Adalbert Stifter
Der Nachsommer
Adalbert Stifter

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Nachdem die zwei Stunden verflossen waren, wurde mit der Glocke das Zeichen zum Mahle gegeben. Alles begab sich in den Saal und erhielt dort seine Sitze angewiesen. Das Mahl war, wie gewöhnlich bei Risach, einfach, aber vortrefflich. Für Kenner und Liebhaber standen sehr edle Weine bereit. Es war nie in dem Saale ein Mahl abgehalten worden, und der Ernst des Marmors, bemerkte mein gewesener Gastfreund, dürfe nur in den Ernst des edelsten Weines nieder blicken. Trinksprüche wurden ausgebracht und sogar Reime auf ewiges Wohl hergesagt.

»Habe ich es gut gemacht, Natta«, sagte mein einstiger Gastfreund, »daß ich dir den rechten Mann ausgesucht habe? Du meintest immer, ich verstände mich nicht auf diese Dinge, aber ich habe ihn auf den ersten Blick erkannt. Nicht bloß die Liebe ist so schnell wie die Electricität, sondern auch der Geschäftsblick.«

»Aber Vater«, sagte Natalie errötend, »wir haben ja über diesen Gegenstand nie gestritten, und ich konnte dir die Fähigkeit nicht absprechen.«

»So hast du dir es gewiß gedacht«, erwiderte er, »aber richtig habe ich doch geurteilt: er war immer sehr bescheiden, hat nie vorlaut geforscht und gedrängt und wird gewiß ein sanfter Mann werden.«

»Und du, Heinrich«, sagte er nach einer Weile, »werde darum nicht stolz. Verdankst du mir nicht endlich ganz und gar Alles? Du hast einmal, da du zum ersten Male in diesem Hause warst, in der Schreinerei gesagt, daß der Wege sehr verschiedene sind und daß man nicht wissen könne, ob der, der dich eines Gewitters wegen zu mir herauf geführt hat, nicht ein sehr guter Weg gewesen ist, worauf ich antwortete, daß du ein wahres Wort gesprochen habest und daß du es erst recht einsehen werdest, wenn du älter bist; denn in dem Alter, dachte ich mir damals, übersieht man erst die Wege, wie ich die meinigen übersehen habe. Wer hätte aber damals geglaubt, daß mein Wort die Bedeutung bekommen werde, die es heute hat? Und alles hing davon ab, daß du hartnäckig gemeint hast, ein Gewitter werde kommen, und daß du meinen Gegenreden nicht geglaubt hast.«

»Darum, Vater, war es Fügung, und die Vorsicht selber hat mich zu meinem Glücke geführt«, sagte ich.

»Die alte Frau, die in dem dunkeln Stadthause unsere Wohnungsnachbarin und zuweilen unser Gast war«, sagte mein Vater, »hat dir, Heinrich, die Weissagung gemacht, es werde recht viel aus dir werden: und nun bist du bloß, wie du selber sagst, glücklich geworden.«

»Das Andere wird kommen«, riefen mehrere Stimmen.

»Eine gute Eigenschaft habe ich an deiner Gattin zu ihren andern Tugenden entdeckt«, fuhr mein Vater fort, »sie ist nicht neugierig; oder hast du, liebe Tochter, das Kästchen schon eröffnet, welches ich dir gegeben habe?«

»Nein, Vater, ich wartete auf deinen Wink«, antwortete Natalie.

»So lasse das Kästchen bringen«, entgegnete mein Vater.

Es geschah. Der Faden mit dem Siegel wurde entzwei geschnitten, das Kästchen geöffnet, und auf weißem Sammt lag ein außerordentlich schöner Schmuck von Smaragden. Ein allgemeiner Ruf der Verwunderung machte sich hörbar. Nicht nur waren die Steine an sich, obwohl nicht zu den größten ihrer Art gehörend, sehr schön, sondern die Fassung, die Steine nicht drückend, war doch so leicht und so schön, daß das Ganze wie ein zusammengehöriges, in einander gewachsenes Werk, wie ein wirkliches Kunstwerk, erschien. Selbst Eustach und Roland sprachen ihre Verwunderung aus, und vollends Risach. Sie versicherten, daß sie keine neue Arbeit gesehen hätten, die dieser gliche.

»Dein Freund, mein Heinrich, hat diesen Schmuck fertigen lassen«, sagte mein Vater, »wir haben Smaragde gewählt, weil er eben sehr schöne und in erforderlicher Anzahl hatte, weil Smaragde unter allen farbigen Steinen den Ton des weiblichen Halses und Angesichtes am sanftesten heben, und weil du tief gefärbte und reine Smaragde so liebst. Und alle hier sind tief und rein. Wir haben gesucht, nach deinen Grundsätzen die Steine fassen zu lassen. Es sind viele Zeichnungen gemacht, gewählt, verworfen und wieder gewählt worden. Es dürfte der beste Zeichner unserer Stadt sein, der endlich das Vorliegende zusammen gestellt hat. Es wurde hierauf beinahe Tag und Nacht gearbeitet, um zu rechter Zeit fertig zu sein. Geöffnet sollte das Kästchen darum nicht werden, damit meine Tochter nicht etwa bloß mir zu Liebe diesen Schmuck an ihrem Trauungstage nehme und einen schöneren und kostbareren, den sie besitze, zu ihrem Leidwesen ruhen lasse.«

»Sie besitzt keinen schöneren«, erwiderte Risach, »wir haben den, welchen sie heute trug, nach Zeichnungen, die wir aus mittelalterlichen Gegenständen frei zusammen trugen, ebenfalls bei Heinrichs Freunde verfertigen lassen. Mathilde, laß doch den Schmuck herbei bringen, daß wir beide vergleichen.«

Mathilde reichte an Natalien ein Schlüsselchen, und diese holte selber das Fach, in welchem der Schmuck lag. Er war eine Zusammensetzung von Diamanten und Rubinen. Er sah so zart, rein und edel aus, wie ein in Farben gesetztes mittelalterliches Kunstwerk. Ein wahrer Zauber lag um diese Innigkeit von Wasserglanz und Rosenröte in die sinnigen Gestalten verteilt, die nur aus den Gedanken unserer Vorfahren so genommen werden können. Und dennoch stand nach einstimmigem Urteil der Smaragdschmuck nicht zurück. Der Künstler der Gegenwart kam zu Ehren.

»Es ist aber auch keiner in unserer Stadt und vielleicht in weiten Kreisen, der so zeichnen kann«, sagte mein Vater, »er huldigt keinem Zeitgeschmacke, sondern nur der Wesenheit der Dinge, und hat ein so tiefes Gemüt, daß der höchste Ernst und die höchste Schönheit daraus hervorblicken. Oft wehte es mich aus seinen Gestalten so an wie aus den Nibelungen oder wie aus der Geschichte der Ottone. Wenn dieser Mann nicht so bescheiden wäre und statt den Dingen, womit man ihn überhäuft, lieber große Gemälde machte, er würde seines Gleichen jetzt nicht haben und nur mit den größten Meistern der Vergangenheit zusammengestellt werden können.«

»Ein Schmuck in seinem Fache«, sagte eine Stimme, »ist doch wie ein Bild ohne Rahmen, oder noch mehr wie ein Rahmen ohne Bild.«

»Freilich ist es so«, entgegnete Risach, »man kann jedes Ding nur an seinem Platze beurteilen, und da mein Freund als mein Nebenbuhler aufgetreten ist, so wäre es nicht zu verwerfen – Natta, bist du mein liebes Kind?«

»Vater, wie gerne!« antwortete diese.

Sie stand von ihrem Stuhle auf, entfernte sich und kam so gekleidet wieder, daß man ihr einen kostbaren Schmuck umlegen konnte. Es geschah zuerst mit den Diamanten und Rubinen. Wie herrlich war Natalie, und es bewährte sich, daß der Schmuck der Rahmen sei. Am Vormittage, in beklemmenden und tieferen Gefühlen befangen, konnte ich dem Schmucke keine Aufmerksamkeit schenken. Jetzt sah ich die schönen Gestaltungen wie von einem sanften Scheine umgeben. Im Mittelpunkte aller Blicke errötete die junge Frau, und die Rosen ihrer Farbe gaben den Rubinen erst die Seele und empfingen sie von ihnen. Der Ausdruck der Bewunderung war allgemein. Hierauf wurde der Smaragdschmuck umgelegt. Aber auch er war vollendet. Der dunkle, tiefe Stein gab der Oberfläche von Nataliens Bildungen etwas Ernstes, Feierliches, fremdartig Schönes. War der Diamantschmuck wie fromm erschienen, so erschien der Smaragdschmuck wie heldenartig. Keiner erhielt den Preis. Risach und der Vater stimmten selber überein. Natalie nahm ihn wieder ab, beide Schmuckstücke wurden in ihre Fächer gelegt, Natalie trug sie fort und erschien nach einer Zeit wieder in ihrem früheren Anzuge.

Bei dem Smaragdschmucke hatte sich etwas Auffälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge im Fache zurückgeblieben. Der Diamantschmuck enthielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie trugen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der Schmuck dem Körper dienen soll. Wenn aber der Körper verwundet wird, um Schmuck in die Verletzung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes.

Als noch immer von den Steinen gesprochen wurde, was ihre Bestimmung sei und wie sie sich auf dem Körper ganz anders ansehen lassen als in ihrem Fache, sagte Eustach etwas, das mir als sehr wahr erschien: »Was die innere Bestimmung der Edelsteine ist«, sprach er, »kann nach meiner Meinung niemand wissen: für den Menschen sind sie als Schmuck an seinem Körper am schönsten, und zwar zuerst an den Teilen, die er entblößt trägt, dann aber an seinem Gewande und an allem, was sonst mit ihm in Berührung kommt, wie Königskronen, Waffen. An bloßen Geräten, wie wichtig sie sind, erscheinen die Steine als tot, und an Tieren sind sie entwürdigt.«

Man sprach noch länger über diesen Gegenstand und erläuterte ihn durch Beispiele.

»Da heute unser Wettkampf unentschieden geblieben ist«, sagte Risach zu meinem Vater, »so wollen wir nun sehen, wer mit geringerem Aufwande seinen Sitz zu einem größeren Kunstwerke machen kann, du deinen Drenhof, oder wenn du ihn lieber Gusterhof nennen willst, oder ich meinen Asperhof.«

»Du bist schon im Vorsprunge«, entgegnete mein Vater, »und hast gute Zeichner bei dir: ich fange erst an, und mein Zeichner liefert mir wahrscheinlich keine Zeichnung mehr.«

»Wenn es uns im Asperhofe an Arbeit fehlt, so werden wir in den Drenhof hinüber geliehen«, sagte Eustach.

»Auch dann, wenn wir hier Arbeit haben«, erwiderte Risach, »ich will dem Feinde Waffen liefern.«

 

Der Nachmittag war ziemlich vorgerückt und es fehlte nicht mehr viel zum Abende. Das Mahl war schon längst aus und man saß nur mehr, wie es öfter geschieht, im Gespräche um den Tisch.

Mir war schon länger her das Benehmen des Gärtners Simon aufgefallen; denn er, so wie die vorzüglicheren Diener des Hauses und Meierhofes, war zu Tische geladen worden. Die Andern hatten in dem Meierhofe ein Mahl. Ich hatte ihm am Morgen zur Erinnerung an den heutigen Tag eine silberne Dose mit meinem Namen in dem Deckel gegeben. Diese Dose hatte er bei sich auf dem Tische und sprach ihr unruhig zu. Manches Mal flüsterte er mit seinem Weibe, das an seiner Seite saß, und öfter ging er fort und kam wieder. Eben trat er nach einer solchen Entfernung wieder in den Saal. Er setzte sich nicht und schien mit sich zu kämpfen. Endlich trat er zu mir und sprach: »Alles Gute belohnt sich, und euch erwartet heute noch eine große Freude.«

Ich sah ihn befremdet an.

»Ihr habt den Cereus peruvianus vom Untergange gerettet«, fuhr er fort, »wenigstens hätte er leicht untergehen können, und ihr seid Ursache gewesen, daß er in dieses Haus gekommen ist, und heute noch wird er blühen. Ich habe ihn durch Kälte zurück zu halten gesucht, selbst auf die Gefahr hin, daß er die Knospe abwerfe, damit er nicht eher blühe als heute. Es ist alles gut gegangen. Eine Knospe steht zum Entfalten bereit. In mehreren Minuten kann sie offen sein. Wenn die Gesellschaft dem Gewächshause die Ehre antun wollte...«

»Ja, Simon, ja, wir gehen hin«, sagte mein Gastfreund.

Sofort erhob man sich von dem Tische und rüstete sich zu dem Gange in die Gewächshäuser. Simon hatte alles Andere um die Stelle des Peruvianus, der in ein eigenes Glashäuschen hinein ragte, entfernt und Platz zum Betrachten der Pflanze gemacht. Die Blume war, da wir hinkamen, bereits offen. Eine große, weiße, prachtvolle, fremdartige Blume. Alles war einstimmig im Lobe derselben.

»So viele Menschen den Peruvianus haben«, sagte Simon, »denn gar selten ist er eben nicht, so mächtig groß sie auch seinen Stamm ziehen, so selten bringen sie ihn zur Blüte. Wenige Menschen in Europa haben diese weiße Blume gesehen. Jetzt öffnet sie sich, morgen mit Tagesanbruch ist sie hin. Sie ist kostbar mit ihrer Gegenwart. Mir ist es geglückt, sie blühen zu machen – und gerade heute. – Es ist ein Glück, das die wahrste Freude hervorbringen muß.«

Wir blieben ziemlich lange und erwarteten das völlige Entfalten.

»Es kommen auch nicht viele Blumen, wie bei gemeinen Gewächsen, hervor«, sagte Simon wieder, »sondern stets nur eine, später etwa wieder eine.«

Mein Gastfreund schien wirklich Freude an der Blume zu haben, ebenso auch Mathilde. Natalie und ich dankten Simon besonders für seine große Aufmerksamkeit und sagten, daß wir ihm diese Überraschung nie vergessen werden. Dem alten Manne standen die Tränen in den Augen. Er hatte Lampen um die Blume angebracht, die bei hereinbrechender Dämmerung angezündet werden sollten, wenn etwa jemand die Blume in der Nacht betrachten wolle. Bei längerem Anschauen gefiel uns die Blume immer mehr. Es dürften in unsern Gärten wenige sein, die an Seltsamkeit, Vornehmheit und Schönheit ihr gleichen. Von den Anwesenden hatte sie nie einer gesehen. Wir gingen endlich fort, und der eine und der andere versprach, im Laufe des Abends noch einmal zu kommen.

Da wir auf dem Rückwege waren und an dem Gebüsche, das sich in der Nähe des Lindenganges befindet, vorbeigingen, ertönte dicht am Wege in den Büschen ein Zitherklang. Risach, welcher meine Mutter führte, blieb stehen, ebenso mein Vater und Mathilde und dann auch die Andern, die sich eben in unserer Nähe befanden. Ich war mit Natalien mehr gegen den Busch getreten; denn ich erkannte augenblicklich den Klang meines Zitherspiellehrers. Er trug eine ihm eigentümliche Weise vor, dann hielt er inne, dann spielte er wieder, dann hielt er wieder inne, und so fort. Es waren lauter Weisen, die er selber ersonnen hatte oder die ihm vielleicht eben in dem Augenblicke in den Sinn gekommen waren. Er spielte mit aller Kraft und Kunst, die ich an ihm so oft bewundert hatte, ja er schien heute noch besser als je zu spielen. Es war, als wenn er nichts auf Erden liebte als seine Zither. Alles, was sich in der Nähe befand, lauschte unbeweglich, und nicht einmal ein Zeichen eines Beifalles wurde laut. Nur Mathilde sah einmal auf Natalien hin, und zwar so bedeutsam, als wollte sie sagen: das haben wir nicht gehört, und das vermögen wir nicht hervorzubringen. Die Zither war ein lebendiges Wesen, das in einer Sprache sprach, die allen fremd war und die alle verstanden. Als die Töne endlich nicht mehr wieder beginnen zu wollen schienen, trat ich mit Natalien ins Gebüsch, und da saß mein Zitherspiellehrer an einem Tischchen und hatte seine Zither vor sich. Sein Anzug war graues Tuch und sehr abgetragen, sein grüner Hut lag neben der Zither auf dem Tische.

»Joseph, bist du wieder in der Gegend?« fragte ich ihn.

»So recht nicht«, antwortete er, »ich bin gekommen, euch auf der Hochzeit einmal gut aufzuspielen.«

»Das hast du getan und das kann keiner so«, sagte ich, »du sollst dafür eine Freude haben, und ich weiß dir eine zu verschaffen, welche dir die größte ist. Bessere Hände können das, was ich dir geben will, nicht fassen als die deinen. Das Rechte muß zusammenkommen. Ich bin dir ohnehin auch noch einen Dank schuldig für dein eifriges Lehren und für deine Begleitung im Gebirge.«

»Dafür habt ihr mich bezahlt, und das Heutige tat ich freiwillig«, sagte er.

»Warte nur einige Tage hier, dann wirst du empfangen, was ich meine«, sprach ich.

»Ich warte gerne«, erwiderte er.

»Du sollst gut gehalten sein«, sagte ich.

Indessen waren alle Andern auch herbeigekommen und überschütteten den Mann mit Lob. Risach lud ihn ein, eine Weile in seinem Hause zu bleiben. Er spielte noch einige Weisen, er vergaß beinahe, daß ihm jemand zuhöre, spielte sich hinein und hörte endlich auf, ohne auf die Umstehenden Rücksicht zu nehmen, genau so, wie er es immer tat. Wir entfernten uns dann.

Ich rief sogleich den Hausverwalter herbei, sagte ihm, er möge mir einen Boten besorgen, welcher auf der Stelle in das Echertal abzugehen bereit sei. Der Hausverwalter versprach es. Ich schrieb einige Zeilen an den Zithermacher, legte das nötige Geld bei, versprach noch mehr zu senden, wenn es nötig sein sollte, und verlangte, daß er die dritte Zither, welche die gleiche von der meinigen und der meiner Schwester sei, in eine Kiste wohlverpackt dem Boten mitgebe, der den Brief bringt. Der Bote erschien, ich gab ihm das Schreiben und die nötigen Weisungen, und er versprach, die heutige Nacht zu Hilfe zu nehmen und in kürzester Frist zurück zu sein. Ich hielt mich nun für sicher, daß nicht etwa im letzten Augenblicke die Zither wegkomme, wenn sie überhaupt noch da sei.

Indessen war es tief Abend geworden. Ich ging mit Natalien und Klotilden noch einmal zu dem Cereus peruvianus, der im Lampenlicht fast noch schöner war. Simon schien bei ihm wachen zu wollen. Immer gingen Leute ab und zu. Joseph hörten wir auch noch einmal spielen. Er spielte in der großen unteren Stube, wir traten ein, er hatte guten Wein vor sich, den ihm Risach gesendet hatte. Das ganze Hausvolk war um ihn versammelt. Wir hörten lange zu, und Klotilde begriff jetzt, warum ich im Gebirge so gestrebt habe, daß sie diesen Mann höre.

Ein Teil der Gäste hatte noch heute das Haus verlassen, ein anderer wollte es bei Anbruch des nächsten Tages tun und einige wollten noch bleiben.

Im Laufe des folgenden Vormittages, da sich die Zahl der Anwesenden schon sehr gelichtet hatte, kamen noch einige Geschenke zum Vorscheine. Risach führte uns in das Vorratshaus, welches neben dem Schreinerhause war. Dort hatte man einen Platz geschafft, auf welchem mehrere mit Tüchern verhüllte Gegenstände standen. Risach ließ den ersten enthüllen, es war ein kunstreich geschnittener Tisch und hatte den Marmor als Platte, welchen ich einst meinem Gastfreunde gebracht hatte, und über dessen Schicksal ich später in Ungewißheit war.

»Die Platte ist schöner als tausende«, sagte Risach, »darum gebe ich das Geschenk meines einstigen Freundes in dieser Gestalt meinem jetzigen Sohne. Keinen Dank, bis alles vorüber ist.«

Nun wurde ein großer, hoher Schrein enthüllt.

»Ein Scherz von Eustach an dich, mein Sohn«, sagte Risach.

Der Schrein war von allen Hölzern, welche unser Land aufzuweisen hat, in eingelegter Arbeit verfertigt. Eustach hatte die Zusammenstellung entworfen. Die Sache sah außerordentlich reizend aus. Ich hatte bei meinem Winterbesuche im Asperhofe an diesem Schreine arbeiten gesehen. Ich hatte damals die Ansammlung von Hölzern seltsam gefunden, auch hatte ich den Zweck des Schreines nicht erkannt. Er war in mein Arbeitszimmer für meine Mappen bestimmt.

Zuletzt wurden mehrere Gegenstände enthüllt. Es waren die Ergänzungen zu meines Vaters Vertäflungen. Das war gleich auf den ersten Blick zu erkennen und erregte Freude; aber ob sie die rechten oder nachgebildete seien, war nicht zu entscheiden. Risach klärte alles auf. Es waren nachgebildete. Zu diesem Behufe hatte man von mir die Abbildungen der Vertäflungen des Vaters verlangt. Roland hatte vergeblich nach den echten geforscht. Er hatte Messungen nach den vorhandenen Resten vorgenommen und nach Orten gesucht, auf welche die Messungen paßten. In einem abgelegenen Teile der Holzbauten des steinernen Hauses hatte er endlich Bohlen gefunden, welche den Messungen genau entsprachen. Die Bohlen waren teils vermorscht, teils zerrissen und trugen die Verletzungen, wie man die Schnitzereien von ihnen herab gerissen hatte. Es war nun fast gewiß, daß die Ergänzungen verloren gegangen seien. Man machte daher die Nachbildungen. In demselben Winterbesuche hatte ich auch das Bohlenwerk zu diesen Schnitzereien gesehen. Mein Vater erklärte die Arbeit für außerordentlich schön.

»Sie hat auch lange gedauert, mein lieber Freund«, sagte Risach, »aber wir haben sie für dich zu Stande gebracht, und sie wird genau in dein Glashäuschen passen oder leicht einzupassen sein; außer du zögest vor, die Schnitzereien in den Drenhof bringen zu lassen.«

»So wird es auch geschehen, mein Freund«, sagte mein Vater.

Nun ging es erst an ein Danksagen und an ein Ausdrücken der Freude. Die Geber lehnten jeden Dank von sich ab. Man beschloß, die Gegenstände in kurzer Zeit auf ihren Bestimmungsort zu bringen.


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