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Grafensohn und Hirtin ruh'n im kühlen
        Weidenschatten an des Baches Rand!
        Ihre Herzen schon bei Kinderspielen
        Fest die Liebe aneinander band;
                          Wollen Hochzeit nun,
                          Wie die Kinder thun,
        Halten, geben sich die kleine Hand.
»Aber wenn du gross und reich bist, Lieber,
        Denkst wohl nicht mehr an den Kindesscherz!« –
        »Weißt doch, daß ich niemals Jemand lieber
        Hätt' als dich, und dir auch bleibt mein Herz.« –
                          »Ja, so wollen wir
                          Uns versprechen hier,
        Schönen Ernst zu machen aus dem Scherz.«
»Aber, Theurer, bei dem Ehversprechen
        Sollte däucht mich doch ein Zeuge sein.« –
        »Will von dieser Weid' ein Zweiglein brechen
        Und als Ring dir thun an's Fingerlein.« –
             »Zweiglein welkt und bricht
                    Gar zu leicht; drum nicht
        Kann es uns ein guter Zeuge sein.« –
»Wie's mich hat erschrecket! – Hast gesehen
        Dort das Schlänglein kriechen schnell vorbei?«
        »Schlänglein, Schlänglein, lieblich anzusehen
        Unsrer Beider Liebe Zeuge sei;
                    Kommest wie bestellt,
                    Haben dich gewählt,
        Uns zu mahnen an versprochne Treu!« –
Sind seitdem verflossen lange Jahre,
        Hat der Graf vergessen ganz und gar
        Sein Versprechen; kniet den Kranz im Haare,
        Bei ihm eine Andre am Altar;
                    Und die Hirtin treu
                    Stehet bang und scheu
        Dort in der geschmückten Schwestern Schaar.
Und der Priester hat es schon gesprochen,
        Auf den Lippen schwebt, dem Paar das: »Ja«,
        Plötzlich sind die Reihen da gebrochen
        Schaurig drohende Gefahr ist nah.
                    Durch den Kirchengang
                    Rollet eine Schlang',
        Groß wie man noch niemals eine sah.
Wie die Farben schillern, Kämme wogen!
        Wie sie züngelt, wie die Augen glühn!
        Zum Altar in stolzgehobnen Bogen
        Zieht sie durch die stumme Menge hin;
             Wie der Graf sie schaut
                    Wird' im Herzen laut
        Ihm Erinn'rung an die Schäferin.
Gleich hat er die rechte Braut gefunden,
        Führt sie freudig zum Altare fort,
        Kündet laut, wie sie sich einst gebunden,
        Wie er jetzt nur lös' gegebnes Wort;
                    Frei der Zeugenpflicht
                    Weilet länger nicht
        Die geheimnißvolle Schlang' am Ort.
Es braust die wilde Landquart durchs Thal in stürmendem Lauf,
        Da steigen von beiden Seiten die grünen Berge auf,
                Mit Dörfern, Gärten, Höfen und Alpen mannigfalt,
                Dazwischen Aecker und Wiesen, und Bäume und Fels und Wald.
Das ist ein kräftig Leben, das ist ein frisches Blüh'n,
        Die Wiesen und die Weiden so kräuterreich, so grün,
        Und all der kühlenden Bäche weißes, blaues Band;
        Wie wär' es nicht mit Rechten das Wiesenthal genannt?
Der Ritterburgen Trümmer im dunkeln Epheukranz,
        Im rosigen Morgenlichte der weißen Firnen Glanz, 
                Der Berge schroffe Spitzen, so kahl, so altersgrau,
                Wohl sehnend hinab sie schauen zur heitern grünen Au.
Und ringsum weit erschallet ein friedereicher Klang,
        Der Heerdenglocken Läuten, der Hirten froher Sang;
                Und ringsum weit erschallet, wenn kaum die Nacht entflieht
                Der Sensen lustig Klingen, der Mähderinnen Lied.
Du Land der sonnigen Wiesen, der kühlen Waldeslust,
        Wie ziehst du starke Kinder auf an der freien Brust;
                Die Männer fest, wie Felsen, mit löwenkühnem Muth,
                Die Frauen frisch und blühend, wie Alpenrosengluth.
Das ist ein Land der Dichter: da geht wie Mondenstrahl
        Ein leises Geisterwehen zaubervoll durch's Thal.
                Da webt um Wirklichkeiten so blühend und so hold
                Die lichten, leichten Schleier der Sage Abendgold.
Dort springt vom Fels ein Ritter auf feuerschnaubendem Roß
        Dort wallt ein holdes Fräulein nächtlich durch's graue Schloß,
                Dort sieht man auf den Alpen im Nebel Sennen gehn,
                Und unten im grünen Thale die Jungfrau von Schanen.
Und in den Höhlen wohnen der wilden Männlein viel,
        Schwarzlockig, bräunlich, blitzschnell treiben sie dort ihr Spiel,
                Und unten schaurig wandelt des Todtenvolks Gebraus,
                Sie gehn zu Nacht, wie Schatten, die Dörfer ein und aus.
Es springen Quellen perlend aus tiefem Wiesengrund,
        Da kommt aus fernen Thälern, wer werden will gesund; 
                Ich meine nicht besser treff' es, wer lüften will die Brust,
                Als auf den sonnigen Wiesen, in kühler Waldeslust.
Das ist ein Thal der Wunder, der hehren Alpenpracht,
        In das die liebe Sonne am liebevollsten lacht;
                Doch fehlt die beste Perle in ihrem lichten Kranz,
                Die glänzt wie eine Thräne schimmernd in Himmelsglanz.
Es drang durch heitre Lüfte ein reiner Harfenton,
        Der Klang von Lenz, von Freiheit, von süßem Minnelohn;
                Es glänzte am klaren Himmel ein wehmuthsanfter Stern,
                Der tauchte in den Aether so still, so erdefern.
Der Ton der ist verklungen, der Stein der fiel herab;
        Auf Seewis in dem Kirchhof da steht ein grünes Grab;
                Dort schwieg des Tones Klingen, dort losch des Sternes Gluth;
                O laßt den Dichter ruhen; dort ruht es sich so gut.