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XVI.

Die Großherzogin Marie Luise an die Gräfin
Wilding-Wild, auf Schloß Wild bei Ebenhausen,
Isartalbahn.

Residenzschloß, am 26. Mai 1908.

Meine teure Joachime!

Zu dem dritten Geburtstag Deines holden Knaben sollst Du die warmen Glückwünsche Deiner Fürstin empfangen, die Deine Freundin ist.

Möge Dein Sohn von Jahr zu Jahr mehr zu Deinem neuen Lebensglück werden.

Er soll ein junger Erdenbewohner sein, den Götter und Menschen lieben.

Zu Deinem neuen Lebensglück –

Du mußtest es Dir durch schweres Lebensleid erkämpfen. Aber der Dornenkranz, den das Schicksal Dir auf die Stirn drückte, wurde doch auch von Rosen durchwunden.

Bis jetzt sind es erst Knospen. Daß sie erblühen und Dein noch so junges Haupt mit Glanz schmücken möchten, ist heute für die Mutter des geliebten Geburtstagskindes mein inniger Wunsch.

Und noch ein Wunsch, der mich selbst betrifft.

Meine teure Achime, Deine alte Freundin muß jetzt eine Krone tragen. Nicht nur Dornen können drücken. Auch die Kronen der Herrscherinnen schmerzen: Haupt sowohl wie Herz.

Du hast mich lieb.

Ich möchte mich jedoch von Dir nicht nur lieben, sondern auch beglücken lassen:

Durch Deine bleibende Gegenwart, Du Liebe!

Nicht jetzt gleich will ich Deine Antwort hören. Ich werde Dich bitten, mich im Juni in Deinem geliebten Augustenthal zu besuchen: mußt Du doch endlich den kleinen Harro seiner Frau Patin zuführen!

Außer Deiner guten Freundin wird sich noch ein anderer auf Dich freuen. Es ist ein Mann, den allein Dein Auf-der-Welt-sein beglückt.

Du Gesegnete, der gegeben ward, Segen zu spenden – diesem Edelsten aller Edlen.

Möchtest Du empfinden, was Dir noch immer geblieben ist: noch immer volles, reiches, heiliges Lebensglück – trotz allem und allem!

Es umarmt Dich, meine teure Achime, und küßt Deinen Knaben

Deine
alte, getreue Freundin

Marie Luise.

Ullstein & Co, Berlin SW