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»O meine Toten ...«

O meine Toten, reihenweis hinabgefegt,
Erinnerung hat sich um meine Stirn gelegt
wie ein Geflecht, drin goldne Sterne toben;
Erinnrung an Kindheit, Glauben, Gottes Sohn,
hinkniend selber vor des Allerhöchsten Thron
und herrlich in unendlichen Raum gehoben.

O meine Toten, meinem Herzen rührend nah,
wissend um jedes Falsche, das mir hier geschah:
Du Vater, Mutter du, ihr engelhaft Entschwebten;
du, die du mir gesandt warst wie von besserer Welt,
und du, Umschwärmter, einst mir blühend zugesellt,
und dem sich diese dunklen Verse webten.

Ihr alle, o, aus meinem Innern ausgehakt,
plötzlich entrissen mir, mit List und unbefragt,
in meinem schönsten Jahr geknickt, um zu verderben;
o meine Toten, spurlos wie in Sand vertropft,
vielleicht klar fühlend, daß mein Puls schon leiser klopft
und Körper langsam kalt wird abzusterben.

Leer ist die Welt umher; man hat sich selbst nicht mehr.
Und drückt nicht Gott auf meinen Mund wie Felsen schwer,
mich abzurücken, auch mich hinzubücken?
O dunkle Falle, die mich lockend schon verfängt,
und immer tiefer alle Gleichgewichte hängt,
gewaltsam dieses Dasein zu zerpflücken!

Beebnet mir den Weg, daß ich ihn lautlos lauf,
hebt eure Arme mir wie Weiser weiß hinauf,
brennt mir voran in Wolken ungeheuer.
Doch besser noch: der Herr, durchbohrend licht,
bittet für mich; unwürdig nah ich dem Gericht,
unwürdig auch der Qual im Fegefeuer.

Paul Zech


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