Adalbert Stifter
Der Nachsommer
Adalbert Stifter

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Gegen die Mitte des Januars, zu welcher Zeit gewöhnlich das Wetter am ausdauerndsten zu sein pflegt, stellten sich die Zeichen ein, daß längere Zeit schöne Tage sein werden. Ein etwas weicher Luftzug der vorigen Tage hatte sich verloren, die graue Decke am Himmel war verschwunden und den verwaschenen Federwolken war eine tiefe Bläue gefolgt. Die Luft zog aus Osten, die Kälte mehrte sich, der Schnee flimmerte und Abends zeigte sich der feine blauliche Duft in den Gründen, der heitere Morgen und immer größere Kälte versprach. Meine Werkzeuge gaben starken Luftdruck und große Trockenheit an.

Ich sagte dem alten Kaspar, daß wir nunmehr aufbrechen würden. Wir nahmen an Alpenstöcken, Steigeisen, Stricken, Schneereifen, Decken, Kleidern, was wir nötig erachteten, eine Schaufel, eine Axt, Kochgeschirr und Lebensmittel auf mehrere Tage. So bepackt gingen wir zu dem See. Dort teilten wir unsere Dinge in zwei bequeme Lasten, daß jeder mit der seinigen so leicht als möglich gehen könne, und erwarteten den nächsten Morgen.

Beim Grauen des Lichtes machten wir uns auf den Weg und stiegen mit unseren sehr hohen Stiefeln, die ich eigens zu diesem Zwecke hatte machen lassen, in den tiefen Schnee der Wege, die zu den Höhen, auf die wir wollten, führten, die aber nur im Sommer betreten wurden, die jetzt keine Spur zeigten und die wir nur fanden, weil wir der Gegend sehr kundig waren. Wir gingen mehrere Stunden in diesem tiefen Schnee, dann kamen Wälder, in denen er niederer lag und durch welche das Fortkommen leichter war. Viele Gerölle und schiefliegende Wände, die nun folgten, zeigten ebenfalls weniger Schnee als die Tiefe, und es war über sie im Winter leichter zu gehen, als ich es im Sommer gefunden hatte, da die Unebenheiten und die kleinen scharfen Riffe und Steine mit einer Schneedecke überhüllt waren. Als wir die ersten Vorberge überwunden hatten und auf die Hochebene der Echern gekommen waren, von der man wieder den blauen See recht tief und dunkel in der weißen Umgebung unten liegen sah, machten wir ein wenig Halt. Die Oberfläche der Echern oder die Hochebene, wie man sie auch gerne nennt, ist aber nichts weniger als eine Ebene, sie ist es nur im Vergleiche mit den steilen Abhängen, welche ihre Seitenwände gegen den See bilden. Sie besteht aus einer großen Anzahl von Gipfeln, die hinter und neben einander stehen, verschieden an Größe und Gestalt sind, tiefe Rinnen zwischen sich haben und bald in einer Spitze sich erheben, bald breitgedehnte Flächen darstellen. Diese sind mit kurzem Grase und hie und da mit Knieföhren bedeckt, und unzählige Felsblöcke ragen aus ihnen empor. Es ist hier am schwersten durchzukommen. Selbst im Sommer ist es schwierig, die rechte Richtung zu behalten, weil die Gestaltungen einander so ähnlich sind und ein ausgetretener Pfad begreiflicher Weise nicht da ist: wie viel mehr im Winter, in welchem die Gestalten durch Schneeverhüllungen überdeckt und entstellt sind, und selbst da, wo sie hervorragen, ein ungewohntes und fremdartiges Ansehen haben. Es sind mehrere Alpenhütten in diesem Gebiete zerstreut, und es befinden sich im Sommer Herden hier oben, die aber, wie zahlreich sie auch sind, in der großen Ausdehnung verschwinden und sich gegenseitig oft Monate lang nicht sehen. Wir wünschten noch beim Lichte des Tages über diese Erdbildungen hinüber zu kommen und hatten vor, zur Einhaltung der Richtung uns gegenseitig in unserer Kenntnis der Riffe und der Hügelgestaltungen zu unterstützen und uns die entscheidenden Bildungen wechselseitig zu nennen und zu beschreiben. Am oberen Ende der Hochebene, wo wieder die größeren Felsenbildungen beginnen und das Verirren weit weniger möglich ist, steht im Bereiche großer Kalksteinblöcke eine Sennhütte, die Ziegenalpe genannt, welche das Ziel unserer heutigen Wanderung war. Am Rande der Bergansteigung und dem Anfange der Hochebene, wo wir jetzt waren, setzten wir uns nieder. Es liegt da ein großer Stein, der beinahe ganz schwarz ist. Er ist nicht nur dieser Farbe willen an sich merkwürdig, sondern besonders darum, weil er durch eben diese Farbe, dann durch seine Größe und seine seltsame Gestalt von Weitem gesehen werden kann und denen, die von der Ziegenalpe durch die Hochebene abwärts kommen, zum Zeichen, und wenn sie bei ihm angelangt sind, zur Beruhigung des richtig zurückgelegten Weges dient. Weil Vielen, die auf der Hochebene sind, Sennen, Alpenwanderern, Jägern, der Stein ein Versammlungsort ist, so findet sich von ihm ab schon ein merkbar ausgetretener Pfad und man kann die Richtung zu dem See hinab nicht mehr leicht verfehlen. Auch ist die gegen Sonnenaufgang überhängende Gestalt des Felsens geeignet, vor Regen und heftigen Westwinden zu schützen. Als wir bei ihm angelangt waren, sahen wir freilich keine Spur eines Menschen rings um ihn; denn unberührter Schnee lag bis zu seinen Wänden hinzu, und er stand noch einmal so schwarz aus dieser Umgebung hervor. Wir fanden aber auf kleineren Steinen, die unter seinem Überdache lagen, und auf die der Schnee nicht hereingefallen war, Raum zum Sitzen und folgten dieser Einladung willig, da sich schon Ermüdung eingestellt hatte. Kaspar schnallte die Umhüllungen der Decken auseinander und holte zwei leichte, aber wärmende Pelze und andere Pelzsachen hervor, die ich dazu bestimmt hatte, unsere Körper und Füße, die im Wandern sich sehr erwärmt hatten, in der Ruhe vor Verkühlung zu schützen. Als wir diese Pelzdinge umgetan hatten, schritten wir dazu, uns durch Speise und Trank zu erquicken. Etwas Wein und Brod reichte zu dem Zwecke hin. Ich betrachtete, nachdem unser Mahl vollendet war, den Wärmemesser, welchen ich gleich nach unserer Ankunft an einer freien Stelle auf meinen Alpenstock aufgehängt hatte, und zeigte meinem Begleiter Kaspar, daß die Wärme hier oben größer sei, als wir sie gestern zu gleicher Tageszeit unten in der Ebene des Sees gehabt hatten. Die Sonne schien sehr kräftig auf den Schnee, es wehte kein Lüftchen, an dem grünlich blaulichen Himmel lagerten nur ein paar sehr dünne weißliche Streifen. Auch konnte man von dem Steinvorsprunge, von dem aus der See zu erblicken war, fast deutlich wahrnehmen, daß unten nicht nur die dichtere, sondern auch kältere Luft liege. Denn so deutlich und klar der See zu erblicken war, so zog sich doch an den weißen oder weißgesprenkelten Wänden desselben ein feiner blaulich schillernder Dunst hin zum Zeichen, daß dort unsere obere, wärmere Luft mit der unteren, schon seit längerer Zeit über dem See stehenden kälteren zusammengrenze und sich da ein sanfter Beschlag bilde. Ich schaute nur noch auf den Feuchtigkeitsmesser und den des Luftdruckes, dann packte Kaspar unsere Decken und Pelze, ich meine Geräte ein, und wir gingen unsers Weges weiter.

Mit großer Vorsicht suchten wir die Richtung, die uns nottat, zu bestimmen. Auf jeder Stelle, die eine größere Umsicht gewährte, hielten wir etwas an und suchten uns die Gestalt der Umgebung zu vergegenwärtigen und uns des Raumes, auf dem wir standen, zu vergewissern. Ich zog zum Überflusse auch noch die Magnetnadel zu Rate. In den Niederungen und Mulden zwischen einzelnen Höhen mußten wir uns der Schneereife bedienen. Gegen den späten Nachmittag stiegen uns die höheren und dunkleren Zacken der Echern aus dem Schnee entgegen. Als die Sonne fast nur mehr um ihre eigene Breite von dem Rande des Gesichtskreises entfernt war, kamen wir in der Ziegenalpe an. Hier hatten wir einen eigentümlichen Anblick. Es ist da eine Stelle, von welcher aus man nicht mehr zu dem See oder zu seiner Umgebung zurücksehen kann, dafür öffnet sich gegen Sonnenuntergang ein weiter Blick in die Lichtung des Lauterthales, besonders aber in das Echertal, in welchem der Mann wohnt, welcher meine und Klotildens Zither gemacht hatte. In diese Ferne wollte ich noch einen Blick tun, ehe wir in die Hütte gingen. Aber ich konnte die Täler nicht sehen. Die Wirkung, welche sich aus dem Aneinandergrenzen der oberen, wärmeren Luft und der unteren, kälteren, wie ich schon am schwarzen Steine bemerkt hatte, ergab, war noch stärker geworden, und ein einfaches, wagrechtes, weißlichgraues Nebelmeer war zu meinen Füßen ausgespannt. Es schien riesig groß zu sein und ich über ihm in der Luft zu schweben.

Einzelne schwarze Knollen von Felsen ragten über dasselbe empor, dann dehnte es sich weithin, ein trübblauer Strich entfernter Gebirge zog an seinem Rande, und dann war der gesättigte, goldgelbe, ganz reine Himmel, an dem eine grelle, fast strahlenlose Sonne stand, zu ihrem Untergange bereitet. Das Bild war von unbeschreiblicher Größe. Kaspar, welcher neben mir stand, sagte: »Verehrter Herr, der Winter ist doch auch recht schön.«

»Ja, Kaspar«, sagte ich, »er ist schön, er ist sehr schön.«

Wir blieben stehen, bis die Sonne untergegangen war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Augenblick noch höher und flammender, dann begann alles nach und nach zu erbleichen und schmolz zuletzt in ein farbloses Ganzes zusammen. Nur die gewaltigen Erhebungen, die gegen Süden standen und die das Eis, das wir besuchen wollten, enthielten, glommen noch von einem unsichern Lichte, während mancher Stern über ihnen erschien. Wir gingen nun in dem beinahe finster gewordenen und ziemlich unwegsamen Raume zur Hütte, um in derselben unsere Vorbereitungen zum Übernachten zu treffen. Die Hütte war, wie es im Winter immer ist, wo sie leer steht, nicht gesperrt. Ein Holzriegel, der sehr leicht zu beseitigen war, schloß die Tür. Wir traten ein, steckten eine Kerze in unsern Handleuchter und machten Licht. Wir suchten das Gemach der Sennerinnen und ließen uns dort nieder. In den Schlafstellen war etwas Heu, ein grober Brettertisch stand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief an der Wand hin und eine bewegliche stand an dem Tische. Wir hatten vor, hier erst unser eigentliches warmes Tagesmahl zu bereiten. Aber, worauf wir kaum gefaßt waren, es zeigte sich nirgends auch nicht der geringste Vorrat von Holz. Ich hatte für den Fall Weingeist bei mir, um einige Schnitten Braten in einer flachen Pfanne rösten zu können; aber wir zogen es vorzüglich wegen der Erwärmung des Körpers vor, ein Stück Bank zu verbrennen und dem Eigentümer Ersatz zu leisten. Kaspar machte sich mit der Axt an die Arbeit, und bald loderte ein lustiges Feuer auf dem Herde. Ein Abendessen wurde bereitet, wie wir es oft bei unsern Gebirgsarbeiten bereitet hatten, aus dem Heu der Schlafstellen, den Decken und den Pelzen wurden Betten zurecht gemacht, und nachdem ich noch meine Meßwerkzeuge, die im Freien vor der Hütte aufgehängt waren, betrachtet hatte, begaben wir uns zur Ruhe. Auch jetzt am späten Abende war bei ganz heiterem, sternenvollem Himmel eine viel mindere Kälte in dieser Höhe als ich vermutet hatte.

 

Ehe der Tag graute, standen wir auf, machten Licht, kleideten uns vollständig an, richteten all unsere Dinge zurecht, bereiteten ein Frühmahl, verzehrten es und traten unsern Weg an. Die Echernspitze stand fast schwarz im Süden, wir konnten sie deutlich in die blasse Luft über dem Haustein, der uns noch unsere Eisfelder deckte, empor ragen sehen. Der Tag war wieder ganz heiter. Obgleich es noch nicht licht war, durften wir eine Verirrung nicht fürchten, denn wir mußten geraume Zeit zwischen Felsen empor gehen, die unsere Richtung von beiden Seiten begrenzten und uns nicht abweichen ließen. Wir legten, weil der Schnee in diesen Rinnen sich angehäuft hatte, unsere Schneereife an und gingen in der ungewissen Dämmerung vorwärts. Nach etwas mehr als einer Stunde Wanderung kamen wir auf die Höhe hinaus, wo die Gegend sich wieder öffnet und gegen Osten weite Felder hinziehen. Diese biegen, nachdem sie sich ziemlich hoch erhoben, gegen Süden um einen Fels herum und lassen dann den Eisstock erblicken, zu dem wir wollten. Dieser drückt mit großer Macht von Süden gegen Norden herab und hat zu seiner südlichen Begrenzung die Echernspitze. Auf den erklommenen Feldern war es schon ganz licht; allein die Berge, welche wir am östlichen Rande derselben unter uns und weit draußen erblicken sollten, waren nicht zu sehen, sondern am Rande der mit Schnee bedeckten Felder setzte sich eine Farbe, die nur ein klein wenig von der Schneefarbe verschieden war, fast ins Unermeßliche fort, die des Nebels. Er hatte seit gestern noch mehr überhand genommen und begrenzte unsere Höhe als Insel. Kaspar wollte erschrecken. Ich aber machte ihn aufmerksam, daß der Himmel über uns ganz heiter sei, daß dieser Nebel von jenem sehr verschieden sei, der bei dem Beginne des Regen- oder Schneewetters zuerst die Spitzen der Berge in Gestalt von Wolken einhüllt, sich dann immer tiefer, oft bis zur Hälfte der Berge, hinabzieht und den Wanderern so fürchterlich ist; unser Nebel sei kein Hochnebel, sondern ein Tiefnebel, der die Bergspitzen, auf denen das Verirren so schrecklich sei, freilasse und der beim Höhersteigen der Sonne verschwinden werde. Im schlimmsten Falle, wenn er auch bliebe, sei er nur eine wagrechte Schichte, die nicht höher stehe, als wo der schwarze Stein liegt. Von dort hinab aber ist uns der Weg sehr bekannt, wir müssen unsere eigenen Fußstapfen finden und können an ihnen abwärts gehen.

Kaspar, welcher mit dem Gebirgsleben sehr vertraut war, sah meine Gründe ein und war beruhigt.

Während wir standen und sprachen, fing sich an einer Stelle der Nebel im Osten zu lichten an, die Schneefelder verfärbten sich zu einer schöneren und anmutigeren Farbe, als das Bleigrau war, mit dem sie bisher bedeckt gewesen waren, und in der lichten Stelle des Nebels begann ein Punkt zu glühen, der immer größer wurde und endlich in der Größe eines Tellers schweben blieb, zwar trübrot, aber so innig glimmend wie der feurigste Rubin. Die Sonne war es, die die niederen Berge überwunden hatte und den Nebel durchbrannte. Immer rötlicher wurde der Schnee, immer deutlicher, fast grünlich seine Schatten, die hohen Felsen zu unserer Rechten, die im Westen standen, spürten auch die sich nähernde Leuchte und röteten sich. Sonst war nichts zu sehen als der ungeheure, dunkle, ganz heitere Himmel über uns, und in der einfachen großen Fläche, die die Natur hieher gelegt hatte, standen nur die zwei Menschen, die da winzig genug sein mußten. Der Nebel fing endlich an seiner äußersten Grenze zu leuchten an wie geschmolzenes Metall, der Himmel lichtete sich und die Sonne quoll wie blitzendes Erz aus ihrer Umhüllung empor. Die Lichter schossen plötzlich über den Schnee zu unsern Füßen und fingen sich an den Felsen. Der freudige Tag war da.

Wir banden uns die Stricke um den Leib und ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer, da wir jetzt über eine sehr schiefe Fläche zu gehen hatten, gleiten sollte, er durch den andern gehalten würde. Im Sommer war diese Fläche mit vielen kleinen und scharfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über sie viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht, und der Schnee konnte ins Gleiten geraten. Ohne Hilfe der Schneereife, die hier, weil sie unbehilflich machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten wir mit angewandter Vorsicht glücklich hinüber, lösten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten mehrstündigen Wanderung um die Felsen und standen an dem Gletscher und auf dem ewigen Schnee.

Auf dem Eise, da wir nach uns sehr bekannten Richtungen auf demselben vorschritten, zeigte sich beinahe mit Rücksicht auf den Sommer gar keine Veränderung. Da auch im Sommer fast jeder Regen des Tales die Höhen entweder gar nicht trifft oder auf ihnen Schnee ist, so war es jetzt auf dem Gletscher wie im Sommer, und wir schritten auf bekannten Gebieten vorwärts. Wo die Eismengen geborsten und zertrümmert waren, hatte sie an ihren Oberflächen der Schnee bedeckt, mit den Seitenflächen sahen sie grünlich oder blaulich schillernd aus dem allgemeinen Weiß hervor, weiter aufwärts, wo die Gletscherwölbung rein dalag, war sie mit Schnee bedeckt. Der einzige Unterschied bestand, daß jetzt keine einzige breite oder lange Eisstelle bloßgelegt in ihrer grünlichen Farbe da stand, was doch zuweilen im Sommer geschieht. Wir verweilten einige Zeit auf dem Eise und nahmen auf demselben auch unser Mittagmahl, in Wein und Brod bestehend, ein.

Unter uns hatte sich aber indessen eine Veränderung vorbereitet. Der Nebel war nach und nach geschwunden, ein Teil der fernen oder der näheren Berge war nach dem andern sichtbar geworden, verschwunden, wieder sichtbar geworden, und endlich stand Alles im Sonnenglanze ohne ein Flöckchen Nebel, der wie ausgetilgt war, in sanfter Bläue oder wie in goldigem Schimmer oder wie im fernen, matten Silberglanze, in tiefem Schweigen und unbeweglich da. Die Sonne strahlte einsam ohne einer geselligen Wolke an dem Himmel. Die Kälte war auch hier nicht groß, geringer als ich sie im Tale beobachtet hatte, und nicht viel größer als sie auch zu Sommerszeiten auf diesen Höhen ist.

Nachdem wir uns eine geraume Weile auf dem Eise aufgehalten hatten, traten wir den Rückweg an. Wir gelangten leicht an den gewöhnlichen Ausgang des Gletschers, von wo aus man das Hinabgehen über die Berge einleitet. Wir fanden unsere Fußstapfen, die in der ungetrübten Oberfläche des Schnees, da hierauf selten auch Tiere kommen, sehr deutlich erkennbar waren, und gingen nach ihnen fort. Wir kamen glücklich über die schiefe Fläche und langten gegen Abend in der Ziegenalpe an. Es war hier schon zu dunkel, um noch etwas von der Umgebung sehen zu können. Wir hielten in der Hütte wieder unser warm zubereitetes Abendmahl, wärmten uns am Reste der Bank und erquickten uns durch Schlaf. Der nächste Morgen war abermals klar, in den Tälern lag wieder der Nebel. Da auch die Nacht vollkommen windstill gewesen war, so hatten wir uns jetzt in Hinsicht unsers Rückweges über die Hochebene nicht zu sorgen. Unsere Fußstapfen standen vollkommen unverwischt da, und ihnen konnten wir uns anvertrauen. Selbst da, wo wir ratend gestanden waren und etwa den Alpenstock seitwärts unseres Standortes in den Schnee gestoßen hatten, war die Spur noch völlig sichtbar. Wir kamen früher als wir gedacht hatten an dem schwarzen Steine an. Dort hielten wir wieder unser Mittagmahl und gingen dann unter dem sich immer mehr und mehr lichtenden Nebel, der uns aber hier kein wesentliches Hindernis mehr machte, die steile Senkung der Berge hinunter. Der an ihrem Fuße beobachtete Wärmemesser zeigte wirklich eine größere Kälte, als wir auf den Bergen gehabt hatten.

Am Nachmittage waren wir wieder in dem Seewirtshause.


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