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Birds in the Night

Du hattest nicht das tiefe Dulden;
zum Unglück kann man es verstehn.
Mein Kind, so jung, ist dein Verschulden
nur Schicksal und Vorübergehn.

Du hattest nicht das süße Reifen,
so jung, mein kaltes Schwesterlein.
Zum Unglück läßt sich alles begreifen.
Wie muß dein Herz gleichgültig sein!

Ich bin erfüllt von reiner Verzeihung,
froh, nur still, obwohl ich bewein,
in diesen Monden der Vermaledeiung
durch dich der glückloseste Mensch zu sein.

*

Sieh, ich hatte recht, dir zu sagen
auf meinem schwarzen Gedankenpfad:
Herd in meinen alten Tagen,
birgt dein Auge mir nur Verrat.

Da schwurst du mir, das sei alles Lüge,
doch dein Blick log selber dazu;
sterbende Glut, daß sie weiterschlüge,
sprach deine Stimme: »Ich liebe dich, du!«

Ach, daß stets an den Wunsch gebannt ist,
wer über die Zeit seines Glückes zielt –
O Tag, der in bittere Freude gewandt ist,
als ich erfuhr, daß ich recht behielt!

*

Weshalb trauere ich nach dem Verluste?
Du liebst mich nicht; so sei es geschehn.
Ich, der nicht Mitleid wollte noch wußte,
will mutig den Schmerzen ins Antlitz sehn.

Ich liebte und will mich mit Leiden strafen
wie ein guter Soldat, der mit tapferer Hand
fiel und sich rüstet zum ewigen Schlafen,
voll Liebe für ein dankloses Land.

Du meine Schöne, geliebt und beglückend,
muß ich denn ewig leiden an dir?
Bist du nicht immer so wild, so entzückend,
so jung wie die Heimat, wie Frankreich in mir?

*

Ich will nicht, kann ich es überhaupt?
hier verweilen mit feuchtem Blick.
Meine Liebe, die du totgeglaubt,
hat vielleicht erkannt ihr Geschick.

Sie, die, Wiedererinnerung nur,
an deinen Dolchen blutet und weint
und viel leidet, bis die Flur
sie einst mit meiner Sehnsucht vereint,

hat vielleicht eine Ahnung gesehn
deiner Reue und ahnte recht,
in ihrer Verzweiflung zu verstehn
das Wort deines Schattens: Wie war ich schlecht!

*

Ich sehe dich noch. Ich öffne die Türe.
Du liegst im Bett wie ermüdet. Oh
Körper leicht, den die Liebe entführe!
Du springst auf, erschrocken und froh.

Küsse und Umarmungen toll!
Lachen und Weinen zwischen Festen.
Ihr Augenblicke, von allem voll,
meine traurigsten, meine besten!

Ich will dein Lächeln nicht wiedersehn,
nicht deine Augen, die süße Falle,
noch dich, zu Verwünschende, will ich sehn –
euch alle nur im Schein und im Schalle.

*

Ich sehe dich noch im Sommerkleide,
weiß und gelb mit Blumen durchwebt;
nicht mehr in der betauten Freude
des schönen Wahnsinns, den wir erlebt.

Die kleine Gattin mit ihrem Geschmeide,
die älteste Tochter war wieder da,
und vor deinem Schleier aus Seide
war es das Schicksal, was ich sah.

Es sei dir verziehn! So will ich mich saugen
nach dem vergangenen, zärtlichen Bild
an den schnellen Seitenblick deiner Augen,
der mich mit Stolz und Gedächtnis erfüllt.

*

Manchmal bin ich das Schiff im Sturme,
arm und steuerlos mitten im Meer,
das Notre-Dame nicht sieht auf dem Turme,
betend sich neigt zu dem Abgrund her.

Manchmal sterb ich im Fischerboote,
noch von Hoffnung auf Beichte entflammt.
Doch kein Beichtiger naht vor dem Tode;
ich fahre nieder zur Hölle verdammt.

Manchmal hab ich die rote Ekstase
des ersten Christen unter dem Joch,
der, ohne zu zucken mit einer Faser,
lächelnd Jesus bezeuget noch.

Walter Hasenclever


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