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Glück

(Bonheur)

1891


Trägherz

Trägherz, – ist Trägherz selten? denk es! Nein.
Trägherz bin ich, und Trägherz bist auch du,
wir alle sind es, oder sinds gewesen;
wir werdens sein, wenn es die Stunde will.

Empfangen in Erschöpftheit, in der Todesangst
der Doppelgierde, nur von tierischer Glut entflammt,
wo nichts bei diesem Jammer unser eigen ist
als eine Träne, – was denn weint? warum? worin? –
Geboren quer durch Schmerz, durch Blut und Kot, ganz nackt,
verlassen Leib und Seele durch Natur und Geist,
zu altern und zu leiden hier durch Seele und Leib,
lebend dahin tagein, tagaus, zerspellt, geprellt
von Lüsten: um zu sterben in Unseligkeit,
Angst, Grausen, – was in uns – so sei es denn gefragt! –
was wird geboren, leidet, stirbt? – Nichts als solch Ding,
geschickt zu einem Nichts von Nichts, die Not sei's denn,
Gott sehn zu wollen und zu lieben, und noch dem,
was dir vom Herzensgrunde steigt ins Haupt, an Furcht
gemahnend oder Scham, ein – nennen möcht ich es –
unfertig Ding: doch Christentum verwandelt es
in Demut einst. – Alsdann zur Einfalt spricht
Gewissen still: So fahr du fort! – Wiedrum das Fleisch
sagt: Halte ein! – Und dies ist des Gerechten Krieg.
Doch ist nicht alles hin, so hart der Schlag ihn traf,
denn Fleischliches ist der Gewöhnung untertan
vor allem; beugen kann, einfügen muß es sich;
das sind ihm Recht und Pflichten – das Gesetz des Stoffe –
der Forderung der gütigen Natur gemäß.
Auch: einfach ist Natur, gestattet Bildung gern;
sie wächst mit Zartheit, Sanftmut und Allmählichkeit.
Ein Ringer ist dein Leib, Ringkampf ihm Leben sei,
keusch, nüchtern, abhold jeglicher Unbändigkeit,
der Frau, die untergräbt, des Weins, der übertreibt,
abhold der Trägheit, böser noch als Übermaß.
Endlich gestillt, befriedigt dann: nun weißt du schon
die Sakramente, die zu solchem Werke not.
Das Abendmahl nach deiner Beichte ists. Jetzt wird,
erleichtert, licht und ruhmreich fast dein Leib, zurückgekehrt,
wie's ziemte, werkelwillig, wie es ziemt,
sich gerne beugen und gefügig sein im Dienst
vor deinem Geist der Liebe, der Gelübde und
der Opfer; wird der Jahreszeiten Mängel gern
ertragen, wird ein Tempel endlich sein, durchwölkt
von süßer Gnadentat, von Weihrauch rein und von
christlichen Zierden, widerhallend um und um
von Chor und Liturgie. Es wird der Heilige Geist
gern darin wohnen, und auch Christus wird geruhn,
ihn zu besuchen, guten Königen gleich, die wohl
empfangen sind. Und – Trägherz – jetzt, da du nun reich
an Feste bist – jetzt bete um Beharrlichkeit
(denn weise Liebe denkt an sich zuerst!) und nun,
nun schöpfe aus des Glaubens bodenlosem Schacht,
schöpf Glauben mehr als je und biete Gott dein zart
Gelübde an, das glüht und eifrig ist, zum Sehn,
zum Hören auch die Brüder anzufeuern, ja,
daß sie im Schwung dich überholen nach dem Heil,
und schöner sie zu treiben zu den Zielen, die
der Himmel ansieht mit Entzücken: Priester, sei
gedenk! und predige dein Beispiel demutvoll!

Albrecht Schaeffer


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