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Blumenlese – Zweiter Band
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Aus den Liedern eines Schweizers

Neuestes aus China

China ist ein gesegnet Land,
Wie sattsam männiglich bekannt:
Den Leuten wachset drin am Schopf,
Grad mitten drauf, ein langer Zopf;
Drum, pars pro toto, heißt zum Ruhme
Das heilge Reich der Mitte Blume,

Da gibt's auch Vögel wunderbar,
Die sind erpicht auf Fische gar;
Was anderwärts wohl auch passirt;
Doch jene sind gar gut dressirt
Und wohl gezähmet und daneben
Auch ihren Herren ganz ergeben.

Die Herren legen nun gar fein
Um deren Hals ein Ringelein,
Als ob's so wäre nur zur Zier;
Doch hindert es die Vögel schier.
Selbst den gestohlnen Fisch zu schlingen.
Statt ihn nur ihrem Herrn zu bringen.

Doch selbst die Vögel sind so dumm
In China nicht! so höret drum:
Sie wollen auch was von dem Raub,
Sonst machten sie sich aus dem Staub;
Das sehn die Herrn wohl ein bei Tische,
Und geben ihnen – faule Fische.

Gebet eines Pharisäers

Ich dank' dir Gott und bin gar froh.
Daß ich nicht bin ein Sünder so,
Daß ich gern geh' zur Kirche hin
Und sitz' im eignen Kirchstuhl drin.

Auch dank' ich für die Taufe gar.
Dadurch ich bin ein Christ fürwahr.
Und nicht ein Türk und Heide blind,
Die allesammt verdammet sind.

Ich dank' dir, daß die Obrigkeit
Mir Schutz und Sicherheit verleiht,
Und daß ich hab' das Bürgerrecht
Und bin ein Herr und nicht ein Knecht.

Ich danke dir, daß mich die Welt
In Ehren und in Ansehn hält.
Und daß gesetzlich ist mein Sinn
Und ich nicht ein Aufrührer bin.

Ich danke dir, daß ich auch Geld
Hab' hier und dorten ausgestellt.
Und daß die Schuldner ohne Frag'
Mir richtig zinsen auf den Tag.

Dann endlich noch sag' ich dir Dank
Gar tief gerührt für Speis und Trank.
Daß ich versorgt bin bis an's Grab –
Und drum auch keine Zweifel hab.

Der Wilddieb

Man schalt mich einen Schelmen gar
Und jagt' mich von der Thür;
Doch nur ein armer Kerl ich war;
Was konnt ich denn dafür?

Es quälte mich der Hunger sehr.
Doch Niemand gab mir Brot;
Es hieß, der Richter mein Vater wär'.
Die Mutter, die war todt.

Da lief ich in den dicken Wald,
Weil ich so Hunger hatt'.
Und Has und Vögel schoß ich bald
Und wollt' mich essen satt.

Der Jäger aus dem Försterhaus
Kam grad nun auch dahin;
Den Fänger zog er da heraus
Und hatte Schlimm's im Sinn.

Doch weil er fett und rund sich aß
Und ich war dürr und schlank.
So meine Kugel schneller was
Als wie sein Messer blank.

Den Jäger in sein Försterhaus
Trug man verwundet schwer,
Das Blut quoll ihm zum Herzen aus,
Er fluchte nimmermehr.

Nun kamen viele, viele Leut',
Und ich war doch allein;
Es hetzt mich lang die wilde Meut',
Bis in die Nacht hinein.

Da war ich müd und blutet' stark,
Ich saß am dunkeln Bach;
Im nassen Busch fror mich durch's Mark,
Die Wunde brannt' und stach.

Gefangen ward ich und geschnürt
Und nach der Stadt gebracht.
Und hin und her vor's Amt geführt,
Von Häschern dann bewacht.

Den Abend leis der Wächter sprach
Zum Kameraden hin:
»Heut halten wir die letzte Wach
Dem armen Teufel drin.«

Ich aber biß in's harte Brot,
Stieß um den Krug von Stein:
Und soll denn nun Spitzbubentod
Mein letztes Ende sein? –

– Du Narr, was schadet Sterben dir?
Hast dann nicht Hunger mehr;
Nicht Vater, Mutter weint nach mir
Und Niemand weit umher.

Nur Eins noch sag' ich, wer ist satt,
Kann leicht auch ehrlich sein,
Und Manchen ehrt die ganze Stadt,
Der sollt gehangen sein!

Sonett an's Vaterland

1840.

Die Völker schaun, die Fürsten auf dem Throne
Auf dich herab und achten dich geringe.
Sie meinen, daß man leichtlich dich bezwinge
Und beug' dein Haupt dem Purpur und der Krone.

Ein Schein nur sei die Freiheit noch; zum Hohne
Dem Enkel nun der Ahnen That erklinge,
Der sie, als wären's Fremde, jetzt besinge.
Sein Leben fristend nur vom Gnadenlohne.

Es zweifeln klagend viel selbst deiner Söhne,
Ich aber will voll Glauben dir vertrauen.
Den ich in meinem Busen groß gezogen.

Gewiß, einst strahlst du noch in Siegerschöne,
Ich glaub' es fest und werd's vielleicht noch schauen,
Daß mich des Herzens Stimme nicht belogen.


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