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Blumenlese – Zweiter Band
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J. J. Honegger

Die Fata Morgana in der Wüste

Stille zogen sie. – Vor ihren Blicken lag die gelbe Fläche
Oed und wüst. Des Sandes Wellen starrten wie erstorb'ne Bäche.
Sand und Sand! Müd die Kameele schleppten sich in langem Zuge.
Hoch – ein Todesbote – stürmte hin der Strauß im Wetterfluge.
Lautlos zog die Karawane. Flammend röstete die Glieder
Sonnengluth. Im heißen Grabe sanken Thier und Reiter nieder.
Trübe wie der Herbstwind strömten auf gen Himmel dunkle Klagen:
»Will kein Moses uns erscheinen, Fluthen aus dem Stein zu schlagen?«
»Auf, ihr müden Schläfer! Rüttelt wach euch aus dem wüsten Traume!
Stolze Marmorhallen steigen schimmernd auf am nahen Saume;
Sanft zu ihren Füßen spielen eines Meeres feuchte Fluthen.
Palmen schütteln ihre Wipfel grüßend in des Morgens Gluthen,
Minarets zu'n Wolken ragen – Meilenzeiger nach dem Himmel.
In den Straßen glühen Säbel und Turbane durch's Gewimmel.
Grün! lebendig grün! Die Helme hell im Morgenthaue blitzen.
Süße Quellen sprudeln murmelnd aus umblümten Felsenritzen.«
Heiser rief's der greise Emir. Lauschend regte sich die Menge.
Dumpf die Worte schollen wie der alten Seher Klaggesänge.

'S strich ein Lüftchen. In der Ferne sank die Palmenstadt zusammen.
Dürr lag's Meer, als hätt's der Samum aufgeleckt mit seinen Flammen,
Sand und ewig Sand! Kameele lagen müd' in langem Zuge.
Hoch – ein Trauermährchen – stürmte hin der Strauß im Wetterfluge.
Das war die Morgana. Träumend nickten sie im heißen Sande.
Eine Leichenfackel flackte roth die Sonn' am Wüstenrande.

Schilflaute

Es zieht mich so geheimnißvoll
An's öde Schilfgestade.
Ein matter Strahl vom bleichen Mond
Fällt auf die dunkeln Pfade.

Ein Nachtgeist flüstert mancherlei
Am schwarzen Schilf im Rohre.
Die Halme hören's, schütteln sich
Und klagen schwer im Chore.

Ich lausche: Weh wird mir zu Muth.
Die Melodie klingt trübe.
Sie ist ein dumpfer Grabgesang
Auf meine todte Liebe.

Stille Größe

Sonne sprach zum Mond: »Im Einen
Reinen Blau wagst du's zu scheinen
Sonnengleich? – Sieh, Jubellieder
Rauschen mir so Palm' als Flieder.
Leben werf' ich in die Lüfte,
Warmes Leben, Licht und Düfte.
Mein, mein harren alle Wesen,
Junger Liebe zu genesen,
Neu zu kosen, neu zu scherzen.
Und du?« –
Sprach der Mond: »Weltmüden Herzen
Lächl' ich Ruh' von Oben zu.«


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