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Blumenlese – Zweiter Band
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Robert Weber

Auf dem Rigi

Sieh', wie er steiget aus dem Thale,
Der Fremdling aus dem fernen Land,
Wie er dem heitern Himmelssaale
Sich nahet an des Abgrunds Rand!
Er athmet leicht und mit Behagen
Der Alpenkräuter würz'gen Hauch,
Er muß nicht um Erlaubniß fragen.
Es ist des Landes guter Brauch.

Zurück im Thal sind ihm geblieben
Der Unmuth und der finst're Groll,
Er lernt auf Bergen wieder lieben,
Wovon ihm einst die Seele schwoll!
Das ist ein Läuten, Jubeln, Klingen
Wie in der schönen Jugendzeit,
Wo uns der Lenz mit Rosenschwingen
Von jedem Harme schnell befreit!

O Menschenherz, wie ist dein Hassen
So schnell im Sonnenschein verzehrt.
Wie kannst du liebend wieder fassen.
Was du mit Schmerzen lang entbehrt;
Siehst du den stolzen Adler fliegen?
Er dringet zu des Lichtes Quell,
Denn wo des Himmels Grenzen liegen
Wird uns die Welt erst klar und hell!

Hinauf, hinauf, in's Reich der Lüste,
Wo Lauterkeit und Sonnenglanz;
Hinauf, hinauf! des Thales Klüfte
Verhüllen uns der Berge Kranz.
Es lebt in uns ein stilles Hoffen,
Denn unser liebster Wunsch vertraut.
Wo wir den Frieden angetroffen.
Da sei die Hütte uns erbaut!

Und ihr, die ihr mit Zweiflerblicken
Den Hort des Glückes euch beseht,
Dem ihr nie werdet Beifall nicken.
Weil ihr im feuchten Thale steht –
Verflucht sei dieses Truges Binde,
Die euch der Wahn um's Auge legt,
Daß eures Herzens starre Rinde
Nur von dem Golde wird bewegt!

Nicht höret ihr die Bronnen quellen
Urkräftig aus der Berge Grund,
Die Ströme nicht, die wasserhellen,
Erbrausen in vereintem Bund!
Wer diese Wunder will erfassen,
Er muß – den Gott in seiner Brust –
Die kalte Niederung verlassen
Und steigen zu des Berges Lust!

Die erste deutsche Pantomine

Zu Augsburg an der Tafel da saßen wohlgemuth
Herr Kaiser Karl der Fünfte und seiner Ritter Hut,
Und neben ihm sein Bruder, der junge Ferdinand,
Da ward beim guten Mahle vergessen das deutsche Land.

Rings fröhliche Gesichter, rings hoher Freude viel,
Den Herren allen weidlich der edle Wein gefiel.
Wie kreiste da der Becher, wie glänzt' der Schüsseln Zahl,
Welch Schallen und welch Tönen im weiten Fürstensaal.

Und wie der Braus auf's Höchste gestiegen eben war,
Da dringt zum hohen Kaiser ein Diener schnelle dar:
»Hier unten weilt im Hofe ein lustig Häufelein,
Will mit des Schauspiels Gaukel Euch Aug' und Herz erfreun.«

Der Herr vernimmt die Kunde mit heiter'm Angesicht:
»Des Witzes feiner Kitzel, ein würzig Nachgericht,
Das aller Sinne sammelt vom starken, edlen Wein,
Drum sollen auch die Bursche gleich eingelassen sein.«

Und stille wird's im Saale, der Humpen ruhet schnell,
Und eine Bühne hebet sich alsobald zur Stell',
Die vollen Zecher harren der losen Narrethei –
Nun walten in ihrem Reiche die Künste frank und frei.

Im Angel knallt die Thüre von schwerem Eichenholz,
Ein Mann im Doctorkleide erscheint mit edlem Stolz, –
Holzscheite unter dem Arme von Tannen und Buchenart,
Wie sich's im grünen Walde von selbst zusammenpaart.

Zu Boden wirft er alle, zerstreut sie hier und dort
Und wie er's schnell verrichtet, so eilt er wieder fort,
Auf seinem Rücken las man: »Reuchlin, seu Capnio« –
Wurd' doch von seinem Holze der keines Räuchleins froh!

Und wieder knallt die Thüre, ein Andrer tritt herein,
Ein Männchen wohl gesittet, die Züge wunderfein.
Ein schalkhaft Lächeln breitet sich um den kleinen Mund,
Und thut sein ganzes Wesen alsbald dem Schauer kund.

Der mühet sich, die Scheite zu ordnen säuberlich,
Was krumm und was gerade, das sondert er für sich,
Dann fängt er an zu schichten und leget lang und quer
Das Holz, das immer wieder einfällt von oben her.

Deß wird der Feine müde und zeigt ein bös Gesicht,
Verdunkelt wird sein mildes und strahlend Augenlicht;
Bedächt'gen Schrittes zieht er, von wannen her er kam,
Von hinten war zu lesen: »Erasmus Rotterdam.«

Ein Dritter schreitet rüstig in brauner Kutte her,
Von Bränden, Kohlenbecken die starke Schulter schwer,
Bald brennt von seinem Eifer der Holzstoß lichterloh.
Er blies aus vollen Backen, bis ihm der Athem floh.

Drob freuet sich das Mönchlein und wirft in volle Gluth
Papier und Pergamente, die lodern hell und gut,
Und füllen alle Räume mit solchem Würzeduft,
Daß jede Nase schnappet nach frischer, reiner Luft.

Vergnügt und selbstzufrieden zieht jetzt das Mönchlein heim,
Von hinten war zu lesen ein wunderlicher Reim:
»Wer nie geliebet Weiber und Wein und den Gesang,
Der bleibt, so Gott mir helfe, ein Narr sein Leben lang!«

Und wieder geht die Thüre, ein Vierter tritt heran,
Ein hagerer und blasser, bartloser, düstrer Mann;
Die eck'gen Glieder decket ein kaiserlich Gewand,
Den Knauf des reichen Schwertes umfängt die gelbe Hand.

Und wie er sieht die Lohe und ihre Siegesgluth,
Entraffet er der Scheide das Schwert in hast'ger Wuth
Und hauet in die Flammen, als wär's ein Türkenfell,
Drob knistert's und drob flammet's noch siebenmal so hell.

Ihm eilt mit Schreckensmiene zu Hülf' ein Cardinal,
Bespricht die Wuth der Flamme, das Antlitz erdenfahl;
Und wie er angstvoll sinnet, zu dämpfen solche Gluth,
Erschaut er in der Ecke zwei Eimer mit Wasserfluth.

Behende gießt er beide in vollen Strömen aus,
Doch wehe, weh', es mehret sich nur der Flammen Graus,
Statt Wasser war im Eimer des Oeles tück'sche Macht,
Die wild im weiten Raume ein Feuermeer erfacht.

Das Spiel das war zu Ende, der Kaiser faßt es schnell;
Es funkeln seine Augen vom rothen Zorne hell:
»Auf, Knappen, greift die Frevler,« herrscht er den Knechten zu,
»Daß uns in Bälde Keiner mehr störe unsre Ruh!« –

Doch weithin über die Berge die Fünfe sind entfloh'n,
Sie gehren keines Ruhmes, sie buhlen nicht um Lohn;
Die erste Pantomine war das im deutschen Land,
Die erste Pantomine voll Wahrheit und Verstand! –

Welt und Herz

Nur in des Lebens vielbewegtem Treiben
Wirst du den eignen Werth an dir gewahr;
Ein schwankes Laub wird der auf ewig bleiben,
Der niemals draußen in dem Sturme war.

Dort bildet sich des Mannes wahre Stärke,
Im Widerstreite wird die gute Kraft,
Die, wie ein Gott, des Menschen beste Werke
Aus des Gedankens tiefer Fülle schafft.

Doch wahre draußen dir die treue Brust,
Dein Heiligthum, von oben her geweiht,
Sie ist so süß des Herzens reinste Lust,
Die Sonne uns'rer Erdenseligkeit.

So vieles zieht im Sturm an dir vorbei,
Du weißt es kaum, was vorher eben war;
Doch, daß im Wechselfall dein Herz es sei,
Das dich erhält, das strebe immerdar.

In der Fremde

Zur Nacht im fernen Lande
Kam mir's im Traume vor,
Wie ich sie hätte verlassen,
Der ich einst Treue schwor.

Es war ein heit'rer Morgen,
Die Vögel sangen all',
Die Bäume grünten und blühten
Und tönten vom Liederhall.

Da thät sie mir winken und nicken,
Trug weiße Rosen im Haar,
Ich mochte den Augen nicht trauen,
So lieblich und hold sie war.

Sie blickt so klar, so wonnig,
Die Stirne glänzte so hell,
Ihr Antlitz war verkläret
Vor mir zur selben Stell'.

Sie schaute mich an so innig,
und streckte die Hand mir her,
Und sprach mit weicher Stimme:
»So liebst du mich denn nicht mehr?«

Ich aber, ich weinte bitter,
Und wachte in Thränen auf –
Der Mond ging bleich am Himmel
Den alten, nächtlichen Lauf.


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