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Sub urbe

Die Eibenbäumchen zittern,
vom Winterwind gesträubt,
vereist an Kirchhofsgittern.

An frischen Gräbern starren
wir dumpf, von Schmerz betäubt,
hebt geisternd an zu knarren

der Kreuze Holz. Gemessen
fließt zähren-wellenschwer,
leidtrunken, weltvergessen

ein Menschenstrom einher

von Witwen, Müttern, Söhnen,
des Schmerzes Prozession,
aufschluchzend unter Stöhnen.

Es knirscht von ihrem Schreiten
der Weg, indes voll Hohn
hoch oben Wolken streiten!

Wie des Gewissens Messer
sticht schneidend uns der Frost,
der Mark- und Knochenfresser,

schlingt sicher noch die Toten,
voll Gier nach neuer Kost.
Ihr Armen, Jähbedrohten,

die ihr in stillen Schreinen,
erlöst zur Einsamkeit,
stets fröstelt, mag beweinen

euch Liebe, schlug die Schleier
um euch Vergessenheit:
O ließ doch der Befreier

Lenz uns nicht warten länger,
liebkoste uns sein Licht
und zwitscherten die Sänger!

Daß bei dem glückverklärten
und glühenden Gesicht
der Sonne Au'n und Gärten

ihr Winterweh vergessen
im Blütenüberschwang,
und daß voll Lerchenmessen

und Duft der goldumsprühte
Traumhimmel euren Schlaf,
geliebte Tote, hüte,

als sei er ein Seraph!

Artur Silbergleit


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