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Die Gräfin Wilding-Wild
an Ihre Königliche Hoheit,
die Frau Erbgroßherzogin Marie Luise.
St. Moritz Bad, Villa Beausite.
Pontresina, am 2. August.
Meine gütigste Herrin!
Hier meine Beichte, die jedoch nicht zugleich auch meine Buße sein soll. Diese werde ich mir selbst auferlegen, werde ich selbst an mir vollziehen.
Erst die ebenso strenge wie milde Strafpredigt Ihrer Königlichen Hoheit brachte mich zur Besinnung. Jetzt bin ich voller Scham, mich gestern so klein gezeigt zu haben. Und das vor meiner großdenkenden Fürstin und meinem Gatten, der nichts so sehr verachtet wie kleine Gefühle. Der Himmel mag wissen, was gestern über mich kam. Es war ein seelischer Krampf, der mich befiel und mir die Besinnung raubte. Uebrigens bedarf ich des Wissens des Himmels nicht; denn ich weiß es selbst.
Eifersucht war es.
Königliche Hoheit vernehmen mein Geständnis, sehen aber nicht meine Zerknirschung; denn meine Eifersucht ist – meines Gatten so unwürdig!
Da war wieder die Frau, die uns schon einmal einer Erscheinung gleich begegnet ist, und die er – so bilde ich mir ein – nur zu gut kennt; die nämliche Frau, die in seinem Leben die Rolle eines Schicksals gespielt, die er einst geliebt hat, die er – immer noch liebt.
Er verschweigt es mir. Nicht aus Furcht oder Schwäche, sondern aus Großmut, Schonung, Mitleid. Er hält mich für so klein, daß er glaubt, ich könnte sein Bekenntnis nicht ertragen; daß er fürchtet, es würde mich vernichten. Weiß er jetzt doch, daß ich ihn liebe, daß ich gelernt habe, ihn zu lieben – gelernt durch das Leiden, welches er mir gab. Es sei gesegnet!
Können Königliche Hoheit mir Antwort geben auf meine bange Frage? … Wenn er jene Frau immer noch liebt, weshalb hat er dann wohl mich zur Frau genommen?
Auch über ein anderes muß ich immerfort sinnen:
Was schied die beiden? Diese Frau, die ich hassen müßte, hat etwas an sich – ich kann es nicht ausdrücken, möchte es »etwas Großes« nennen. Das Wort nennt es jedoch nicht.
Wenn die beiden durch mich getrennt worden wären, durch mich nicht wieder zusammenkommen könnten? Wenn einzig und allein mein Verschwinden, mein Untertauchen in Schatten sie wieder vereinigen könnte? Dieser fremden Frau willen von meinem Gatten mich trennen, wo ich ihn eben erst lieben lernte –
Wenn er es von mir forderte? Wenn sie ein Recht besäße, daß er es fordern könnte?
Ich rede irre und war doch niemals so klar. Sorgen Königliche Hoheit nicht! Ich bin bei vollem Verstand, bleibe es auch. Es tut nur dem Herzen weh, seinen vollen Verstand zu haben und behalten zu müssen, wenn man doch das Recht hätte, ihn zu verlieren.
— — — — —
Wir Frauen kennen das Leben erst, wenn das Leben für uns Liebe, und zwar leidende Liebe, entsagende Liebe geworden ist. Ich höre so viel davon reden: die moderne Frau empfände nicht Liebe, sondern Leidenschaft, sie wolle nur Leidenschaft empfinden – nur Leidenschaft einflößen. Gewiß ist auch das Leben: glühendes, berauschendes, verzehrendes. Es scheint mir jedoch kein rechtes Frauenleben zu sein …
Das sind für mich ganz neue Gedanken. Wer gab sie mir? Wer anders, als der Mann, den ich liebe, und um den ich leide; der Mann, für den ich sterben möchte vor Liebe und Leid.
Die Frau muß leiden können, wenn sie lieben will. Ihr größtes Leid ist ihre höchste Liebe. Es ist unsere stärkste Kraft, unsere einzig wahrhafte Größe.
Diesen gestammelten Zeilen – denn ich kann nicht sagen, wie ich leide und liebe – folge ich selbst sehr bald. In dem großen Frieden der Gegenwart meiner hohen Frau wird auch mir Frieden werden. Was gab Eurer Königlichen Hoheit diese heilige Ruhe?
Soll ich's aussprechen? Darf ich's nennen?
Königliche Hoheit sehen mich an, und der Blick sagt:
»Nenne es. Ich kann es ertragen.«
Es ist die große Entsagung, die meiner Fürstin Seele den großen Frieden gibt: die Entsagung der Frau auf alles, was das Glück der Frau ist. Also die Entsagung auf leidvolle Liebe.
Nicht einmal um ihre Liebe leiden darf die Erbin einer Krone! Eine der erhabensten der Frauen ist der Frauen ärmsten eine.
Wohl mir, daß ich um meine Liebe leiden darf.
Also kein Mitleid!
Darum bittet Euer Königliche Hoheit
durch ihr Leiden beglückte