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Bournemouth

Ans Meergestade reicht der dunkle Wald,
der Tannen, Lorbeern, Fichten dichte Wände,
ringsum die Stadt in dörflicher Gestalt:
der Dächer Rot, von Wipfelgrün umwallt,
und die Kabinen weiß entlang der Badestrände.

Der düstre Wald steigt von der Heide breit
zutal – durchs Tal – kommt schwarz herauf und senkt
sich aufgelichtet zur Verlorenheit
des hingelehnten Friedhofs; Sonne tränkt
der Gräber schwere Nacht mit goldner Schläfrigkeit.

Der Kirchturm links (der seiner Spitze harrt)
ragt unsichtbar mit seinem stumpfen Knauf.
Weit weg die Mole ... Steif ist er und starrt,
wie Britenglauben, herrscherlich und hart,
unkund des Schwunges auch der Herzen himmelauf.

Lieb ist dies Wetter mir: mein Aug erriet
die Sonne, kaum in Dünsten zu vermuten.
Der Nebel stirbt – der Nebel tanzt ... Es flieht
hoch abgewandt der rosige Zenit,
die Luft ist perlenklar, gebleichtes Gold die Fluten.

Vom protestantischen Turm ein Klang ... dann zwei,
drei – vier – dann acht auf einmal ziehn vorbei,
harmonische Einfalt nah und näher rollt,
Entzücken, Jubelruf und Litanei,
in ihrer Stimme Erz und Feuersglut und Gold.

O Klänge stark und süß, im Wald verschwebt!
Musik ist schöner nicht! Wie sanft sie gehen
aufs Meer, das klingt und zitternd sich erhebt,
so dröhnt auf Straßen Marschtritt der Armeen,
des Widerhall gedämpft im Kampf der Vorhut bebt.

Am Frühjahrsabendhimmel wankt so matt
ein schluchzend Rot und lischt im Meer. Was tönte,
starb hin ... Ein kaltes Strahlen taucht die Stadt
in Blut, die schon mit fallender Nacht gekrönte,
und schwingt gen Westen, der noch Glanz und Reinheit hat.

Tief Abend wards und kalt. Die Mole stöhnt
im Wogenprall; sie schaudert: es erdröhnt
ihr tönend Holz von dumpferen Kaskaden.
Verruchter Takt, wie ihn mein Gram gewöhnt,
der meine Tage quält, seit ewig schuldbeladen.

O Herzensöde, Seelenfinsternis!
Aufruhr der See, die Wintersturm zerriß,
Hoffart, gestürzte, die noch röchelnd eifert!
O Nacht voll Schlangenbrut, die ruchlos geifert!
O Höllenvorgeschmack! O Abgrund, mir gewiß!

Horch! dreimal klangs ... wie Flötenton so fein ...
und wieder! Horch! Das Angelus, das schlief,
erwacht und spricht: du mußt nun ruhig sein ...
das Wort ward Fleisch, zu lindern deine Pein,
O Jungfrau, die empfing, o Welt, dein Heiland rief!

Vom Turm am Rand der Wälder hoch – vom seinen –
sprach Gottes Mund mit Lippen des Geläuts.
O Mutter Rom! ich seh dein Bild erscheinen,
die du zum Glück uns führst, dem einzig einen,
und zähmst das zornige Herz zur Jüngerschaft vom Kreuz.

Die Nacht ist samten. Einsam liegt die Mole,
rückflutend schläft der Laut der Wogen ein ...
Ein grader Pfad – ich kann zufrieden sein –
bringt den Verspäteten auf rascher Sohle
nach Haus durch Finsternis weithin am stummen Hain.

Albrecht Schaeffer


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