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Capriccio

Poet, du wahrer Mensch, nicht richtig arm noch reich,
in deinem Äußern selbst so reich als arm zugleich
(und wie erst soll man deines Herzens sicher sein?),
Geschmeidig bald und bald auch täppisch, bald in Pracht –
vom Hoffnungs-Hellgrün bis zur schwarzen Reuenacht
hat immer dein Kostüm etwas vom falschen Schein!

Es fehlt ein Knopf. Es hängt ein Faden vor. Woher
der Flecken – schau doch! kränkt er oder freut er mehr,
lachend und weinend auf dem Cheviot und Linnen?
Der Schlips genial-salopp, der Schuh in Staub und Prangen –
Kurzum: ein Typ, gleich wert, an der Latern zu hangen
und in der Sternennacht zu schwärmen und zu sinnen!

Bettler du! – nein, nicht so: du Vollmensch einzig recht –
Poet, fahr hin, sobald dein Dichterwort nicht echt!
Du bists, und auch dein Wort! So schlimmer wird es sein
für sie, die nicht geliebt, als Narrn von deinem Schlag,
den Mond, der Weib- und Obdachlose trösten mag,
den Tod, der selig wiegt die Unglücksherzen ein,

die armen, die zu gut und stolzer als die Sippe!
Denn scharfer Spott umzuckt gewiß der Schönen Lippe,
sehn sie in Wunden euch, verwundet so unsäglich,
fromm-kleine Herzen, mehr als Jesus leidverfallen!
Zieh hin, Poet, du einzig echter Mensch von allen,
und stirb erlöst, doch stirb am Hunger nicht – womöglich!

Hanns von Gumppenberg


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