort.
Hanns dorthin, wo, wie Silber funkelnd,
Der Hausstock zu den Wolken strebt,
In dessen Schlünden, tief und dunkelnd,
Der Sernft sein Felsenbett sich gräbt.

Doch von St.Martins Felsenhallen
Klimmt Bläsi keck hinan die Wand,
Bis wo der Dons mit Eiskristallen
Das königliche Haupt umspannt,
Und wo von seiner Krone Zacken,
In Fäden, die der Berggeist spinnt,
Die Fluth ihm über Stirn und Nacken
Hellklingend in die Thäler rinnt.

Der Jäger lugt mit scharfen Blicken –
Da plötzlich sieht nach langem Späh'n
Er auf des nächsten Vorsprungs Rücken
Die schönste Gems zur Weide geh'n.
Wie pocht das Herz! – Er kauert nieder.
Wo sich ein Felsen vor ihn stellt;
Er zielt, die Berge hallen wieder.
Hellt pfeift das Wild – schnellt auf und fällt.

Und jauchzend mit beschwingten Sohlen
Eilt er, von Weidmannslust durchbebt.
Die fette Beute einzuholen,
Eh' sie aufs Neue sich belebt.
Zu spät! Wie er sich schwingt nach oben,
Hat sich vor seinen Augen schon
Das Wild aus seinem Blut erhoben
Und jagt mit Windeseil' davon.

Der Schütze beißt sich in die Lippe:
»Die Ladung«, brummt er, »war zu schwach.«
Er eilt durch Schlucht und Eis und Klippe
Des Flüchtlings Spuren zürnend nach,
Wohl ist das Thierlein am Verenden,
Und dennoch strebt's in raschem Flieh'n
An unwegsamen Felsenwänden
Dem Feindesblick sich zu entzieh'n«.

Doch Bläsi folgt ihm sonder Säumen,
Ihn treibt sein böser Stern, er muß!
Und schon in nie betret'nen Räumen
Bewegt sich sein verweg'ner Fuß,
Schon für die letzte Zehenspitze
Gewinnt er kümmerliche Bahn;
Dem schmälsten Stein, der engsten Ritze
Vertrauet er sein Leben an.

Jetzt steht vor ihm auf Klafterweite
Hart an des Felsenthales Schluß,
Kaum eine Hand in Läng' und Breite –
Ein Riff, auf das er springen muß.
Er springt – erreicht's – und mit Entsetzen
Erkennt es der verlorne Mann,
Daß er den Fuß nicht fürder setzen,
Nicht wieder rückwärts lenken kann.

Denn vor ihm starrt in schroffer Glätte
Und neben eine Felsenwand,
Und unten ist sein Todtenbette
In schwarzem Grausen ausgespannt.
So schwebt er, einsam und alleine.
Befiehlt die Seele Gott dem Herrn;
Denn keine Menschenhülfe, keine.
Kann er sich denken, nah und fern.

Doch ist der Mensch dem Bischen Leben
So unaussprechlich treu und hold.
Daß er sich nimmer will ergeben.
Selbst wenn der letzte Sand entrollt;
Der Kranke glaubt sich meist gesunder,
Und wenn ers nicht mehr glauben mag,
So glaubt er eher an ein Wunder,
Als an den bittern Sterbetag.

So auch der Bläsi, schau', es klammert
Sich seine Hand am Felsen fest:
Er zürnt und betet, hofft und jammert,
Er blickt und späht nach Ost und West.
Doch keine Zehe darf er rühren,
Fest muß er steh'n und leichenstill.
Wenn er die Wage nicht verlieren,
Nicht in die Tiefe stürzen will.

Die Sonne sengt mit heißen Strahlen
Jetzt in die grause Schlucht herein:
Sie bringt ihm hundert neue Qualen,
Doch nirgends einen Hoffnungsschein.
Er ruft umsonst, die Berge klingen
Die laute Stimme höhnend nach.
Er sieht nur ferne Gemsen springen
Und hört den wilden Gletscherbach.

»Du grimmer Tod! der schon so lange
Auf jedem Steig mich lockt und neckt,
Und jetzt zu meinem Untergange
Die Hand aus jenen Schlünden streckt –
Noch steh' ich da und will mich halten,
Mich klammern fest so lang ich mag;
O stärkten himmlische Gewalten
Mich nur bis auf den nächsten Tag!

»Ich weiß, daß, wenn ich ausgeblieben,
Mein treuer Hanns von Schlucht zu Schlucht,
Und endlich auch, von Gott getrieben,
Mich hier an diesen Wänden sucht!
Allein was hoff ich, Thor, den Morgen
Des neuen Tages noch zu sehn?
Wo möcht ich Muth und Kräfte borgen,
Die lange Nacht zu überstehn?«

Indessen sinkt die Sonne tiefer;
Noch glüht, in Höhenrauch gemischt,
Ihr Gold an Freibergs grauem Schiefer,
Zuletzt am Tödi, – und erlischt.
Und trüber, dunkler wird es immer,
Und Wolken ziehen schwarz und schwer,
Gesäumt vom bleichen Mondesschimmer,
Mit einem Hochgewitter her.

Und sieh! Nach langem, schwülem Schweigen
Eröffnet sich des Wetters Mund.
Es thut den schreckenvollen Reigen
Erst durch ein fernes Tosen kund;
Doch immer röther gähnt sein Rachen,
Schon rollt der Donner ernst und groß.
Der Gletscher dröhnt, die Schluchten krachen.
Und jeder Sturm wird fessellos.

»Herr! du bist schwer in deinem Zorne
Und dein Gericht ist schauerlich!
Gibt's denn in deinem Gnadenborne
Kein Tröpflein Vaterhuld für mich?
Ha, nein! Du flammst in diesen Wettern,
Du schüttelst mich in diesem Sturm,
Du selbst, o Herr, willst mich zerschmettern,
Mich niedertreten, wie den Wurm!«

In Nacht und Sturmwind heult's der Arme;
Kaum kann er mehr, – er hält sich schwach;
Und sieh'! als ob es sich erbarme,
Verrauscht das Wetter allgemach;
Die Wolken fliehn; der dunkeln Bläue
Entstrahlt der Steine mildes Licht,
Das stärkt und muthigt ihn aufs Neue,
Doch ihn erretten mag es nicht.

Denn wo die Sinne, wo die Sehnen,
Die unerschöpft und unbesiegt,
In solchem Kampf das Schicksal höhnen,
Wo Schrecken sich an Schrecken fügt?
Sieh' dort den Kühnen wanken, beben,
Schau, wie der Strahl des Auges bricht.
Wie aus dem Antlitz ohne Leben
Der Jammer der Verzweiflung spricht!

Doch endlich glimmt es auf den Firnen;
In mildem, rosenfarb'nen Schein,
Zieht auf erbleichenden Gestirnen
Der junge Tag ins Leben ein.
»Und mocht' ich es bis jetzt bestehen,
Ertrag' ich's wohl auch länger noch;
Gewiß erhört der Herr mein Flehen,
Und endlich findet Hanns mich doch!

»Bis Mittag mag er wohl erscheinen,
Doch wenn umsonst die Frist verrinnt –
Dann fahret wohl ihr lieben Meinen,
Auf ewig wohl, mein Weib und Kind!«
Er seufzt es, drückt von seiner Klippe
Sich fester an den kalten Stein
Und saugt mit trockner bleicher Lippe
Den bittren Reif des Felsens ein.

Doch wie die Sonne immer höher,
So steigt auch höher seine Qual;
Er lugt umher, allein dem Späher
Verschwimmt allmälig Berg und Thal;
Er fühlt die letzte Kraft verschweben,
Der Odem wird ihm heiß und schwer:
»Jetzt ist es aus«, spricht er ergeben,
»O Herr, mein Gott! ich kann nicht mehr ...«

Und wie er wankt zum Niederfallen,
Da tönt es plötzlich über ihm,
Und » Bläsi, Bläsi!« hört er's hallen
Mit liebevollem Ungestüm.
Mit matten, zweifelvollen Blicken
Schaut er empor; – er täuscht sich nicht:
Dort ob der Felswand, welch' Entzücken!
Erscheint des Freundes Angesicht.

»Hanns, Hanns! Du bist's, Gottlob, du Treuer!
Wie hab' ich sehnlich dein begehrt!
Doch eile, Freund! die Zeit ist theuer.
Ich fühle jede Kraft verzehrt.«
»Da bin ich schon! sei nur gelassen;
Du stehst in Gottes treuer Hut!
Vermagst du wohl dies Tau zu fassen? –
Schling's um den Leib und schürz' es gut!«

Und endlich, glücklich ist's geschehen
Mit zitternder, erschöpfter Hand.
Schon siehst du mählig ihn erhöhen –
Schon schwebt er mitten an der Wand –
Schon naht er dem ersehnten Ziele –
Er hat's erreicht! – In Wonn' und Schmerz
Voll unaussprechlicher Gefühle,
Sinkt er dem Treuen an das Herz.

»Gott half, daß ich dich noch erreichte«.
Spricht Hanns, »mir zeigt dein weißes Haar,
Das in der einen Nacht erbleichte,
Wie schauerlich dein Leiden war.«
Und drauf, nach langem, stummem Beben,
Der Bläsi: »Hanns, nimm dies Gewehr
Nebst meinem Dank für's ganze Leben!
Ich, Bruder! jage nimmermehr!«

Er spricht's, und streckt sich auf die Erde,
Erschöpft von Allem, was geschah;
Noch liegt die gräßliche Gefährde
Dem tiefgebeugten Muth zu nah':
Allein ein Trunk aus Hannsens Flasche,
Ein Trunk von edlem Rebensaft
Und Waizenbrot aus Hannsens Tasche
Giebt seinem Leben frische Kraft.

Und wie sie liegen, traulich kosen –
Fährt Bläst hastig auf: »Ein Thier
Aetzt hinter jenen Alpenrosen –
Ein fetter Gemsbock sag' ich dir!
Er scheint sich recht in Schuß zu stellen –,
Der Wind verheißt uns Weidmannsglück –
Hör', Hanns, die Gemse muß ich fällen,
Gieb schnell die Büchse mir zurück!«

Der Eierhagel

Der Schneider von Plaffeien zu seinem Sohne sprach:
»Gieb Acht, dich wird's gereuen, läufst du der Liese nach;
Sie hext gleich ihrer Mutter, kommst du ihr ins Geheg –
Dir's Geld im Unterfutter mit sammt den Hosen weg.

Traun, jeglicher Plaffeier kennt ihre Hexerei;
Sie zaubert Hühnereier zu Tausenden herbei;
Doch hörst du's niemals gackern und siehst bei ihr kein Huhn;
Mit der ist nicht gut ackern: drum laß von deinem Thun!«

Er predigt tauben Ohren, denn Joggel bleibt dabei;
Die Winke sind verloren der weisen Schneiderei,
Wenn spät der Aetti träumend noch Kundentücher stiehlt,
Schleicht Jogg, nicht länger säumend, in's Himmelreich der Kilt.

Sein wartet einst das Mädel mit einem heißen Schmatz;
Wie pocht's in Joggli's Schädel und unterm rothen Latz!
»Lieb' Joggeli« »»Lieb' Lise!«« Ei, welch' ein süß Gekos!
Nach Stunden erst reißt diese vom Nickenden sich los.

Doch wie zu einem Fasse sie hinter'n Ofen juckt,
Ein Glas mit braunen Nasse behend hinunterschluckt,
Und drauf, mit raschen Zügen, ein zweites schlürft im Nu –
Mit Staunen und Vergnügen blinzt dem der Joggel zu.

»Geduld! ich schnarch' und passe,« denkt donnersfein der Gauch,
»Den Saft in jenem Faße, schön Lisel, kost' ich auch!
Ei, hast du etwas Rares, das ich nicht schmecken darf;
So rath' ich dir, verwahr' es mit Schloß und Riegel scharf!«

Als drauf im Hui verstohlen die Maid sich fortgedrückt,
Ist Jogg auf leisen Sohlen an ihren Platz gerückt.
Und der verschleckte Zecher dreht rasch das Hähnchen, guck!
Und den gefüllten Becher leert er in einem Schluck.

Da fängt's ihn an zu schütteln: »Verhageltes Gebräu
Aus hundert Doktormitteln zu einer Schweinerei!«
Ihm wird's so schwül im Leibe, er hält's nicht länger aus.
Und, wie nach einer Deube, verließ er stracks das Haus.

Und spie und maladeite den langen Weg bis heim;
Dann klebt an Vaters Seite sich Jogg wie Tischlerleim.
Der Alt' an seinem Orte schnarcht wie ein Elephant,
Der Junge bohrt' und bohrte und drängt ihn an die Wand;

Denn ach, dem Unbeglückten wuchs schauderhaft sein Leid;
Fegfeuerqualen zwickten sein armes Eingeweid:
Es rumpelt in den Därmen des Zappelnden, es kracht,
Bis endlich ob dem Lärmen der alte Herr erwacht:

»Bub, reitet dich der Teufel?« – und liest ihm derb den Text.
Jogg wimmert: »Sonder Zweifel hatte Liese mich behext.
Seit ich von ihrem braunen gefeiten Safte trank.
Fühl' ich in den Kaldaunen mich krank, – ach, sterbenskrank!«

»Ei,« ruft der alte Schneider: »ist das der ganze Witz?«
Und fähret in die Kleider vom Strohsack, wie der Blitz,
Holt eilig einen Kratten vom Hühnerstall herauf,
Und setzt den Todesmatten mit einem Rucke d'rauf.

Und züchtig dann umhüllet der Vater ihn mit Flor,
Und während Joggel brüllet, pfeift ihm der Schneider vor.
Bald hebt der Sohn den Schleier und zählt, verstimmt und kurz,
Zweihundert Hühnereier dem Alten in den Schurz.

Trotz dieser Eierernte schwur Jogg den Trennungseid;
Sein frommes Herz entfernte sich von der Hexenmaid.
Die Welt wird stets gescheidter, doch Jogg bleibt, ruhmbedeckt,
Der erst' und letzte Schneider, der Eier ausgeheckt.

Die Schlacht bei Näfels

Noch eh' auf Wiggi's Zinnen erschien das Morgenroth,
Stand dort ein andrer Engel: es war der bleiche Tod;
Der sah so ernst herunter vom finstern Felsenriff,
Und stützte beide Hände auf seiner Sense Griff:

»Noch sanft im Schooß der Berge und friedlich ruht dies Thal,
Wie anders wird es liegen noch vor dem Mittagsstrahl!
Schwertlilien werden röchelnd im jungen Grase starrn,
Blutstropfen werden glänzen aus Güldenklee und Farn.

Und Hörner werden schmettern und Pauken schallen dazu,
Und Pfeile und Speere schwirren, und donnern wird die Fluh;
Des Rauti wallend Silber wird dunkler Purpur sein,
Sein Rauschen wird verhallen in Schlachtgewühl und Schrei'n.

Auch du, den stillen Hallen von Tödi's Silberdom
Entwallend, wirst dich röthen, jugendlicher Strom!
Doch ist's die erste Farbe der jungen Freiheit, glaub's!
Und rothe Scham der Feinde ob des verfehlten Raubs!«

So sprach der bleiche Engel; da blitzt das Morgenroth,
Und feierlich umarmen sich Leben jetzt und Tod,
Und schauen schweigend nieder; denn unten wird es reg',
Und eine Schaar von Mannen zieht durch den Felsenweg.

Zwei Hochgestalten schreiten mit Ernst dem Zug voran;
Ein Schwert schwang hoch die Eine, die Andre eine Fahn'.
Grad vor dem Rautikessel begann der Schwertgesell:
»Halt an, ihr werthen Freunde! halt an, wir sind zur Stell!

Hier steht die alte Letze, sie schirmt ein freies Thal;
Dort hör' ich Ketten rasseln – der Zwischenraum ist schmal.
Horch, näher klingt's und näher im frischen Morgenwind –
Doch droben lebt der Herrgott, hierunten Weib und Kind!

Die Treu' an unsrer Fahne ist auch an Gott die Treu',
Der den Verrath zerstäubet, wie den Wirbelwind die Spreu.
Bei ihm gilt Recht, nicht Menge, er kämpft uns heut voran,
Wie er in diesem Felde vor Jahren auch gethan!

Ja, Gott wild uns beschützen im Kampf für Weib und Kind
Und für die alte Freiheit, wenn wir des würdig sind!«
So rief der Ammann Vogel, und Alle knieten hin
Und flehten gläubig: » Ora pro nobis«, Fridolin!«

Da fing es an zu rauschen im Banner geisterhaft.
Der Heil'ge schien zu steigen aus dem geweihten Tafft;
Sein treues Auge winkte: »Scheut nicht Gefahr, noch Spott!«
Auf seiner Bibel glänzte: »Dann hilft der alte Gott!«

Jetzt springt Mathias Ambüel, die Fahne schwingend, auf –
Die Andern lehnen betend noch an der Schwerter Knauf –
Der Venner jauchzt: »Ihr Mannen, hei! wie sie freudig weht!
So wird sie immer rauschen, wenn ihr sie treu umsteht!«

Kaum hat's der Held gerufen, da rasselt's dumpf herbei,
Da glänzt es hinab von Weesen von Fußvolk, Reiterei,
Ein Strom von Stahl und Eisen im ersten Morgenlicht:
Ob wohl in solcher Brandung die Glarner Klippe bricht?

Sie bricht – allein die Stücke vereinen sich zum Bau.
Vergebens stehn die Glarner ob Letze und Verhau:
Denn ihrer sind zu wenig, die Feinde zwanzigfach;
Drum schwingt Ambüel die Fahne und donnert: »Folgt mir nach!«

Und von der Fahne winkt Sankt Fridli wohlgemuth,
Als ob er mahnen wollte: »Was der euch sagt, das thut!«
Bei Schneisingen erhebt sich noch heut die steile Fluh:
Derselben Felsenzinne klomm jetzt der Venner zu.

Und wie Magnet das Eisen, wie reine Fluth den Schwan,
So lockt die theure Fahne des Landes Söhne an;
Sie nah'n von allen Winden, sie kämpfen bald im Chor,
Bald einzeln über Leichen sich löwenstark empor.

Das seh'n die stolzen Ritter – und nach auf schwerem Roß,
Und dann die feigen Knechte, ein ungeheurer Troß;
Sie streben sämmtlich schnaubend, des Weges ungewohnt.
Nach jener Felsenzinne, wo ihr Verderben thront.

Denn horch, was kracht und donnert im dumpfen Wiederhall?
Ist's etwa der Lawine verderbenvoller Fall?
Nein, das sind Riesenblöcke, die von des Berges Rand
Zermalmend in die Feinde der Hirten Faust versandt!

Hei, wie der schwere Würfel, womit der Senne spielt.
So manches Loos entscheidet, so manches Müthlein kühlt!
Er düngt mit rothen Strömen den Boden, wo er rollt,
Und schleudert den herunter, der erst herauf gewollt.

Verwirrung packt und Grausen die Feinde ringsumher;
Sie straucheln, heulen, weichen nach kurzer Gegenwehr,
Doch in die offenen Reihen dringt, wie Gewitterschein,
Mit Schwert und Kolb' und Lanze das Heldenvölklein ein.

Ha, wie von seiner Schläge zermalmender Gewalt
Die Helm' und Schädel krachen und taumelt Jung und Alt!
Hier gilt nicht Gold, nicht Adel, da bettet sich der Knecht
Dem Ritter kalt zur Seite, und so ist's eben recht.

Doch, wie der Muth der Glarner so große Dinge schuf,
Erdonnert durch die Schluchten ein kriegerischer Ruf,
Und aus dem Schwyzerlande durch Eis und Frost und Schnee
Erscheinen dreißig Freunde, getreu in Wohl und Weh.

Und wilderes Entsetzen ergreift bei ihrem Nah'n
Die erst noch wilden Stürmer; sie sind im Schreckenswahn,
Es kämen hergezogen in voller Heeresmacht
Die alten Eidsgenossen zur rächerischen Schlacht.

Noch streben sie zu wenden das gräuliche Geschick;
Vergebens! immer weichen sie wieder scheu zurück:
Denn traun, der Herr der Schlachten vertheilt gerechten Lohn,
Und zeigt den stolzen Rittern den Geist des Stadion.

Und wie gewandte Mäder die Blumen niedermäh'n,
Muß unterm Schwert der Glarner das Feindesheer vergeh'n;
Schau nur, wie tausend Wunden das warme Blut entrinnt,
Sieh, wie die Besten fallen und wilde Flucht beginnt!

Drei Landenberge sterben – drei Schooß von jenem Baum,
Den Unterwalden stürzte – in eines Gartens Raum;
Er ward ihr Todtengarten, wie jener Wiese Plan
Den dreißig Rapperswylern; die reih'n sich neben an.

Herr Klingenberg, der Ritter, und seiner Knechte drei,
Trotz der erprobten Klingen – und Ringgenberg, der Frei;
Der tapfre Hans Bonstetten, der Thierstein stolz und kühn, –
Wie starren kalt und schaurig sie aus dem jungen Grün!

Mit Fünfzig von Schaffhausen sank, hart am Limmatstrand,
Der Ulerich von Waldkirch, »Schönlöwe« zubenannt;
Des Rheinfalls donnernd Rauschen vernimmt er nimmermehr.
Nächst ihm hat sich gebettet der Sax mit Schwert und Speer.

Auch vierzig Frauenfelder hat hier der Tod erreicht;
Die lange Menschenmahde liegt ruhig und erbleicht;
Zunächst bei ihnen schlafen auf blutgetränkter Flur
Vierhundert Tockenburger und viel' aus Winterthur.

Den prahlerischen Thorberg reißt's fort zu wilder Flucht,
Er schleudert ehrlos von sich des Banners heil'ge Wucht;
Auch Tockenburg und Montfort – mit wirren Augen sah'n
Sie erst das Feld von Näfels – denn mit dem Rücken an.

Das war ein wildes Jagen, ein Drängen, Hetzen, Keuchen!
Jedweder sucht die Brücke von Weesen zu erreichen;
Der Knecht kennt keinen Herrn: die Furcht vor gleicher Fahr,
Den Hohen macht sie niedrig, den Niedern ehrfurchsbaar.

Doch Allen eilt die Rache gewaltig hinterdrein,
Die Flüchtigen zu haschen, dem Tode sie zu weih'n:
Sieh' Helm' an Helme stürzen, und – schreckliches Gericht! –
Wie dort die Rettungsbrücke mit Hunderten zerbricht!

Wie selbst der Werdenberger im sichern Hinterhalt
Mit Tausenden erzittert vor dieser Schlachtgewalt!
Beglingen heißt das Dörflein und liegt auf einer Fluh,
Von dort sah er dem Morden mit seiner Nachhut zu.

Und dann – erfaßt von Aengsten, von Todesängsten bang,
Eilt er mit seinen Schaaren dem Kirenzberg entlang;
In jeder Glarnertanne erschaut er seinen Sarg,
Bis endlich ihn die Veste von Grepa longa barg.

Die frommen Glarner knieten nach ausgefochtnem Streit
Vor Gott, dem ein'gen Herrn, dem sich ihr Dienst geweiht;
Ihm und des Landes Schirmern, Sankt Fridolin, entbrennt
Ihr Dank, und Sankt Hilario, nach dem sich Glaris nennt.

Und Riesengräber gruben sie auf dem blut'gen Plan,
Die füllten sie mit Leichen der Herrn und Diener an.
Noch schaust die Todtenhügel du allernächst der Linth,
Obgleich viel Ritterleichen herausgenommen sind.

Eilf Angriffsteine zeigen dir noch zu dieser Zeit,
Wo sich mit frischem Ringen der Löwenkampf erneut;
Zu diesen Steinen pilgern noch jetzt mit frommem Sinn
Am Jahrestag der Fehde die Glarnermannen hin.

Und auch erzählt die Sage, daß in derselben Nacht
Die Riesengräber bersten und ihnen still und sacht
Entsteigen deren Geister, die hier das Volk erschlug,
Und durch das Schlachtfeld schreiten in schauerlichem Zug.

Voran Rutenums Mönche mit langem Silberbart,
Ein dumpf profundis summend, je zwei zu zwei gepaart;
Auf sie die edeln Ritter, die in Ruteno nun.
Durch jene frischbegraben, im düstern Kreuzgang ruhn.

Und drauf die andern Edeln, und all der Kämpfer Schwarm
Mit den empfangnen Wunden in dumpfem, trübem Harm;
Doch schlägt in Mollis drüben die Kirchenglocke Eins.
Versinken All' im Hügel des eilften Angriffssteins.

Hauptmann Arnold Schick von Uri in der Schlacht bei St. Jakob im August 1444

Der Himmel glänzte purpurroth
Und purpurroth das Feld,
Auf welchem ihren Heldentod
Die Schweizer sich erwählt;
Der Tag war heiß, das Lager hart,
Doch strahlt's in ew'gem Glanz;
Denn traun um jeden Schweizer starrt'
Ein bleicher Feindeskranz.

Die Riesenglieder lang gestreckt,
Noch todt der Franken Graus,
So ruhen sie, mit Preis bedeckt,
Von saurer Arbeit aus;
Noch manches letzte Röcheln rang
Aus breiter Brust sich auf;
Doch ungehört und still verklang
Er in des Stromes Lauf.

In Trümmer stürzt das Siechenhaus,
Das manchen Tapfern barg;
Ein schwarzer Schleier quillt heraus.
Umrollt den Riesensarg ...
Zu Birs, hinab die Leichenau,
In rothen Wellen rinnt's ...
Doch vor den bleichen Schweizern, schau!
Entblößt sein Haupt der Prinz....

Und mitten unter Leichen ruht
Der Hauptmann Arnold Schick,
In seinem warmen Urnerblut,
Mit fast gebroch'nem Blick,
Zu Gott und Himmel betet er
Und uns'rer lieben Frau,
Wischt aus den Augen schlummerschwer
Den rothen Todesthau.

Da reitet Herr von Münchenstein.
Der Frankenfreund, gemach –
Das Herz voll Gift, den Kopf voll Wein,
Dem Delphin lachend nach.
Zunächst wo Arnold sterbend lag,
Hält er und jauchzt erfreut.
Den Fuchsbart streichend, »Gold'ner Tag!
In Rosen bad' ich heut!«

Drob rollt des Blutes letzter Rest
In's Urnerangesicht;
Die glimmen Blicke heftet fest
Der Hauptmann auf den Wicht;
Den nächsten Stein faßt er im Nu,
Schwingt über'm Haupt ihn hoch.
Und donnert laut dem Ritter zu:
»» Friß diese Rose noch!««

Ha, wie der ungefüge Stein
Auf Stirn und Nase schoß!
Tief drang er in den Schädel ein –
Der Ritter sank vom Roß.
Dann lehnt' auf des Gefall'nen Brust
Sein Haupt der Arnold Schick,
Und sieh', in stolzer Siegeslust
Bricht jetzt des Helden Blick.

Benedikt fontana

Dort, wo der Innstrom scheidend aus Rhätus Thälern stürmt,
Den Thälern, grün sich kleidend, von Gletschern rings geschirmt,
Genüberliegen Gauen – der Schweizer kennt sie wohl –
Es sind die Berg' und Auen des freundlichen Tirol.

Dort auf der Malserheide liegt ein Graubündnerheld,
Der schuf mit scharfer Schneide aus ihr ein Erntefeld;
Dort stritt er für's bedrohte geliebte Vaterland,
Und sah vor seinem Tode noch, wie es frisch erstand.

Fontana, reiche Quelle, du tränktest uns mit Sieg,
Du, der auf Oestreichs Wälle, ein Todesengel, stieg;
Ach wie du schrittst den Schaaren voran so muthiglich –
Da kam ein Speer gefahren, der traf durchbohrend dich.

Doch rissest rasch zur Stunde heraus die Lanze du
Und hieltest dir die Wunde mit deiner Linken zu.
Und von der Rechten Streiche sank Mancher noch zerspellt:
So tödtet eine Eiche oft den, der sie gefällt!

Dann fing es an zu schwanken um dich, du Tapfrer, her;
Es folgte den Gedanken der matte Arm nicht mehr,
Du rief'st, und sank'st darnieder auf den erstürmten Wall:
» Laßt Euch nicht irren, Brüder, des Einen Mannes Fall!«

Sie ließen sich's nicht irren, wie sehr's ihr Herz zerriß,-
Die Bündnerspeere schwirren in den gemachten Riß.
Die Bündnerschwerter sausen in's Herz der Feinde tief,
Die dort zur Flucht ein Grausen und hier zum Tode rief.

Fünftausend Feinde deckten das Schlachtfeld Hauf' an Hauf';
Die Siegesjubel weckten den Helden nicht mehr auf;
Doch ob sein Leib verweset, sein Grab verloren sei –
Euch, die ihr dieses leset! euch lebt er ewig frei.

Der Traum

Mir träumte jüngst von einem Strom,
Wie ich noch keinen kannte;
Um den der ganze Himmelsdom
Die hehre Kuppel spannte;
Gleich Silber schoß die stolze Fluth
Von unsichtbaren Hügeln;
Und Sternenglanz und Sonnengluth
Sah ich im Strom sich spiegeln.

Und sieh', aus unbekanntem Land
Erschien ein schöner Nachen,
Ein Knabe, der am Ruder stand.
Befuhr den Strom mit Lachen,
Die Woge, die ihn hergebracht.
Sie hätt' ihn auch begraben:
Allein der Mutterliebe Macht
Beschützte treu den Knaben.

Und eine zweite Woge kam
Hellrauschend hergestossen;
Da war der Knabe wundersam
Zum Jüngling aufgeschossen.
Der Strom erglänzte frühlingsmild.
Als ob er Blüthen triebe.
Und d'rüber schwebt ein Engelsbild:
Das Bild der ersten Liebe.

Und eine dritte Woge kam.
Gleich Wettersturm aus Norden;
Da war der Jüngling wundersam
Ein ernster Mann geworden.
Er lenkt den Nachen fest und kühn,
Wie auch die Woge zürne,
Denn Gattenliebe kräftigt ihn
Und kühlt ihm Brust und Stirne.

Und eine vierte Woge kam,
Die drohend sich entfaltet;
Da hat der Mann sich wundersam
Zum Silbergreis gestaltet.
Die Woge schnob, das Schiff zersprang;
Ihn schien es nicht zu kümmern;
Doch Kindesliebe weinte lang
An seines Kahnes Trümmern.

Allein die gleiche Woge trug
Aus dunkler Wasserwüste
Den Redlichen im Windesflug
An Edens Blumenküste,
Nicht zürnt er Wog' und Felsenwand,
Die seinen Kahn zerschlagen;
Der sollt' ihn ja zum Heimatstrand;
Und nimmer weiter tragen.

Und keine fünfte Woge kam,
Ihn weiter zu gefährden.
Ich sah den Alten wundersam
Zum lichten Engel werden.
Mild lächelnd schaut von oben Er,
Wie man sein Schiff begrübe;
Und gleich dem Aar im Sonnenmeer,
Schwamm er in Gottes Liebe.

Lebensbilder

Bald glückverwöhnt, bald Raub des Schmerzens
Starrst blind du in die Welt des Herzens,
Wo Wunder sich an Wunder drängt;
Umringt von wechselnden Gestalten,
Die herrschend mit dir selber schalten,
Lebst du von dichtem Flor umhängt.

Zerrissen ward mir früh die Binde,
Es schmückte schon dem zarten Kinde
Geheimnißvoll sich das Gemach.
Zwei heil'ge Sterne sah ich lächeln.
Zwei weiche Hände fühlt' ich fächeln,
Und alle Sinne wurden wach.

Die Kammer ward zum Paradiese;
Voll Schmetterlinge hing die Wiese –
Bis an die Brust wallt' ich im Gras;
Ein freudig Jauchzen allerwegen
Und Schmelz und Duft quoll mir entgegen,
Wo ich nur ging und stand und saß.

Den blauen Himmel sah ich leben,
Sah Engel auf- und niederschweben,
Ihr Kosen hört' ich früh und spat;
Sie zeigten mir mit weißen Fingern
Den lieben Heiland sammt den Jüngern,
Hinwandelnd durch die gold'ne Saat.

Ich wuchs. Die Räume wurden größer.
Bald schaut' ich Dörfer, Städte, Schlösser,
Sah Menschen, Völker, Land um Land;
Ergriff das Neue stets mit Feuer,
Doch blieb mir über Alles theuer
Der Ort, wo meine Wiege stand.

Denn, weilt' ich nahe, schweift' ich ferne –
Dort leuchteten die beiden Sterne,
Die mir zuerst gestrahlet klar;
Und and're liebe Sterne schlossen,
Als treue, freundliche Genossen,
Sich um der ersten lichtes Paar.

Mich zog's zurück an tausend Fäden;
Bald hört' ich alle Stimmen reden:
Willkommen! scholl's aus Busch und Baum
Und Orgelklang und Blüthenregen,
Geschwisterliebe, Elternsegen
Erquickten mich nach langem Traum.

Aus zarten Wolken, Blüthenzweigen,
Sah ich die Engel wieder steigen
In der Verklärung hellerm Licht;
Der schönste küßte traut und innig
Mir Stirn und Mund und reichte sinnig
Mir Lorbeer und Vergißmeinnicht.

Und lehrte mich der Bäume Rauschen,
Der Vögel Sang versteh'n, belauschen,
Erklärte mir die Sternenschrift,
Verklärte meiner Seele Tiefen
Und lockte Blumen, welche schliefen,
Auf meines Daseins grüne Trift.

So blieb ich gleich und ward ein And'rer.
Der Engel zog den jungen Wand'rer
In einen Tempel: »Horch und schau!«
Ein donnernd Lied hört' ich Betäubter,
Altäre schaut' ich, deren Häupter
Sich tauchen in des Himmels Blau.

Das schlanke Opfer, ohne Fessel,
Sprang selbst heran. Dem Riesenkessel
Entfloß der jungen Ströme Schwall,
In Marmorschalen weit sich breitend,
Die – grünend, blühend, duftend, läutend –
Umschlang der Alpen heil'ger Wall.

»Hier opf're deinem Vaterlande!«
Rings rauschten Fahnen, Lichtgewande;
Anbetend sank ich auf die Knie.
Was in der alten Zeit geschehen –
So tief empfunden, klar gesehen –
O Gott im Himmel! hab' ich's nie.

Noch lag ich schauernd auf den Stufen;
Da hört' ich eine Stimme rufen:
»Jetzt waffne dich und sei ein Mann
Und schwarze Wolken sind gekommen,
Des Aufgangs Sterne, ach! verglommen – –
Die erste, heiße Thräne rann.

Und Stern um Stern sah ich erblassen,
Und aus den düstern Wolkenmassen
Schoß wetterleuchtend Strahl um Strahl;
Die Flamme schlug an's Herz; mir lohnend
Und Wesen – lockend bald, dann drohend –
Umschwirrten jetzt mich ohne Zahl.

Und was der Engel mir bescheeret:
Die blaue Blüthe, ward verzehret,
Den Lorbeer raubte mir der Wind;
Ich glitt, als der Orkan ertoste.
Der Engel blieb mit Rath und Troste:
»Kämpf' als ein Mann, vertrau' als Kind!

Wird auch, was ich dir gab, zu Staube –
An mich, an mich, die Liebe, glaube,
Die ihre Blüthen stets verjüngt;
Die Ewigkeit ist allem Schönen.
Du mußt den Staub dir abgewöhnen,
Der deinen klaren Blick verschlingt.

Nicht die Erscheinung, die du hegtest –
Nein, was du in sie niederlegtest,
Ist gut und schön, und schwindet nicht;
Klag' nie um Körper, welche starben.
Verehre weislich statt der Farben,
Was sie bedingt, das heil'ge Licht.«

Wie Himmelsthau die welke Blüthe,
Traf solche Rede mein Gemüthe;
Die Blicke hob ich trostgewiß –
Sah still, wie sich die Wolken ballten,
Sah sie von höhern Mächten spalten,
Und Sterne strahlen durch den Riß ....

»Sie sind's, die ich erloschen wähnte!«
Ich schlug das Auge, das bethränte,
Zu Boden, voll von Reu' und Scham:
»Wie ging ich selber denn verloren?
Zur Erde kehrt, was sie geboren,
Zum Himmel, was vom Himmel kam.«

Und als ich gläubig so gesprochen.
War mir ein Morgen angebrochen –
Schön, wie er einst dem Kind erglüht.
Voll Sang und Klang und Blüthenregen,
Voll Freundschaft, Liebe, Elternsegen:
Es war der Himmel im Gemüth.

Bergfahrt

Wo die blaue Enziane
Mit dem Bergvergißmeinnicht
Auf dem grauen Felsenzahne
Ein vertrautes Wörtchen spricht;
Wo aus dunkelm Blättergrün –
Flammen gleich im Fichtenwalde
An des Grates schroffer Halde,
Tausend Alpenrosen glüh'n,
Klopft das Herz so frei, so kühn!

Firnenluft, um dich zu trinken.
Klimmen wir auf rauhem Steig
Zu der Neige Höh'n und Zinken
Ueber Schlucht und Felsenzweig.
Da stand ja der Berge Geist,
An der Freiheit Riesenwiege,
Und erzog sie für die Siege,
Die noch heut die Erde preist.
Habe Dank, du guter Geist!

Wo die blaue Enziane
Mit dem Bergvergißmeinnicht
Auf dem grauen Felsenzahne
In geheimen Lauten spricht;
Spricht wohl auch zum großen Geist
Gern ein schweizerisch Gemüthe,
Wir sind oben – zieht die Hüte,
Und, von Firnen hehr umkreist,
Dankt dem guten, großen Geist!

Klage und Trost

Es ist ein Traum, den alle Menschen träumen.
Und eine Lust, die jedes Herz empfand;
Der Hoffnung Blüthen duften von den Bäumen,
Ein reiner Himmel wölbt sich über's Land...
Doch ist's ein Traum; er stirbt in seinen Keimen,
Dem Rasen gleich in heißem Wüstensand.
Kennst du den Traum und seine Seligkeiten?
Es sind der Jugend wonnevolle Zeiten.

Hast du des Adlers kühnen Flug gesehen?
Hoch über alle Berge braust er hin;
Und hörtest du der Eiche stolzes Wehen?
Zu jenen Wolken stieg ihr frisches Grün.
Der Adler sank herab von seinen Höhen,
Die Eiche brach, die unzerstörbar schien...
Es flieht die Zeit und ihre Blüthen fallen,
Und traurig steht das Leben vor uns Allen.

Trink immerhin aus ihrer gold'nen Schale
Den Mohntrank, welchen dir die Jugend reicht,
Träum' immerhin den Traum der Ideale,
Bis dich die kalte Wirklichkeit beschleicht.
Bald drängt die Sorge dich vom Freudenmahle,
Von herben Leiden wird dein Auge feucht –
Und Nichts blieb dir von jener schönen Jugend,
Als die Erinnerung nur und deine Tugend.

Bewahr' sie treu in deines Herzens Tiefen,
Als das Vermächtnis einer theuern Zeit!
Doch jene holden Stimmen, welche riefen:
»Einst reist die Blüthe, die dich jetzt erfreut,
Und Segen wird auf deine Saaten triefen...«
Sie bleiben deinem Zweifelsturm geweiht.
Du trittst in's Leben – sieh', das Leben richtet –
Und deiner Hoffnung Keime sind vernichtet.

Ja, es verbleicht, gleich jenem Rosenschimmer,
Der scheidend erst am Horizonte hing;
Und blutend birgt das Herz die letzten Trümmer
Der schönen Welt, die es mit Lust umfing;
So warm, wie damals, schlägt es wahrlich nimmer;
Des süßen Wahnes Nebelbild verging –
Die Liebe stirbt ... es kommen finst're Pflichten,
Um ihr ein Kreuz als Denkmal aufzurichten.

Auch ich ließ von der Hoffnung mich verlocken.
In stolze Träume wiegt' ich mich so gern!
Auch ich erwachte dann, und sah erschrocken
Von dem geträumten Paradies mich fern;
Die kalte Wahrheit streute ihre Flocken
Und fernhin schwand des Irrthums Wandelstern.
O nimm mein Liebstes, Schicksal! meine Lieder,
Nur jene gold'nen Träume gib mir wieder.

Mag's thöricht sein, die Binde zu verlangen.
Die unserm Aug' des Tages Licht verhüllt –
O, jene Täuschung, die mich einst umfangen,
Sie war so süß, so wonnevoll, so mild!
In ew'gen Reizen schien die Welt zu prangen,
Und meine Phantasie erschuf ein Bild –
Ein Himmelsbild in jenen Weihestunden ...
– Im Außenleben hab' ich's nie gefunden.

Nie werd' ich's finden, nie es warm umfassen,
Das Ideal, dem meine Sehnsucht ruft,
Die Erde scheint das Himmlische zu hassen:
Sie liebt die Blume nur und nicht den Duft.
Die Menschen werden, leben und erblassen,
Sie essen Staub und sinken in die Gruft –
Dann haben sie gelebet und genossen
Und ihre Erdenrechnung ist geschlossen.

So laß uns denn den Blick gen Himmel richten,
Wo's, wie in uns, so ahnungsreich erglüht!
Dort über'n Sternen soll die Nacht sich lichten,
Wenn uns're Lebensblume abgeblüht,
O ahnungreiches Hoffen, süßes Dichten!
Wenn nur dein stilles Lämpchen nie verglüht!
Doch nein! der Gott, der eine Welt gegründet,
Hat's nicht umsonst verheißend angezündet.

An meine Brust

Wo bist du, stilles Plätzchen, wo?
An welchem einst mein Lebenskahn,
Nach langer, wechselvoller Bahn,
Geborgen liegt. Ich frage froh:
Wo bist du, stilles Plätzchen, wo?

Genesungsort, wo bist du, wo?
Der endlich dieses müde Herz,
Von Gram gedrängt, zerfleischt von Schmerz,
Mit Erde kühlt. Ich frage froh:
Genesungsort, wo bist du, wo?

Wo bist du, ernste Pforte, wo?
Durch die mein Wesen, leicht beschwingt,
Zum heil'gen Born des Lichtes dringt?
Der Leib zerstiebt; doch frag' ich froh:
Wo bist du, ernste Pforte, wo?

Wo bist du, Garten Gottes, wo?
In dem die Freundschaft einst bethränt
Das Haupt an meine Urne lehnt,
Und mein gedenkt? Ich frage froh:
Wo bist du, Garten Gottes, wo?

Wo bist du, theures Plätzchen, wo?
Das sich den edlen Ruhm gewann:
»Hier liegt ein tugendhafter Mann!«
O sei mein Grab! Dann frag ich froh:
Wo bist du, theures Plätzchen, wo?

Frühlingsahnung

Der Winter schüttelt stumm das Haupt,
Er fühlt der Stärke sich beraubt;
Er strengt sich an – es fruchtet nicht.
Sein Schnee zerschmilzt, sein Eis zerbricht –
Und was er mühsam sonst gethan,
Natur mit Banden zu umfah'n,
Das muß nun, flüssig aller Enden,
Den Frühlingskeimen Nahrung spenden.

Schon künden rings die Märzenglocken:
»Sie eilt dahin die Zeit der Flocken;
Mit Klang und Duft und Farbenschein
Zieht bald der Frühling wieder ein!«
So, in des Lebens Sturm und Drang
Verkündet uns der Glocken Klang:
Es sei des ew'gen Frühlings Prangen
Auch wieder Einem aufgegangen.

Im Sommer

Der Tag ist schwül und Wolken zieh'n
Schwarzgrau am Rand der Berge hin;
Jetzt jagen sie sich wild und graus
Und breiten sich am Himmel aus.

Bald bricht der Blitz aus ihrem Schooß
In rothen Feuerströmen los;
Der Donner rollt, es braust der Sturm,
Der Firn erbebt, es stürzt der Thurm.

Doch fest im Sturme steht der Mann,
Wenn auch der Blitz ihn treffen kann;
Er blickt voll Klarheit himmelwärts,
Und heil'ges Staunen fühlt das Herz.

Und wenn das Wetter sich gelegt
Und alles Leben frisch sich regt.
Im Sonnenlichte Busch und Baum
Sich schütteln, wie nach schwerem Traum;

Wenn Alles sichtbar fast gereift.
Wenn Segen sich auf Segen häuft;
Dann spricht der Mann mit frommem Muth:
Der Herr ist auch im Sturme gut!

Im Herbst

Der Winter naht, ein rauher Nord durchzieht
Die welken Bäume, ach, und Laub für Laub
Entsinkt den Zweigen. Alles Leben flieht.
Und was das Herz erfreute, wird zu Staub.

Die Lerche schweigt, längst schwieg die Nachtigall.
Tief hinter Nebeln weilt der Sonne Licht;
Die Heerde selbst, die sonst am Stromesfall
Sich Moos und Kräuter suchte, siehst du nicht.

Aus Millionen Kinderleichen webt
Die Mutter Erde sich ihr Sterbgewand,
Bald unter Sturmesbrausen ach, begräbt
Der bleiche Seraph sie mit kalter Hand.

Was engt die Brust? Was treibt die Seele hin,
Gleich seinen Vögeln, in ein fernes Land?
Ach, in ein Land, wo um des Lenzes Grün
Die Ewigkeit den Kranz der Dauer wand!

O Sehnsucht, die auf Glockentönen du
Uns weinend zwischen Erd' und Himmel trägst;
Im Blick auf Gräber unser Herz zur Ruh',
Im Blick nach oben es zur Lust bewegst!

Du, die, wenn uns der Seele Liebling stirbt.
Der Wehmuth Thau in's düst're Auge träuft;
Du, die uns für ein bess'res Leben wirbt;
Ach du, in deren Strahl die Hoffnung reift.

Und uns mit heil'gem Ahnungsschauer füllt,
Der jede bange Todesfurcht entfernt;
Du sprichst zum Gram, der uns in Wolken hüllt,
Daß unser Loos den Wechsel einst verlernt.

Ja, ob auch Alles um uns her verblüht,
Und ob wir selbst, wie welkes Laub, verwehn;
Der Heimatsbrief im sehnenden Gemüth'
Verbürgt uns Auferstehn und Wiedersehn.

Der Schweizer muß singen

Dem Schweizerknaben ziemt Gesang:
Vor eines guten Liedes Klang
Flieht all' der wilde Bubenscherz,
Erschließt sich ahnungsvoll sein Herz,
Und wie ein milder Frühlingsschein
Ziehn seines Hochlands Geister ein.

Dem Schweizerjüngling ziemt Gesang:
Es stürmt ihn auf zu Thatendrang.
Schau, wie des Schlachtenliedes Geist,
Gleich Wettersturm ihn vorwärts reißt;
Da rollt die Stimme riesenhaft,
Das ist der alten Ahnen Kraft.

Dem Schweizermanne ziemt Gesang;
Ernst, wie sein Aug', fest, wie sein Gang;
Er singt, des Höchsten klar bewußt.
Aus starker, ruhevoller Brust,
Und singt er donnernd, singt er weich,
Des Liedes Quelle bleibt sich gleich.

Dem Schweizergreise ziemt Gesang;
Er bleibt sich treu sein Leben lang.
Und scheint er kalt und bebt sein Arm,
Im Herzen sitzt es jung und warm.
Und wie aus hallenreichem Dom
Entrauscht ihm dumpf des Liedes Strom.

Euch, Schweizerfrauen, ziemt Gesang:
Schlingt nicht der Anmuth holder Zwang
Sich um die Kraft und wandelt sie
Zur allerschönsten Harmonie?
Und Frauensang, zu Männersang
Stimmt wie zu Bergsturm Glockenklang.

Uns Schweizern allen ziemt Gesang.
Wen je der Freiheit Hauch durchdrang,
Wer einmal nur im Alpenland
So schöner Heimat Glück empfand,
Wer je die Hände dankend hob,
Der sing' des Vaterlandes Lob!

Wasserfahrt

Auf des See's sanften Wogen
Gleitet unser leichte Kahn;
Wie des Himmels weiter Bogen,
Blau und klar ist seine Bahn.
Sieh', der Wimpel flattert munter.
Prangt in Farben manigfalt;
Ruder tauchen auf und unter.
Und der Schiffer Jubel schallt.

Traun, wie hier Vereinte gleichen
Einem häuslich frohen Bund;
Anker thun und Wimpelzeichen
Aller Freud' und Hoffnung kund;
Blau der Himmel, klar die Fluthen –
Lieb' als Steuer, Glaub' als Mast;
Froh die Fahrt – die Fahrt der Guten
Ist ja immer fröhlich fast.

Bergeshöhe

Wie steh'n in tiefem, tiefem Blau
Der Berge Höh'n so heiter!
Es steigt empor ihr Riesenbau
Gleich einer Himmelsleiter.
Zum Silbergipfel zieht's uns fort;
Es ist, als steh' der Himmel dort
Mit Allem, was wir hoffen.
Uns offen.

Allein schon Mancher fühlt' und sah
Wie rauh der Pfad sich windet;
Kaum daß der Waller hie und da
Ein Alpenröschen findet,
Doch wer mit Willenskraft und Muth
Auf steiler Fahrt das Seine thut.
Der schaut bald, lichtumwoben.
Von oben.

Er schaut die Länder ringsumher,
Sieht ihre Ströme fließen;
Die traute Heimat findet er
Tief unter seinen Füßen,
Dann hebt er seine Blicke klar
Und nimmt die bess're Heimat wahr,
Sieht ihre blauen Weiten
Sich breiten.

Wie sich nun all' des Steigens Müh'n
In Leib und Geist verwischen!
Und wie die blauen Wogen ihn,
Die Himmelslüft' erfrischen!
Wie tief und innig fühlt er jetzt.-
Wer redlich will, wird auch zuletzt
Das Ziel in jenem Leben
Erstreben.

Der Weltlauf

Ein Baum mit Aepfeln voll und schwer
Stand auf der Ebne winkend;
Ein armer Pilger kam daher.
Vor Hunger fast versinkend.

Er schüttelt' hastig, doch gewann
Er nichts bei dem Geschäfte;
Den Baum erklettern wollt' er dann.
Doch fehlten ihm die Kräfte.

Nun wankt' er fort in tiefem Gram,
Fort durch die dürre Heide;
Kaum war der Arme weg, da kam
Ein Mastschwein von der Weide.

An's Schattenplätzchen unter'm Baum
Will es die Treber tauschen;
Doch ist es hingelagert kaum,
Beginnt der Wind zu rauschen.

Am Boden dehnt die Sau sich faul.
Lugt grunzend zu den Aesten,
Die Aepfel fallen ihr in's Maul,
Und zwar die allerbesten.

Verhängniß

Auf zur Sonne blickt die Gegne
Mit den welken müden Augen:
Sieh', mich dürstet, ich verschmachte;
Sag' der Wolke, daß sie regne!

Und die Sonne sagt's der Wolke.
Nein! läßt diese dumpf sich hören,
Soll ich denn für fremdes Leben
Stets mein eigenes zerstören?

Fester ballt sie sich zusammen.
Regt gewitterhaft die Schwingen.
Was in Liebe sie nicht thun mag.
Muß im Zorne sie vollbringen.

Eulenweisheit

Der Geier senkte sich zur Erde
Bei lichtem Vormittag, und trug
Frech mitten aus der frommen Heerde,
Ein Lamm heraus in raschem Flug;
Drauf zwischen Felsen stürzt er's nieder,
Daß er's zerfleische, grausam nieder.

Und wie er da mit scharfer Klaue
Im warmen Eingeweide wühlt,
Naht sich ihm rasch und leis' der schlaue,
Verweg'ne Jägersmann und zielt –
Und mit gelähmtem Schwunggefiedér
Sank der getroffne Räuber nieder.

Als dies dem Uhu ward berichtet,
Der noch in finst'rer Spalte hing,
Sprach der! »Er hat sich selbst gerichtet;
Was war er auch so dumm und ging
Bei Tag am Raube sich zu mästen?
Nachts stiehlt und mordet sich's am besten!«

Höhe und Niedrigkeit

Klagend schaut ein Regentropfen
Aus der Nachtviole Schooß;
»Ach, wie tief bin ich gesunken,
Und wie niedrig ist mein Loos!«

Und die Sonne hört ihn klagen,
Reckt hinein die Strahlenhand,
Zieht empor ihn hoch und höher
Ueber alles Erdenland,

Giebt ihn drauf dem Gletscherwinde,
Der ihn wie mit Tod durchschauert.
Oben starrt jetzt eine Flocke
Und ein Veilchen unten trauert.


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