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»Was sagst du ...«

Was sagst du, Wanderer, zu Bahnhöfen und Ländern?
Hast du die Langeweile, sie ist reif, gepflückt?
der du, Zigarren, schlecht und schwarz mit Schattenbändern
auf Wände hingeworfen, rauchend, dich beglückt?

Die Augen starben dir an Abenteuerlasten,
so ist dein Zerrgesicht, und ähnlich auch das Weh!
Der Mond gemahnt daran, im Takelwerk der Masten,
und auch bei junger Sonne unsre alte See,

der Friedhof ebenfalls mit immer neuen Gräbern!
Doch hör, sprich das Erfahrne aus! Ein Traum erriets,
auf Flüssen der Enttäuschung, Flößen ... Abwärtsstrebern;
Durch viel zu viele Neugeburt! Der Abscheu siehts.

Das Frauenvolk! Sprich mir vom Gas, den gleichen Schrecken –
des Übels: Immer! Häßlichkeit ist jeder Zweck.
Von Liebe sprich, von Politik an Zettelecken
und Tintenfingern, mit entehrtem Blutesfleck.

Vor allem doch, vergiß nicht, an dich selbst zu denken!
Schon schleppst du nur Vereinfachung und Schrecklichkeit
wohin man kämpft: dort, wo man liebt, Welt einzurenken;
auf Wahnwitzart fürwahr! Zur Sterblichkeit bereit.

Gelangs genug, die plumpe Unschuld zu bestrafen?
Du meinst dazu? Der Mann ist hart! Das Weib jedoch?
Und ihr Gewein: wer tranks? Die Seelen, die sich trafen
und prüften, fanden den Trost: man nennts ein Unglücks-Joch.

Die andern: ach! Und, ach, du selbst! Den Schmeichlern trauend,
der du (es war gewagt) dem Tode zugenickt.
Ach du ihm leicht, behutsam fast entgegenschauend:
aus jener Gattung Engel, die Gelübde knickt!

Doch jetzt die Absichten, den Zweck? Du willst dich zwingen;
vielleicht jedoch hast du das Herz zerweint, durchweicht!
Der Baum scheint zart zu sein nach seiner Borke Ringen:
du hast das Aussehn eines Siegers nicht erreicht!

So unbeholfen noch! Mit der Erschwerung schlaffer
Idylliker zu sein: der dumme Himmel jetzt,
vom offnen Fenster aus, bewacht. Und zwar, als Gaffer,
wenn närrischen Auges der Mittagsgnom vorbeihetzt.

Der gleiche stets in diesem äußersten Verfallen!
Doch würde ein anderer vernünftiger sein,
die Geigen aufspielen lassend, dem Tanze voranwallen:
Und drängte er sich unter Vorbeigehende ein!

Der Seele Falten zerwühle: ein Laster entdecke!
Es sei wie ein Segel der Sonne entgegengesteilt.
Ein schönes, gar fröhlich; ein keckes, das Flammen erwecke,
rotblitzend die purpurne Stirne des Himmels bepfeilt.

Bloß eines? Sinds viele, wohlan! Und zieh in die Kämpfe
beflügelt! Schlag los dann: auf Stock und auf Hieb! Ohne Wahl:
die Larve, die gleichgültig dünkt, setze auf, als kämpfe
in dir sich ein Hassen, gesättigt ... und lechzend vor Qual.

Man sei, in der Welt von Betrügern, nicht gleich der Betrogne,
uns hat kein Bestechend-Besondres das Glück. Echt und recht
erschmeckt es sich bloß, durchhuscht es im Schlamm das Verbogne
des Lüsterns: wer nicht der Betrogene bleibt, der wird schlecht.

Die Weisheit des Menschen: haha! Auf andres die Blicke!
Von dem, was verging, dessen Unlust dein Sprechen erweckt,
damit mich verdächtigster Ratschlag von dir noch bestricke,
besinn ich der Untat mich nur, die ich selber vollstreckt.

In tausend bizarren Begegnungen, die ich erlebte,
von allen den Unglücken, je nach der Zeit und dem Ort,
durch die ich, im Stetsunterwegs, mich wie andre erlebte,
erhielt sich mir einzig die Gnade durch Gott und sein Wort!

Und ich bin gestraft, nun, es mußte so kommen!
Es schleppt nicht der Mann, auch kein Weib, für ein Nichts seinen Leib.
Doch hoffe ich fest auf den Tag der Verzeihung dem Frommen:
uns Christen versprochen! Ein ewig geruhter Verbleib.

Vortrefflich! Kein einziges Stündchen im Leben betrogen!
Doch besser noch steht, wer sich nicht um das Ewge gebracht;
Denn eines tut not: was nur herrscht, weil ins Dauern bezogen:
bestimmt keine Bosheit! Die Güte im Menschen entfacht!

Theodor Däubler


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