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»Des guten Armen Kleid ...«

Des guten Armen Kleid, seht, es ist leicht
      wie Nebel kaum.
Doch, Armer! auch dein Herz, dein Herz ist leicht
       wie eines Vogels Flaum;
und frei: zu Gottes Acker nur bestellt,
       ewig verschont
von aller Erdenschuld, wo in der Welt
       der Mensch in Häusern wohnt.
Dein Teil der Freuden und der Munterkeit
       scheint wohl gering,
dawider dein Gewissen allezeit,
       ach, ein gewaltig Ding.
Ja, dein Gewissen – so viel ist gewiß:
       die Elendsnacht
hat es von tiefster Seelenfinsternis
       erlöst und freigemacht.
Essen und Trinken freilich, sie bedeckt
       ein Schatten dumpf,
doch in den Lenden ist dir Kraft erweckt
       zu Herrschaft und Triumph!
Kraft der Enthaltsamkeit und des Verzichts
       ward dir verliehn,
ein Flügel trägt dich zu dem Quell des Lichts,
       der erst so trüb erschien.
Dein Hirn, von Wein und Würze unbefleckt,
       und nur Gefäß
von Geist, Gedanke, Glut, hochaufgereckt,
       des Schöpfers Plan gemäß:
Zu jeder Unterweisung ists gewillt
       im Wort des Christ
und in der Folge Jesu, der so mild
       und voller Güte ist.
Doch furchtbar auch ist er und fordert sich
       die Träne ein,
die Glut der Schande und des Grames Stich,
       langsam ins Herz hinein,
Aber wer trüge denn die üble Welt,
       wenn du's nicht kannst,
den sie – weil sie ihn für ganz elend hält –
       vergaß, – und du gewannst
ihr Mildestes und allen süßen Sinn,
       der tief erstaunt ...
Die Frau, oft Schwester herb, Gebieterin,
       und dann oft bös gelaunt,
Gefährtin schmerzlich stets, die dich durchblickt:
       Sie schätzte dich
und fand dich plump, gewöhnlich, ungeschickt
       und etwas wunderlich.
Du kannst – sie meints – die Frau nicht lieben, wie
       sie's möchte: um
sie schön zu sehn und gut; du liebst nicht sie,
       weil sie es ist, – und drum
steht sie nicht an und sagt dir ins Gesicht,
       du seist zu leicht ...
Und schon bemerkst du, daß ihr Lächeln nicht
       mehr bis zu dir hin reicht.
Da bist du frei, zu tafeln, Königen gleich,
       am Tisch allein,
ohn Schmeichelei, der Könige Geißelstreich
       und Gift in ihren Wein.
Als ihresgleichen schaun dich Diebe an,
       und Mörder sehn
ein Brüderlein in dir, mit welchem man
       schonend hat umzugehn.
Die unverlangten Tugenden, genannt:
       Klugheit der Welt,
(die andre, höchste, – o daß Gottes Hand
       sie einst dir zugesellt!)
Güte und Lieblichkeit, himmlisch beinah,
       ohn Künstelei
und nicht zurechtgemacht, wie's oft geschah,
       bescheiden und doch frei:
sie ziehn um dein Geschick die Glorienspur,
       das unbeirrt
und linde Gott, zu deinem Heile nur,
       durch dich vollenden wird.
Hellsicht, der gute Engel aber lenkt
       durch die Gefahr
des Bösen dich, der doch so töricht denkt,
       eilig und wunderbar
Hellsicht, – sie ist nicht Mißtraun, weit gefehlt:
       viel eher gleicht
sie, wenn man alles überlegt und zählt,
       der Vorsicht, welche leicht
hinter der Fratze das Gesicht erkennt,
       noch so versteckt,
und des Toren Torheit töricht nennt,
       und jede Spur entdeckt.
Des Heuchlers Gierigkeit, die sie erkannt,
       macht sie zu Erz,
mit einem Blicke wie ein Feuerbrand
       durchs Auge in sein Herz.
Und wagt ers, daß er deinem Ungemach
       doch feindlich blieb,
dann, wie dein Vaterunser es versprach,
       vergib ihm du, vergib!
Vergib und nimm den Vorteil wahr, damit
       Gott dir verzeiht!
Denn was dein Bruder auch durch dich erlitt
       ihn trifft das Leid.

Albrecht Schaeffer


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