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»Unseliger ...«

Unseliger! Alle Gaben, deiner Taufe Ruhm,
die christliche Kindheit, liebreichstes Muttertum,
die Kraft, die Gesundheit, wie das Wasser und Brot,
Bestimmung der Zukunft, ein Bild, von Vergangnem durchloht,
beschrieben und klar, wie die Ebbe mit Flut im Spiel;
zerplünderst du immer: verlierst in Ziererei feig viel;
ja schließlich, leider! den Rest der Macht deines Geistes:
Verfluchter! Ein niemals Ermüdeter, dich reißt es
mit jedem Ruck durch die Welt, einem Ziellosen zu.
Du Wunderkind mit Satyrtun: und stets ohne Ruh!
Es gibt keine Warnung, ob spotthaft, ob trächtig an Schmerzen,
die flammender wäre als Wuchten der Trauer im Herzen.
Verantwortungsloser, du schlenderst zu kühn durch Gefahren.
Man sollte dich (so wie Herkules!) lächelnd gewahren.
Doch wären die Aufgaben, glaube es nur, bloß Getäusch.
Die Freundschaft! Nun ja! Doch bist ihrer Vorwürfe keusch
und milde, du sicher? Mit einem Hoffen nur, dem letzten,
erscheint sie beim Sterbenden, dessen Flüche sie verletzten,
Ein Vaterland, das man vergaß, ist bösen Söhnen hart.
Die andre Welt erscheint von hohlem Strauchwerke umstarrt,
wo nun dein arges Wünschen nutzlos seinen Pfeil verschießt;
und du mußt jetzt vor Türen treten, die man kühl verschließt,
die Schritte beflügeln, aus Furcht, daß man Hunde auf dich hetzt,
und schon ist es gut, wenn kein Gelächter dich verletzt.
Unseliger! Du Christ, du Franzose, wie schade!
Du schreitest hin, im Sinn eine dunkle Ballade,
voll plötzlichem Glück! das du, Ungläubiger, haben mußt:
so wie die Menge! denn du bist happig nach kurzer Lust,
von der Begierde gereizt, zwischen reißenden Begierden:
verschwärmst dich in Lauheiten, Tand und Zierden;
für Wissenschaft, Vergnügungen und den Geist von Paris;
du übersteigerst und lobst das, wofür man dich verließ.
Du Tropf! Verleugner der Sonne, die in Blindheit dich hüllt,
was jemals an Torheit geweidet hat oder gebrüllt,
geriet in dein Hirn wie die Herde, zerstreut übers Gras.
Und alle Laster der Welt gelangten in das Gelaß
des Blutes, in dem nun dein Eisen, aus Feigheit, verrostet.
Du taugst nichts! Dein Wort ist vom Tode durchfrostet.
Die Sprache der Gosse verriet es: der Spott, der dich freut,
denn du hast die Flausen des Tages wiedergekäut.
So ist dein Gedächtnis voll Unzucht und Zoten:
der kleinsten Idee wird der Eingang verboten.
Es schlammt durch der Ichsucht entsetzliches Kreisen
und sucht nur das Nichts vor sich selbst zu beweisen.
Es bleibt, unter schimpflichen Resten des Sturzes,
des Dichterlings Stirn bloß der Stolz für ein kurzes
und häßliches Ansehn: du gleichst dem Verbrecher.
Auch ihm schwirrt der Hochmut im Auge: stets frecher
belacht er den Fehltritt; begafft seine Wut.

– Errette, o Herr, dieses zürnende Blut.

Theodor Däubler


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