Adalbert Stifter
Der Nachsommer
Adalbert Stifter

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»Die Stadt, welche mir Anfangs so unheimlich gewesen war, wurde mir immer lieber. Ich gewöhnte mich daran, immer fremde Menschen in den Gassen und auf den Plätzen zu sehen und darunter nur selten einem Bekannten zu begegnen; es erschien mir dieses so weltbürgerlich, und wie es früher mein Gemüt niedergedrückt hatte, so stählte es jetzt dasselbe. Einen schönen Einfluß übten auf mich die großen wissenschaftlichen und Kunsthilfsmittel, welche die Stadt besitzt.

Ich besuchte die Büchersammlungen, die der Gemälde, ich ging gerne in das Schauspiel und hörte gute Musik. Es lebte von jeher ein großer Eifer für wissenschaftliche Bestrebungen in mir, und ich konnte demselben jetzt bei der Heiterkeit meiner Lage Nahrung geben. Was ich bedurfte und was ich durch meine Mittel mir nicht hätte anschaffen können, fand ich in den Sammlungen. Da ich den sogenannten Vergnügungen nicht nachging, sondern in meinen Bestrebungen mein Vergnügen fand, so hatte ich Zeit genug, und weil ich gesund und stark war, reichte auch meine Kraft aus. In hohem Maße befriedigten mich einige schöne Gebäude, besonders Kirchen, dann Bildsäulen und Gemälde. Ich brachte manchen Tag damit zu, mich in die Betrachtung der kleinsten Teile dieser Dinge zu vertiefen. Auch hatte ich manche Familien kennen gelernt, wurde bei ihnen aufgenommen und bildete nach und nach meinen Umgang mit Menschen etwas mehr heraus.«

»Da ich in dem zweiten Jahre meiner Lernzeit war, vermählte sich meine Schwester. Ich hatte ihren jetzigen Gatten schon früher gekannt. Er war ein sehr guter Mann, hatte keine Leidenschaften, keine übeln Gewohnheiten, war häuslich sogar auch tätig, hatte eine angenehme Körpererscheinung, war aber sonst nichts mehr. Diese Vermählung hatte mir keine Freude und kein Leid gemacht. Da ich meine Schwester so liebte, so war mir stets, daß sie nie einen andern Mann als den allerherrlichsten bekommen solle. Dies war nun wohl nicht der Fall. Die Mutter schrieb mir, daß mein Schwager seine Gattin sehr verehre, daß er lange und treu um sie geworben und endlich ihr Herz gewonnen habe. Sie wohnen in unserem Hause, und von da aus treibe er still und emsig sein kleines Handelsgeschäft, das sie nähre. Ich schrieb einen Brief entgegen, worin ich den Vermählten Glück und Segen wünschte und den Schwager bat, seine Gattin sehr zu lieben, zu schonen und zu ehren; denn ich glaube, daß sie es verdiene. Die Antworten versprachen alles, so wie die folgenden Briefe immer den Stempel eines stillen häuslichen Friedens trugen.«

»In diesen Verhältnissen kam die Zeit heran, da ich mit den letzten Prüfungen meine Vorbereitungsjahre beendigt hatte. Ich richtete eben mein Reisegepäcke zusammen, um der Verabredung gemäß nach langer Trennung die Meinigen wieder zu sehen, als ein Brief von der Hand der Schwester kam, dessen Inneres häufige Tränenspuren zeigte und der mir sagte, daß unsere Mutter gestorben sei. Sie war vor einiger Zeit krank geworden, man hielt das Übel nicht für gefährlich, und da man mich in der Vorbereitung zu meinen letzten Prüfungen wußte, so wollte man mir, um mich nicht zu stören, keine Meldung von der Krankheit zukommen lassen. So zog es sich durch zehn Tage hin, von wo es sich rasch verschlimmerte, und ehe man es sich versah, mit dem Tode endigte. Man konnte mir nur mehr diesen melden. Ich raffte sofort alles zusammen, was zu einer Reise nötig schien, schrieb zwei Zeilen an einen Freund, worin ich ihn bat, die Sache meinen Bekannten, die ich ihm bezeichnete, zu melden und mich zu entschuldigen, daß ich ohne Abschied abreise.

Hierauf ging ich auf die Post und ließ mich einschreiben. Zwei Stunden darnach saß ich schon in dem Wagen, und obwohl wir in der Nacht wie am Tage fuhren, obwohl ich von der letzten Post aus, an der der Weg nach meiner Heimat ablenkte, eigene Pferde nahm und mittelst Wechsels derselben unaufhörlich fortfuhr, so kam ich doch zu spät, um die irdische Hülle meiner Mutter noch einmal sehen zu können. Sie ruhte bereits im Grabe. Nur in ihren Kleidern, in Geräten, im Arbeitszeuge, das auf ihrem Tischchen lag, sah ich die Spuren ihres Daseins. Ich warf mich in eine Lehnbank und wollte in Tränen vergehen. Es war der erste große Verlust, den ich erlitten hatte. Zur Zeit des Todes des Vaters war ich zu jung gewesen, um ihn recht empfinden zu können. Obwohl der erste Schmerz unsäglich heiß gewesen war und ich geglaubt hatte, ihn nicht überleben zu können, so verminderte er sich wider meinen Willen von Tag zu Tag immer mehr, bis er zu einem Schatten wurde und ich mir nach Verlauf von einigen Jahren keine Vorstellung mehr von dem Vater machen konnte. Jetzt war es anders. Ich hatte mich daran gewöhnt, die Mutter als das Bild der größten häuslichen Reinheit zu betrachten, als das Bild des Duldens, der Sanftmut, des Ordnens und des Bestehens. So war sie ein Mittelpunkt für unser Denken geworden, und mir kam fast nicht zu Sinne, daß das je einmal anders werden könne. Jetzt wußte ich erst, wie sehr wir sie liebten. Sie, die nie gefordert hatte, die nie auf sich irgend eine Beziehung gemacht hatte, die geräuschlos immer gegeben hatte, die jedes Schicksal als eine Fügung des Himmels empfangen hatte und die in ruhigem Glauben ihre Kinder der Zukunft anvertraut hatte, war nicht mehr. Unter der Decke der Schollen schlummerte ihr Herz, das dort vielleicht so ergebungsvoll schlummerte, wie es sonst in der Kammer unter der Hülle seiner weißen Decke geschlummert hatte. Die Schwester war wie ein Schatten, sie wollte mich trösten, und ich wußte nicht, ob sie des Trostes nicht noch bedürftiger wäre als ich. Der Gatte meiner Schwester war in einer gewissen Ergebung, er war stille und ging an die Beschäftigungen seines Berufes. Ich ließ mir nach einer Zeit das frische Grab der Mutter zeigen, weinte dort meine Seele aus und betete für sie zu dem Herrn des Himmels. Da ich in das Haus zurückgekehrt war, besuchte ich alle Räume, in denen sie zuletzt geweilt hatte, besonders ihr eigenes Stübchen, in welchem man alles gelassen hatte, wie es bei ihrer Erkrankung gewesen war. Der Schwager und die Schwester boten mir an und baten mich, eine Zeit bei ihnen zu verweilen. Ich nahm es an. In dem hinteren Teile des Hauses, den ich immer am meisten geliebt hatte, war schon vor der Erkrankung der Mutter ein Zimmer für mich, größtenteils durch ihre Hände, hergerichtet worden. Dieses Zimmer bezog ich und packte darin meinen Koffer aus. Seine zwei Fenster gingen in den Garten, die weißen Fenstervorhänge hatte noch die Mutter geordnet, und das Linnen des Bettes war durch ihre vorsorglichen Finger gleichgestrichen worden. Ich getraute mir kaum, etwas zu berühren, um es nicht zu zerstören. Ich blieb sehr lange unbeweglich in dem Zimmer sitzen. Dann ging ich wieder durch das ganze Haus. Es schien mir gar nicht, als ob es das wäre, in welchem ich die Tage meiner Kindheit verlebt hatte. Es erschien mir so groß und fremd. Die Wohnung, welche sich meine Schwester und ihr Gatte darin eingerichtet hatten, war früher nicht da gewesen, dafür war das Gemach für Vater und Mutter, das immer, auch nach seinem Tode, noch bestanden war, verschwunden, ebenso fand ich das Zimmer für uns Kinder nicht mehr, welches ich in allen Ferien, die ich zu Hause zugebracht hatte, noch in dem Zustande aus unserer früheren Zeit her gesehen hatte. Es war eben eine neue Haushaltung in dem Gebäude eingerichtet worden. Unter dem Dache angekommen, sah ich, daß man schadhafte Stellen des Daches ausgebessert hatte, daß man neue Ziegel genommen hatte und daß an den Kanten, wo sich früher die Rundziegel befunden hatten, die neue Art der Verklebung durch Mörtel angewendet worden war. Dies alles tat mir wehe, obwohl es natürlich war, und obwohl ich es zu einer andern Zeit kaum beachtet haben würde. Jetzt aber war mein Gemüt durch den Schmerz erregt, und jetzt schien es mir, als ob man alles Alte, auch die Mutter, aus dem Hause hinaus gedrängt hätte.«

»Ich lebte von jetzt an still in dem Zimmer, las, schrieb, ging täglich auf das Grab der Mutter, besuchte die Felder und manches Wäldchen, hielt mich aber von den Menschen ferne, weil sie immer von meinem Verluste redeten und mit den Worten in ihm stets wühlten. Das Haus war auch sehr stille. Die Vermählten hatten noch keine Kinder, mein Schwager, dessen Wesen friedlich und einfach war, befand sich größtenteils außer Hause, die Schwester besorgte mit der einzigen Magd, die sie hatte, die häuslichen Geschäfte, und wenn die Abenddämmerung kam, wurde die Tür, die gegen die Straße ging, mit den eisernen Stangen von Innen verriegelt, und nur die in den Garten führende blieb offen, bis die Stunde zum Schlafen kam, wo sie dann auch die Schwester mit eigenen Händen schloß. Das häusliche Glück der zwei Ehegatten schien fest gegründet zu sein, das war eine Linderung für meine Wunde, und ich verzieh dem Schwager, daß er nicht ein Mann war, der durch hohe Begabung und den Schwung seiner Seele die Schwester zu einem himmlischen Glücke emporgeführt hatte.«

»So vergingen mehrere Wochen. Vor meiner Abreise ging ich noch in unser Gerichtsamt, verzichtete dort für meine Schwester auf jeden Erbanspruch des von unsern Eltern hinterlassenen Besitztumes und ließ meine Rechte auf die Schwester überschreiben. So war den beiden Gatten das Dasein, so lange es ihnen der Himmel verlieh, gesichert; ich hatte als Erbteil den Unterricht bekommen und hoffte durch das, was er mir an Kenntnissen eingebracht hatte und was ich mir noch erwerben wollte, den Unterhalt meines Lebens schon zu decken. Hierauf reiste ich, von dem Danke und von den wärmsten Wünschen für mein Wohl von der Schwester und dem Schwager begleitet, wieder in die Stadt ab.«

»In derselben begann ich jetzt ein sehr zurückgezogenes Leben zu führen. Ich hatte mir so viel erspart, daß ich nur einen kleinen Teil meiner Zeit zum Unterrichtgeben verwenden mußte. Die übrige wendete ich für mich an und verlegte mich auf Naturwissenschaften, auf Geschichte und Staatswissenschaften. Meinen eigentlichen Beruf ließ ich etwas außer Acht. Die Wissenschaften und die Kunst, deren Vergnügen ich nie entsagte, füllten mein Herz aus. Ich suchte jetzt weniger als je die Gesellschaft von Menschen auf. Die Notwendigkeit, die Zeit der Vorbereitung zu meinem Berufe recht zu benutzen und mir außerdem noch meinen Lebensunterhalt zu erwerben, hatte mich schon in früheren Jahren fast nur auf mich allein zurückgewiesen, und ich setzte jetzt dies Leben fort.«

»Allein es dauerte nicht lange in dieser Art. Schon nach einem halben Jahre, als ich das Grab der Mutter verlassen hatte, kam mir von meinem Schwager die Nachricht zu, daß zu den zwei Gräbern des Vaters und der Mutter auf unserer Familienbegräbnisstätte ein drittes Grab gekommen sei, das meiner Schwester. Sie hatte sich seit dem Tode der Mutter nicht recht erholt, und eine unversehene Verkühlung raffte sie dahin. Der Schwager schrieb mir, und wie ich sah, in aufrichtigem Kummer, daß er nun ganz verlassen sei, daß er keine Freude mehr habe, daß er einsam sein Leben zubringen wolle, daß er wohl von der Verewigten zum Erben eingesetzt worden sei, daß er aber gerne mit mir teilen wolle, er habe kein Kind, seine einzige Freude liege im Grabe, er achte nicht mehr viel auf Besitzungen, sein Stückchen Brod, welches für sein einfaches Leben recht klein sein dürfe, werde er für die Zeit schon finden, die er noch zubringen müsse, ehe er zu Kornelien gehen könne. Da der Mann meine Schwester sehr geliebt hatte, da ihre Briefe an mich immer von ihrem Glücke erzählten, gönnte ich ihm das kleine Besitztum und schrieb ihm zurück, daß ich keine Ansprüche erhebe und daß er das Hinterlassene ungeteilt genießen möge. Er dankte mir, ich sah aber aus seinem Briefe, daß er über das Geschenk eben keine sonderliche Freude habe.«

»Ich zog mich nun noch mehr zurück, und mein Leben war sehr trübe. Ich zeichnete viel, ich bildete zuweilen auch etwas in Ton und suchte sogar manches in Farben darzustellen. Nach einiger Zeit kam mir von befreundeter Hand der Antrag, daß ich bei einer gebildeten und wohlhabenden Familie wohnen möchte, daß ich einen Teil des Unterrichtes eines Knaben, der in der Familie sei, gegen vorteilhafte Bedingungen übernehmen möchte, worunter auch die war, daß ich nicht gebunden sei, daß ich öfter abwesend sein und zum Teile sogar kleine Reisen machen könne. In der Verödung, in der ich mich befand, hatte die Aussicht auf ein Familienleben eine Art Anziehung für mich, und ich nahm den Antrag unter der Bedingung an, daß ich die Freiheit haben müsse, in jedem Augenblicke das Verhältnis wieder auflösen zu können. Die Bedingung wurde zugestanden, ich packte meine Sachen, und nach drei Tagen fuhr ich in der Richtung nach dem Landsitze der Familie ab. Dieser Sitz war ein angenehmes Haus in der Nähe großer Meiereien, die einem Grafen gehörten. Das Haus war beinahe zwei Tagereisen von der Stadt entfernt. Es war sehr geräumig, hatte eine sonnige Lage, liebliche Rasenplätze um sich und hing mit einem großen Garten zusammen, in dem teils Gemüse, teils Obst, teils Blumen gezogen wurden. Der Besitzer des Hauses war ein Mann, der von reichlichen Renten lebte, sonst aber kein Amt noch irgend eine andere Beschäftigung zum Gelderwerb hatte. So war er mir geschildert worden, mit dem Beifügen, daß er ein sehr guter Mann sei, mit dem sich jedermann vertrage, daß er eine treffliche, sorgsame Frau habe und daß außer dem Knaben nur noch ein halberwachsenes Mädchen da sei. Diese Dinge waren es auch vorzüglich, welche mich zur Annahme bestimmt hatten. Mein Name sei der Familie in einem Hause genannt worden, mit dem sie in sehr inniger Beziehung stand, und ich sei sehr empfohlen worden. Man hatte mir auf die letzte Post einen Wagen entgegen gesandt. Es war ein schöner Nachmittag, als ich in Heinbach, das war der Name des Hauses, einfuhr. Wir hielten unter einem hohen Torwege, zwei Diener kamen die Treppe herab, um meine Sachen in Empfang zu nehmen und mir mein Zimmer zu zeigen. Als ich noch im Wagen mit Herausnehmen von ein paar Büchern und andern Kleinigkeiten beschäftigt war, kam auch der Herr des Hauses herunter, begrüßte mich artig und führte mich selber in meine Wohnung, die aus zwei freundlichen Zimmern bestand. Er sagte, ich möge mich hier zurecht richten, möge hiebei nur meine Bequemlichkeit vor Augen haben, ein Diener sei angewiesen, meine Befehle zu vollziehen, und wenn ich fertig sei und etwa heute noch wünsche, mit seiner Gattin zu sprechen, so möge ich klingeln, der Diener werde mich zu ihr führen. Hierauf verließ er mich unter höflichem Abschiede. Der Mann gefiel mir sehr wohl. Ich entledigte mich meiner staubigen Kleider, reinigte mich, legte nur das Notwendigste in meinem Zimmer in Ordnung, kleidete mich dann besuchsgemäß an und ließ die Frau des Hauses fragen, ob ich bei ihr erscheinen dürfe. Sie sendete eine bejahende Antwort. Ich wurde über einen Gang geführt, in welchem allerlei Bilder hingen, wir traten in einen Vorsaal und von dem in das Zimmer der Frau. Es war ein großes Zimmer mit drei Fenstern, an welches ein niedliches Gemach stieß. In diesem Zimmer waren heitere Geräte, einige Bilder, und die Nachmittagssonne war durch sanfte Vorhänge gedämpft. Die Frau saß an einem großen Tische, zu ihren Füßen spielte ein Knabe, und seitwärts an einem kleinen Tischchen saß ein Mädchen und hatte ein Buch vor sich. Es schien, es habe vorgelesen. Die Frau stand auf und ging mir entgegen. Sie war sehr schön, noch ziemlich jung, und was mir am meisten auffiel war, daß sie sehr schöne braune Haare, aber tief dunkle, große schwarze Augen hatte. Ich erschrak ein wenig, wußte aber nicht warum. Mit einer Freundlichkeit, die mein Zutrauen gewann, hieß sie mich einen Platz nehmen, und als ich dies getan hatte, nannte sie meinen Vor- und Familiennamen, hieß mich beinahe herzlich willkommen und sagte, daß sie sich schon sehr gesehnt habe, mich unter ihrem Dache zu sehen.«

»›Alfred‹, rief sie, ›komm und küsse diesem Herrn die Hand!‹«

»Der Knabe, welcher bisher neben ihr gespielt hatte, stand auf, trat vor mich, küßte mir die Hand und sagte: ›Sei willkommen!‹«

»›Sei auch du willkommen‹, erwiderte ich und drückte ein wenig das Händchen des Knaben. Er hatte ein sehr rosiges Angesicht, ebenfalls braune Haare wie die Mutter, aber dunkelblaue Augen, wie ich sie an dem Vater gesehen zu haben glaubte.«

»›Das ist das Kind, dessentwillen ich euch so sehr in unser Haus gewünscht habe‹, sagte sie. ›Ihr sollt dasselbe weniger unterrichten, dazu sind Lehrer da, welche das Haus besuchen, sondern wir bitten euch, daß ihr bei uns lebet, daß ihr dem Knaben öfter eure Gesellschaft gönnt, daß er außer dem Umgange mit seinem Vater auch den eines jungen Mannes hat, was auf ihn Einfluß nehmen möge. Erziehung ist wohl nichts als Umgang, ein Knabe, selbst wenn er so klein ist, muß nicht immer mit seiner Mutter oder wieder nur mit Knaben umgehen. Der Unterricht ist viel leichter als die Erziehung. Zu ihm darf man nur etwas wissen und es mitteilen können, zur Erziehung muß man etwas sein. Wenn aber einmal jemand etwas ist, dann, glaube ich, erzieht er auch leicht. Meine Freundin Adele, die Gattin des Kaufherrn, dessen Warengewölbe dem großen Tore des Erzdomes gegenüber ist, hat mir von euch erzählt. Wenn ihr es für gut findet, den Knaben auch in irgend etwas zu unterrichten, so ist es eurem Ermessen überlassen, wie und wie weit ihr es tut.‹«

»Ich konnte auf diese Worte nichts antworten; ich war sehr errötet.«

»›Mathilde‹, sagte die Frau, ›begrüße auch diesen Herrn, er wird jetzt bei uns wohnen.‹«


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