Adalbert Stifter
Der Nachsommer
Adalbert Stifter

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Als wir von der entgegengesetzten Seite des Hauses fortgingen, sahen wir auch den Garten, in welchem die Gemüse und andere Dinge für den Gebrauch des Hofes gezogen wurden.

Auf dem Rückwege schlugen wir eine andere Richtung ein, als auf der wir gekommen waren. Hatten wir auf unserem Herwege den großen Kirschbaum nördlich gelassen, so ließen wir ihn jetzt südlich, so daß es schien, daß wir den ganzen Garten des Hauses umgehen würden. Wir stiegen gegen jene Wiese hinan, von der mir mein Gastfreund gestern gesagt hatte, daß sie die nördliche Grenze seines Besitztums sei und daß er sie nicht nach seinem Willen habe verbessern können. Der Weg führte sachte aufwärts, und in der Tiefe der Wiese kam uns in vielen Windungen ein Bächlein, das mit Schilf und Gestrippe eingefaßt war, entgegen. Als wir eine Strecke gegangen waren, sagte mein Begleiter: »Das ist die Wiese, die ich euch gestern von dem Hügel herab gezeigt habe und von der ich gesagt habe, daß bis dahin unser Eigentum gehe und daß ich sie nicht habe einrichten können, wie ich gewollt hätte. Ihr seht, daß die Stellen an dem Bache versumpft sind und saures Gras tragen. Dem wäre leicht abzuhelfen und das mildeste Gras zu erzielen, wenn man dem Bache einen geraden Lauf gäbe, daß er schneller abflösse, die Wände hie und da mit Steinen ausmauerte und die Niederungen mit trockener Erde anfüllte. Ich kann euch jetzt den Grund zeigen, weshalb dieses nicht geschieht. Ihr seht an beiden Seiten des Baches Erlenschößlinge wachsen. Wenn ihr näher herzutretet, so werdet ihr sehen, daß diese Schößlinge aus dicken Blöcken, gleichsam aus Knollen und Höckern von Holz hervorwachsen, welches Holz teils über der Erde ist, teils in dem feuchten Boden derselben steckt.«

Wir waren bei diesen Worten zu dem Bache hinzugegangen, und ich sah, daß es so war.

»Diese ungestalteten Anhäufungen von Holz«, fuhr er fort, »aus denen die dünnen Ruten oder krüppelhafte Äste hervorragen, bilden sich hier in sumpfigem Boden, sie entstehen aber auch im Sande oder in Steinen und sind ein Aftererzeugnis des sonst recht schön emporwachsenden Erlenbaumes. In dem vielteiligen Streben des Holzes, eine Menge Ruten oder zwieträchtige Äste anzusetzen und sich selber dabei zu vergrößern, entsteht ein solches Verwinden und Drehen der Fasern und Rinden, daß, wenn man einen solchen Block auseinandersägt und die Sägefläche glättet, sich die schönste Gestaltung von Farbe und Zeichnung in Ringen, Flammen und allerlei Schlangenzügen darstellt, so daß diese Gattung Erlenholz sehr gesucht für Schreinerarbeiten und sehr kostbar ist. Als ich das Anwesen hier gekauft, die Wiese besehen und die Erlenblöcke entdeckt hatte, ließ ich einen ausgraben, auseinandersägen und untersuchte ihn dann. Da fand ich, der ich damals im Erkennen des Holzes schon mehrere Übung hatte, daß diese Blöcke zu den schönsten gehören, die bestehen, und daß die feurige Farbe und der weiche, seidenartige Glanz des Holzes, auf welche Dinge man besonders das Augenmerk richtet, kaum ihresgleichen haben dürften. Ich ließ mehrere Blöcke ausgraben und Blätter aus ihnen schneiden. Ihr werdet die Verwendung derselben in unserer Nachbarschaft sehen, wenn ihr uns wieder besuchen wollt und uns Zeit gebt, euch dorthin zu führen, wo sie sind. Die übrigen Blöcke ließ ich in dem Boden als einen Schatz, der da bleiben und sich vermehren sollte. Nur wenn einer derselben nicht mehr zu treiben, sondern vielmehr abzusterben beginnt, wird er herausgenommen und wird zu Blättern geschnitten, welche ich dann zu künftigen Arbeiten aufbewahre oder verkaufe. An seiner Stelle bildet sich dann leicht ein anderer. Zu dem Entschlusse, diesen Anwuchs zu pflegen, kam ich, nachdem ich einerseits vorher nach und nach die Gegend um unser Haus immer näher kennen gelernt, alle Talmulden und Bachrinnen erforscht und nirgends auch nur annähernd so brauchbares Erlenholz gefunden hatte, und nachdem anderseits auch das, was mir auf mein Verlangen aus mehreren Orten eingesendet worden war, sich dem unseren als nicht gleichkommend gezeigt hatte. Ich ließ oberhalb des Erlenwuchses einen Wasserbau aufführen, um die Pflanzung vor Überschwemmung und Überkiesung zu sichern und das zu sehr anschwellende Wasser in ein anderes Rinnsal zu leiten.

Meine Nachbarn sahen das Zweckdienliche der Sache ein, und zwei derselben legten sogar in öden Gründen, die nicht zu entwässern waren, solche Erlenpflanzungen an. Mit welchem Erfolge dies geschah, läßt sich noch nicht ermitteln, da die Pflanzen noch zu jung sind.«

Wir betrachteten die Reihen dieser Gewächse und gingen dann weiter.

Wir gingen die Wiese entlang, streiften an einem Gehölze hin, überschritten den Wasserbau, von dem mein Gastfreund gesprochen hatte, und begannen nicht nur den Garten, sondern den ganzen Getreidehügel, auf dem das Haus steht, zu umgehen.

Da die Sonne immer wärmer, wenn auch nicht gar heiß schien, wunderte ich mich, daß keiner von meinen zwei Begleitern eine Bedeckung auf dem Haupte trug. Sie waren ohne einer solchen von dem Hause fortgegangen. Der alte Mann breitete dem Glanz der Sonne die Fülle seiner weißen Haare unter, und der Zögling trug auf seinem Scheitel die dichten, glänzenden braunen Locken. Ich wußte nicht, kamen mir die beiden ohne Kopfbedeckung sonderbar vor oder ich neben ihnen mit meinem Reisehute auf dem Haupte. Der Jüngling hatte wenigstens den Vorteil, daß ihm die Sonne die Wangen noch mehr rötete und noch schöner färbte, als sie sonst waren.

Ich betrachtete ihn überhaupt gerne. Sein leichter Gang war ein heiterer Frühlingstag gegen den zwar auch noch kräftigen, aber bestimmten und abgemessenen Schritt seines Begleiters, seine schlanke Gestalt war der fröhliche Anfang, die seines Erziehers das Hinneigen zum Ende. Was sein Benehmen anbelangt, so war er zurückgezogen und bescheiden und mischte sich nicht in die Gespräche, außer wenn er gefragt wurde. Ich wendete mich häufig an ihn und fragte ihn um verschiedene Dinge, besonders um solche, die die Gegend umher betrafen und deren Kenntnis ich bei ihm voraussetzen mußte. Er antwortete sicher und mit einer gewissen Ehrerbietung gegen mich, obwohl ich ihm an Jahren nicht so ferne stand als sein Erzieher. Er ging meistens, auch wenn der Weg breit genug gewesen wäre, hinter uns.

 

Als wir den Hügel vollends umgangen hatten und an mehreren ländlichen Wohnungen vorbeigekommen waren, stiegen wir auf der nehmlichen Seite und auf dem nehmlichen Wege gegen das Haus empor, auf welchem ich gestern gegen dasselbe hinangekommen war. Da wir es erreicht hatten, traten uns die Rosen entgegen, wie sie mir gestern entgegengetreten waren. Ich nahm von diesem Anblicke Gelegenheit, meinen Gastfreund der Rosen wegen zu fragen, da ich überhaupt gesonnen war, dieser Blumen willen einmal eine Frage zu tun. Ich bat ihn, ob wir denn zu besserer Betrachtung nicht näher auf den großen Sandplatz treten wollten. Wir taten es und standen vor der ganzen Wand von Blumen, die den unteren Teil des weißen Hauses deckte.

Ich sagte, er müsse ein besonderer Freund dieser Blumen sein, da er so viele Arten hege, und da die Pflanzen hier in einer Vollkommenheit zu sehen seien wie sonst nirgends.

»Ich liebe diese Blume allerdings sehr«, antwortete er, »halte sie auch für die schönste und weiß wirklich nicht mehr, welche von diesen beiden Empfindungen aus der andern hervorgegangen ist.«

»Ich wäre auch geneigt«, sagte ich, »die Rose für die schönste Blume zu halten. Die Camellia steht ihr nahe, dieselbe ist zart, klar und rein, oft ist sie voll von Pracht; aber sie hat immer für uns etwas Fremdes, sie steht immer mit einem gewissen vornehmen Anstande da: das Weiche, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, das Süße der Rose hat sie nicht. Wir wollen von dem Geruche gar nicht einmal reden; denn der gehört nicht hieher.«

»Nein«, sagte er, »der gehört nicht hieher, wenn wir von der Schönheit sprechen; aber gehen wir über die Schönheit hinaus und sprechen wir von dem Geruche, so dürfte keiner sein, der dem Rosengeruche an Lieblichkeit gleichkömmt.«

»Darüber könnte nach einzelner Vorliebe gestritten werden«, antwortete ich, »aber gewiß wird die Rose weit mehr Freunde als Gegner haben. Sie wird sowohl jetzt geehrt, als sie in der Vergangenheit geehrt wurde. Ihr Bild ist zu Vergleichen das gebräuchlichste, mit ihrer Farbe wird die Jugend und Schönheit geschmückt, man umringt Wohnungen mit ihr, ihr Geruch wird für ein Kleinod gehalten und als etwas Köstliches versendet, und es hat Völker gegeben, die die Rosenpflege besonders schützten, wie ja die waffenkundigen Römer sich mit Rosen kränzten. Besonders liebenswert ist sie, wenn sie so zur Anschauung gebracht wird wie hier, wenn sie durch eigentümliche Mannigfaltigkeit und Zusammenstellung erhöht und ihr gleichsam geschmeichelt wird. Erstens ist hier eine wahre Gewalt von Rosen, dann sind sie an der großen weißen Fläche des Hauses verteilt, von der sie sich abheben; vor ihnen ist die weiße Fläche des Sandes, und diese wird wieder durch das grüne Rasenband und die Hecke, wie durch ein grünes Samtband und eine grüne Verzierung, von dem Getreidefelde getrennt.«

»Ich habe auf diesen Umstand nicht eigens gedacht«, sagte er, »als ich sie pflanzte, obwohl ich darauf sah, daß sie sich auch so schön als möglich darstellten.«

»Aber ich begreife nicht, wie sie hier so gut gedeihen können«, entgegnete ich. »Sie haben hier eigentlich die ungünstigsten Bedingungen. Da ist das hölzerne Gitter, an das sie mit Zwang gebunden sind, die weiße Wand, an der sich die brennenden Sonnenstrahlen fangen, das Überdach, welches dem Regen, Taue und dem Einwirken des Himmelsgewölbes hinderlich ist, und endlich hält das Haus ja selber den freien Luftzug ab.«

»Wir haben dieses Gedeihen nur nach und nach hervorrufen können«, antwortete er, »und es sind viele Fehlgriffe getan worden. Wir lernten aber und griffen die Sache dann der Ordnung nach an. Es wurde die Erde, welche die Rosen vorzüglich lieben, teils von anderen Orten verschrieben, teils nach Angabe von Büchern, die ich hiezu anschaffte, im Garten bereitet.

Ich bin wohl nicht ganz unerfahren hieher gekommen, ich hatte auch vorher schon Rosen gezogen und habe hier meine Erfahrungen angewendet. Als die Erde bereit war, wurde ein tiefer, breiter Graben vor dem Hause gemacht und mit der Erde gefüllt. Hierauf wurde das hölzerne Gitter, welches reichlich mit Ölfarbe bestrichen war, daß es von Wasser nicht in Fäulnis gesetzt werden konnte, aufgerichtet, und eines Frühlings wurden die Rosenpflanzen, die ich entweder selbst gezogen oder von Blumenzüchtern eingesendet erhalten hatte, in die lockere Erde gesetzt. Da sie wuchsen, wurden sie angebunden, im Laufe der Jahre versetzt, verwechselt, beschnitten und dergleichen, bis sich die Wand allgemach erfüllte. In dem Garten sind die Vorratsbeete angelegt worden, gleichsam die Schule, in welcher die gezogen werden, die einmal hieher kommen sollen. Wir haben gegen die Sonne eine Rolle Leinwand unter dem Dache anbringen lassen, die durch einige leichte Züge mit Schnüren in ein Dach über die Rosen verwandelt werden kann, das nur gedämpfte Strahlen durchläßt. So werden die Pflanzen vor der zu heißen Sommersonne und die Blumen vor derjenigen Sonne geschützt, die ihnen schaden könnte. Die heutige ist ihnen nicht zu heiß, ihr seht, daß sie sie fröhlich aushalten. Was ihr von Tau und Regen sagt, so steht das Gitter nicht so nahe an dem Hause, daß die Einflüsse des freien Himmels ganz abgehalten werden. Tau sammelt sich auf den Rosen und selbst Regen träufelt auf sie herunter. Damit wir aber doch nachhelfen und zu jener Zeit Wasser geben können, wo es der Himmel versagt, haben wir eine hohle Walze unter der Dachrinne, die mit äußerst feinen Löchern versehen ist und aus Tonnen, die unter dem Dache stehen, mit Wasser gefüllt werden kann. Durch einen leichten Druck werden die Löcher geöffnet, und das Wasser fällt wie Tau auf die Rosen nieder. Es ist wirklich ein angenehmer Anblick, zu sehen, wie in Zeiten hoher Not das Wasser von Blättern und Zweigen rieselt und dieselben sich daran erfrischen. Und damit es endlich nicht an Luft gebricht, wie ihr fürchtet, gibt es ein leichtes Mittel. Zuerst ist auf diesem Hügel ein schwacher Luftzug ohnehin immer vorhanden und streicht an der Wand des Hauses. Sollten aber die Blumen an ganz stillen Tagen doch einer Luft bedürfen, so werden alle Fenster des Erdgeschosses geöffnet, und zwar sowohl an dieser Wand als auch an der entgegengesetzten. Da nun die entgegengesetzte Seite die nördliche ist und dort die Luft durch den Schatten abgekühlt wird, so strömt sie bei jenen Fenstern herein und bei denen der Rosen heraus. Ihr könnt da an den windstillsten Tagen ein sanftes Fächeln der Blätter sehen.«

»Das sind bedeutende Anstalten«, erwiderte ich, »und beweisen eure Liebe zu diesen Blumen; aber aus ihnen allein erklärt sich doch noch nicht die besondere Vollkommenheit dieser Gewächse, die ich nirgends gesehen habe, so daß keine unvollkommene Blume, kein dürrer Zweig, kein unregelmäßiges Blatt vorkömmt.«

»Zum Teile erklärt sich die Tatsache doch wohl aus diesen Anstalten«, sagte er. »Luft, Sonne und Regen sind durch die südliche Lage des Standortes und die Vorrichtungen so weit verbessert, als sie hier verbessert werden können. Noch mehr ist an der Erde getan worden. Da wir nicht wissen, welches denn der letzte Grund des Gedeihens lebendiger Wesen überhaupt ist, so schloß ich, daß den Rosen am meisten gut tun müsse, was von Rosen kömmt. Wir ließen daher seit jeher alle Rosenabfälle sammeln, besonders die Blätter und selbst die Zweige der wilden Rosen, welche sich in der ganzen Gegend befinden. Diese Abfälle werden zu Hügeln in einem abgelegenen Teile unseres Gartens zusammengetan, den Einflüssen von Luft und Regen ausgesetzt, und so bereitet sich die Rosenerde. Wenn in einem Hügel sich keine Spur mehr von Pflanzentum zeigt und nichts als milde Erde vor die Augen tritt, so wird diese den Rosen gegeben. Die Pflanzen, welche neu gesetzt werden, erhalten in ihrem Graben gleich so viel Erde, daß sie auf mehrere Jahre versorgt sind. Ältere Rosen, welche von ihrem Standboden längere Zeit gezehrt haben, werden mit einer Erneuerung beteilt. Entweder wird die Erde oberhalb ihrer Wurzeln weggetan und ihnen neue gegeben, oder sie werden ganz ausgehoben und ihr Standpunkt durchaus mit frischer Erde erfüllt. Es ist auffällig sichtbar, wie sich Blatt und Blume an dieser Gabe erfreuen. Aber trotz der Erde und der Luft und der Sonne und der Feuchtigkeit würdet ihr die Rosen hier nicht so schön sehen, als ihr sie seht, wenn nicht noch andre Sorgfalt angewendet würde; denn immer entstehen manche Übel aus Ursachen, die wir nicht ergründen können oder die, wenn sie auch ergründet sind, wir nicht zu vereiteln vermögen. Endlich trifft ja die Gewächse wie alles Lebende der natürliche Tod. Kranke Pflanzen werden nun bei uns sogleich ausgehoben, in den Garten, gleichsam in das Rosenhospital getan und durch andere aus der Schule ersetzt. Abgestorbene Bäumchen kommen hier nicht leicht vor, weil sie schon in der Zeit des Absterbens weggetan werden. Tötet aber eine Ursache eines schnell, so wird es ohne Verzug entfernt. Eben so werden Teile, die erkranken oder zu Grunde gehen, von dem Gitter getrennt. Die beste Zeit ist der Frühling, wo die Zweige bloß liegen. Da werden Winkelleitern, die uns den Zugang zu allen Teilen gestatten, angelegt, und es wird das ganze Gitter untersucht.

Man reinigt die Rinde, pflegt sie, verbindet ihre Wunden, knüpft die Zweige an und schneidet das Untaugliche weg. Aber auch im Sommer entfernen wir gleich jedes fehlerhafte Blatt und jede unvollständige Blume. Es haben nach und nach alle im Hause eine Neigung zu den Rosen bekommen, sehen gerne nach und zeigen es sogleich an, wenn sich etwas Unrechtes bemerken läßt. Auch in der Umgegend hat man Wohlgefallen an diesen Blumen gefunden, man setzt sie in Gärten und pflegt sie, ich schenke den Leuten die Pflanzen aus meinen Vermehrungsbeeten und unterrichte sie in der Behandlung. Zwei Wegestunden von hier ist ein Bauer, der wie ich eine ganze Wand seines Hauses mit Rosen bepflanzt hat.«

»Je mehr es mir wichtig erscheint, wie ihr mit euren Rosen umgeht«, antwortete ich, »und für je wichtiger ihr sie selbst betrachtet, desto mehr muß ich doch die Frage tun, warum ihr denn gerade vorzugsweise an dieser Wand eures Hauses die Rosen zieht, wo ihr Standort doch nicht so ersprießlich ist, und wo man solche Anstalten machen muß, um ihr völliges Gedeihen zu sichern. Es ist zwar sehr schön, wie sie sich hier ausbreiten und darstellen; aber sollte man sie denn im Garten nicht auch in Stellungen und Gruppen bringen können, die eben so schön oder schöner wären als diese hier, und noch den Vorteil hätten, daß ihre Pflege viel leichter wäre?«

»Ich habe die Rosen an die Wand des Hauses gesetzt«, erwiderte er, »weil sich eine Jugenderinnerung an diese Blume knüpft und mir die Art, sie so zu ziehen, lieb macht. Ich glaube, daß mir einzig darum die Rose so schön erscheint und daß ich darum die große Mühe für diese Art ihrer Pflege verwende.«

»Ihr habt nichts von Ungeziefer gesagt«, entgegnete ich. »Nun weiß ich aber aus Erfahrung, daß kaum eine Pflanzengattung, etwa die Pappel ausgenommen, so gerne von Ungeziefer heimgesucht wird als die Rose, die in verschiedenen Arten und Geschlechtern von demselben bewohnt und entstellt wird. Hier sehe ich von dieser Plage gar nichts, als wäre sie nicht vorhanden oder als würde die Rose von ihr durch irgendein künstliches Mittel befreit. Ihr werdet doch nicht so wie jedes kranke Blatt auch jeden Blattwickler, jede Spinne, jede Blattlaus abnehmen lassen?

Dieses bringt mich sogar noch auf einen weiteren Umstand, über den ich mir eine Frage an euch zu tun vorgenommen habe, welche ich gewiß noch vor meiner Abreise bei einer schicklichen Gelegenheit getan hätte, welche ich mir aber jetzt erlaube, da ihr mit solcher Güte und Bereitwilligkeit mir die Einsicht in die Dinge dieses Landsitzes gestattet habt. Bei meiner Wanderung durch das flache Land hatte ich mehrfach Gelegenheit zu bemerken, daß Obstbäume häufig kahle Äste haben oder daß überhaupt das Laub zerstört oder verunstaltet war, was von Raupenfraß herrührte. Mir fiel die Sache nicht weiter auf, da ich sie von Jugend an zu sehen gewohnt war und da sie sich nicht in einem ungewöhnlichen Grade zeigte; aber das fiel mir auf, daß so wie an diesen Rosen auch in eurem ganzen Garten nichts von dem Übel zu sehen ist, kein dürres Reis, kein kahles Zweiglein, kein Stengel eines abgefressenen Blattes, ja nicht einmal ein verletztes Blatt des Kohles, dem doch sonst der Weißling so gerne Schaden tut. Im Angesichte dieses Wohlbefindens kamen mir die Zerstörungen wieder zu Sinne, die ich in dem Lande gesehen hatte, und ich beschloß, in dieser Hinsicht eine Frage an euch zu tun, ob ihr denn da eigentümliche Vorkehrungen habt; denn das Ablesen der Raupen und Insekten hat sich ja überall als unzulänglich gezeigt.«

»Wir würden allerdings durch Ablesen des Ungeziefers weder unsere Rosen noch die Bäume und Gesträuche im Garten vor Verunglimpfung frei halten können«, antwortete er. »Wir haben nun in der Tat andere Einrichtungen dagegen. Ich muß euch sagen, daß es mich freut, daß ihr in meinem Garten die Abwesenheit des Raupenfraßes bemerkt habt, und ich werde euch recht gerne darüber Aufklärung geben, und besonders darum, daß es sich auch ausbreiten könne. Die Beantwortung eurer Frage kann aber am besten in dem Garten geschehen, weil ich euch zur Bekräftigung gleich manche Vorrichtungen zeigen und die Beweise dartun kann. Wenn es euch genehm ist, so gehen wir in den Garten, in welchem auch eine kleine Ruhe auf irgend einem Bänkchen nach dem Gange von dem Meierhofe herauf nicht unangenehm sein wird.«

»Einen Augenblick laßt mich noch diese Rosen betrachten«, sagte ich.

»Tut nach eurem Gefallen«, antwortete er.


 << zurück weiter >>