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Blumenlese – Zweiter Band
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Franz Faßbind

Wolf von Ringgenberg

1. Der Fischer Klaus.

»Wer schauckelt dort sich durch die Fluth?
Ein Mädchen, sieh! wie Milch und Blut!
Wer führt sie durch die Wellen?«
Also zum Jagdgesellen
Spricht Ritter Wolf und spornt sein Roß;
Ihm folgt der wilde Jägertroß
Im Flug zum Strand des Sees.

»Ach! Vater, sieh des Wolfes Zug!
Er sprengt heran im Windesflug!« –
»Laß zittern seine Knechte,
Frei bin ich von Geschlechte.«
Und zischend fliegt der leichte Kahn
Dem Ufer zu, der stolze Mann
Steigt aus mit seiner Tochter.

Und schäumend stampft des Ritters Roß,
Um ihn der wilde Jägertroß,
Schon an des Sees Strande:
»Bist du aus meinem Lande?« –
»Am Thunersee dort, arm und klein.
Steht meine Hütte, fast allein,
Das Erbe meiner Väter.«

»Wer gürtete das Schwert dir um?« –
»Es ist des Freien Heiligthum.«
Der Ritter hört's mit Grauen,
Doch spielt er noch den Schlauen:
»Wohlan! des Freien stolzer Muth
Darf darben nicht bei armem Blut,
Das will sich nicht geziemen.

Heut ist in meinem Felsenhaus
Zum Namenstag ein froher Schmaus;
Wohlan! du zierst beim Feste
Mit deinem Kind die Gäste.«
Der Fischer gibt das Wort zurück.-
»Mir ziemet nicht ein solches Glück,
Laß mich in meiner Hütte.« –

»Ich halte Den für meinen Feind,
Der so mein gütig Wort verneint.« –
»Du willst's, ich werde kommen;
Es mag das Fest dir frommen.«
Der Ritter hört's, er sprengt davon.
Ihm folgt der Troß mit wildem Hohn
Durch Fluren und durch Wälder.

»Ach! Vater, stürze mich hinab,
Im grausen Sturm in's Wellengrab,
Nur trau nicht jenem Worte,
Bleib fern des Ritters Pforte!«
Das Mädchen ruft's in bangem Schmerz,
Ein Thränenstrom am Vaterherz
Entstürzt den zarten Wangen.

»Sei ruhig, holdes Töchterlein!
Denn, bei der Sonne heil'gem Schein,
Ich werd' es furchtbar rächen,
Wenn sie das Gastrecht brächen!«
Doch ward das Mädchen nimmer froh,
Und wie gar schnell der Tag entfloh,
Da ward ihr Herz nur schwerer.

Es senkt', des Sonnenstrahls beraubt,
Der Tag im fernen West sein Haupt,
Als Ritter Wolf im Saale
Schon schwelgte an dem Mahle;
Um ihn in schmucker Rüstung Glanz
Der Ritter und Vasallen Kranz,
Des Wolfes Jagdgenossen.

Halloh! erschallt ihr Lustgesang,
Der gold'nen Becher reiner Klang,
Und trägt des Festes Kunde
Muthwillig in die Runde.
Doch nicht der Freude Himmelslicht
Erglänzt in Ritter Wolfs Gesicht,
Sein Lachen ist erzwungen.

»Verderben auf den Fischerknecht!
Verderben über sein Geschlecht!«
So ruft mit lautem Gellen
Jetzt Einer der Gesellen.
»Hoch leb' des Fischers Töchterlein!«
Fällt schnell ein zweiter Ritter ein;
Wolf glüht bei diesen Worten.

Das kommt auch zu des Fischers Ohr,
Er steht schon an des Schlosses Thor,
Er hört den Klang der Becher,
Den Hohn der wilden Zecher.
»Mach' auf! mach' auf! Hier ist dein Gast!«
Ruft er, und schlägt in grimmer Hast
Sein Schwert an das Gelände.

»Was willst du in des Herren Saal?
Ein Knecht am hohen Rittermahl?
Ein Knecht mit seiner Dirne?«
So höhnt mit frecher Stirne
Der Schloßbub mit geschliffnem Beil,
Und hacket in geschäft'ger Eil'
Das Holz für seine Küche.

»Der Fischer Klaus sei mit dem Kind –
So sag dem Ritter Wolf geschwind –
Gekommen zu dem Feste,
Zu zieren seine Gäste.«
Und wie der Blitz vom Himmel blickt,
So ist des Fischers Schwert gezückt,
Zerhaut den Holzblock zischend.

Er faßt der Tochter weiche Hand,
Und eilt zurück an Sees Strand,
Und sieht in sanftem Wiegen
Den Kahn von dannen fliegen.
Doch schneller ist des Sklaven Mund,
Des Fischers Trotz, schon ist er kund
Dem Ritter Wolf im Saale.

»Es stocke meiner Ahnen Blut
In meines Busens heißer Fluth,
Wenn, eh' er mir entweichet,
Mein Arm ihn nicht erreichet!«
Des Wolfes Zunge stöhnt den Spruch,
Begleitet von der Gäste Fluch;
Sie stürzen aus dem Saale.

»Sieh dort den lust'gen Wellentanz,
Sieh' dort den Kahn im Mondesglanz!
Was hilft dein eitles Drohen?
Dein Gast, er ist entflohen.«
So scherzt auf hohem Schloßbalkon
Des Wolfes Freund in lust'gem Hohn;
Ihm lachen nach die Gäste.

Leicht schaukelnd, wir des Schwanes Tritt,
Das Schifflein durch die Wellen glitt.
»Ach! Vater, siehst das Winken
Wie einer Rüstung Blinken?
Hörst, Vater, wie der Ritter lärmt,
Wie sein Geschrei die Luft durchschwärmt?«
Das Mädchen ruft's mit Beben.

»Der Rüstung Glänzen ist das nicht;
Es ist das helle Mondeslicht;
Und durch die Fenster schwärmen,
Hörst du der Gaste Lärmen.«
Wohl sieht der Fischer, wer ihm winkt,
Die Rüstung kennt er, die dort blinkt;
Doch tröstet er die Tochter.

Und zischend schnurrt es durch die Luft:
»Hilf Gott!« das arme Mädchen ruft,
Und todt sinkt sie darnieder,
Und ihrem schmucken Mieder,
Entströmet eine dunkle Fluth,
Des jungen Herzens warmes Blut;
Tief steckt ein Pfeil im Busen.

Des Fischers starke Faust erschlafft,
Und ihr entsinkt des Ruders Schaft;
Hin kniet er zu dem Kinde,
Daß er die Wunde binde.
Er wäscht das Blut vom Busen ab;
Doch schon gehört es an dem Grab,
Sein Kuß weckt nicht die Todte.

Und todesmuthig steht er auf:
»Du hast geendet deinen Lauf!
Das Blut, das da geflossen,
Ein Wüthrich hat's vergossen.
Ein Gott hat diesen Mord geseh'n:
Du wirst der Rache nicht entgeh'n,
Du Mörder meines Kindes!«

Er schleicht zu seinem Ruder hin.
Sieht traurig still das Schifflein flieh'n,
Und bei des Morgens Röthen,
Da senkt er mit Gebeten
Die Tochter in die kühle Gruft,
Und: »Rache!« heult es durch die Luft;
Weit fliehet Klaus, der Fischer.

2. Der Burgbau.

»Ich bin geeilt, des Herren Willen
Zu thun und seinen Wunsch zu stillen,
Durch manche Stadt, durch manches Land,
Erforschte viele große Geister,
Der Fürsten Zierd', der Künste Meister,
Vom Rhein bis zu der Seine Strand.

Ein Haus will Ritter Wolf sich bauen,
Deß Thürme in die Wolken schauen –
So sagt' ich manchem Bauherrn an –
Ein Haus, an dessen Felsenwällen
Die Stürme ihre Macht zerschellen,
Zum Trotz der Zeit ergrimmten Zahn.

Da mahnte Jeder an die Fabel:
»›Du kennst den tollen Bau zu Babel;
Dort hat der Menschen stolz Geschlecht
Ein ewig Werk sich gründen wollen,
Doch Menschen sind und Bau verschollen;
Dein Ritter hat kein größer Recht.‹«

Das hört an seinem langen Stabe
Ein greiser Pilger nach dem Grabe,
Der ruft mir zu: »›Verzage nicht!
Was diese Blöden nicht erjagen.
Ein Greis wird kühn und frisch es wagen.
Wovon die späte Nachwelt spricht.

Ich bin geweilt am Tiberstrome,
Und an Sankt Petri großem Dome,
Da ward mein Haupt im Lernen grau.
Was ich dem Ritter Wolf errichte,
Geschrieben steht's in der Geschichte,
Geschrieben seines Hauses Bau.‹« –

Der Bote spricht's; mit Wohlgefallen
Ruft Wolf: »Von meinen Knechten allen
Wirst du mir nun der nächste sein!
Der Pilger sitz' im Rittersaale
Zur Rechten mir am hohen Mahle,
Er koste deines Herren Wein!«

Und eh' der Tages Purpurgluthen
Sich tauchten in des Westes Fluthen,
Verläßt der Ritter Wolf sein Schloß.
Sein Auge schielt voll finst'rer Tücke,
Er weidet sich an seinem Glücke,
An seiner Knechte feigem Troß.

Ihm folgt, umwallt von Silberhaaren,
Ein Pilger, mustert ernst die Schaaren,
Die schaffen an des Ritters Werk.
Dort stürzen hundertjähr'ge Eichen
Und Felsen unter ihren Streichen;
Es zittert selbst der greise Berg.

Im Takte hämmern ohne Ende
Des Maurers wund geriebene Hände
Am ungeheuern Quaderstein;
Da trägt mit emsiger Geberde
Die mühsam aufgeworfne Erde
Der Söldner fort in langen Reih'n.

Und sinnend hemmet seine Schritte
Der Pilger in der Sklaven Mitte,
Und scherzend ruft sein schlauer Mund:
»Des Holzes und des Steins Gedränge,
Hier seh' ich's: daß der Bau gelänge,
Ihm mangelt noch des Planes Grund.« –

»Das wird der Meister kühn vollbringen,
Und deiner Hand wird es gelingen,
Zu ordnen meines Hauses Plan.
Hier soll, vom steilen Fels getragen,
Des Walles Kamm zum Himmel ragen:
Er blicke stolz die Wolken an.

Ein Thurm an jeder Mauerecke
Verrathe treu des Feindes Zwecke,
Der sich am Fuß des Berges zeigt.
Ein Riesenthor mit weitem Rachen
Soll dort des Wolfes Burg bewachen,
Dort, wo der Berg sich gählings neigt.

Von seinem Felsenring umgeben,
Wird sich in Siegesfei'r erheben
Des Ritterhauses stolzes Dach;
Der Gothenfenster prächt'ge Spiegel,
Sie seien meines Glanzes Siegel,
Nicht Fürstenhäusern steh'n sie nach.

Nicht müde werde meiner Stimme!«
Höhnt Ritter Wolf mit falschem Grimme –
»Sie mahnet dich an deine Kunst.
Das Wichtigste, es darf nicht fehlen
Zu meines Schlosses prunken Sälen,
Es stellt dich hoch in meiner Gunst.

Ein Haus noch sollst du mir errichten,
Tief in des Bergs geheimen Schichten,
Der Rache fürchterlichen Sitz;
Es koste nicht des Tages Wonne,
Verbannt von jedem Blick der Sonne,
Zu ihm dring' nicht des Himmels Blitz.

Umgrinset nur von feuchten Mauern,
Mag Sklavenbrut den Tag vertrauern,
Hinbrütend in der ew'gen Nacht;
Und an den festen Eisenringen,
Mag sie den eiteln Trotz bezwingen,
Bis ihr des Kerkers Angel kracht.« –

Jetzt zückt es durch des Greises Glieder,
Er beugt sich tief zur Erde nieder,
Ergreift des spitzen Hammers Schaft;
Als prüfte er des Steines Rücken,
So hämmert er, daß Funken zücken,
Und weit des Steines Lücke klafft.

»Das ist der Grundstein meiner Veste,
Von allen Felsen wohl der beste,
Wer löscht die Funken, die er sprüht?« –
»Wie wird die Welt dein Haus erkennen?
Den Riesenbau, wie willst ihn nennen?«
Der Pilger fragt's; sein Auge glüht.

» Tyrannenburg soll mein Haus heißen!«
Und wild, als wollt' es ihn zerreißen,
Stiert Wolf den greisen Pilger an.
Wie vor dem Sturm des Felsen Firne,
Umwölkt sich schnell des Greises Stirne,
Und staunend sieht es der Tyrann.

»Nein! Freiburg sei des Hauses Namen!«
Und Ritter Wolf – er stürzt zusammen.
Die Erde trinkt sein schwarzes Blut;
Denn tief hat des Gehirnes Falten
Des Pilgers Hammer durchgespalten;
Er röchelt in der letzten Wuth.

Den blut'gen Hammer in der Rechten,
Ruft stolz der Greis den müden Knechten:
»Der Unschuld Rache macht euch frei.
Wolf hat ihr kindlich Blut vergossen,
In meinem Arm ist es geflossen;
Zum Himmel drang ihr Todesschrei.

Den Schwur an meines Kindes Grabe,
Hab' ich gelöst am Pilgerstabe;
Gebaut ist des Tyrannnen Haus.« –
Er steigt zu den Befreiten nieder,
Sie kennen den Gefund'nen wieder,
Den Rächer in dem Fischer Klaus.


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