Oswald Spengler
Der Untergang des Abendlandes – Erster Band
Oswald Spengler

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Kehren wir vom gestaltgewordnen Naturgefühl zur systemgewordnen Naturerkenntnis zurück, so kennen wir Gott oder die Götter als Ursprung der Gebilde, durch welche der Geist reifer Kulturen sich der Umwelt begrifflich zu bemächtigen sucht. Goethe bemerkt einmal zu Riemer: »Der Verstand ist so alt wie die Welt, auch das Kind hat Verstand: aber er wird nicht in jedem Zeitalter auf gleiche Weise und auf einerlei Gegenstände angewendet. Die früheren Jahrhunderte hatten ihre Ideen in Anschauungen der Phantasie; unseres bringt sie in Begriffe. Die großen Ansichten des Lebens waren damals in Gestalten, in Götter gebracht; heutzutage bringt man sie in Begriffe. Dort war die Produktionskraft größer, heute die Zerstörungskraft oder die Scheidekunst.« Die starke Religiosität der Mechanik NewtonsIn dem berühmten Schluß seiner »Optik« (1706), der einen gewaltigen Eindruck machte und der Ausgangspunkt ganz neuer theologischer Fragestellungen wurde, grenzt er den Bereich der mechanischen Ursachen gegen die göttliche erste Ursache ab, deren Wahrnehmungsorgan der unendliche Raum selbst sein müsse. und die fast vollkommen atheistisch formulierte moderne Dynamik sind von gleicher Farbe, Position und Negation desselben Urgefühls. Ein physikalisches System trägt mit Notwendigkeit alle Züge der Seele, zu deren Formenwelt sie gehört. Zur Dynamik und analytischen Geometrie gehört der Deismus des Barock. Seine drei Grundprinzipien Gott, Freiheit und Unsterblichkeit heißen in der Sprache der Mechanik das Prinzip der Trägheit (Galilei), das Prinzip der kleinsten Wirkung (d'Alembert) und das Prinzip der Erhaltung der Energie (J. R. Mayer).

Was wir heute ganz allgemein Physik nennen, ist in der Tat ein Kunstwerk des Barock. Es wird nicht mehr als paradox empfunden werden, wenn ich insbesondere diejenige Vorstellungsweise, welche auf der Annahme von Fernkräften und den der naiv-antiken Anschauung völlig fremden Fernwirkungen, der Attraktion und Repulsion von Massen beruht, in Anlehnung an den von Vignola begründeten Jesuitenstil der Architektur als den Jesuitenstil der Physik bezeichne, wie mir ganz ebenso die Infinitesimalrechnung, die nur im Abendland und gerade damals entstand und nur dort entstehen konnte, den Jesuitenstil in der Mathematik darzustellen scheint. »Richtig« ist innerhalb dieses Stils eine Arbeitshypothese, welche die Technik des Experimentierens vertieft. Für Loyola wie für Newton handelt es sich nicht um eine bloße Schilderung der Natur, sondern um eine Methode.

Die abendländische Physik ist ihrer inneren Form nach dogmatisch, nicht kultisch. Ihr Inhalt ist das Dogma von der Kraft, die mit dem Raume, der Distanz identisch ist, die Lehre von der mechanischen Tat, nicht der mechanischen Haltung im Weltall. Ihre Tendenz ist demnach die fortschreitende Überwindung des Augenscheins. Von einer noch sehr »antiken« Einteilung in eine Physik des Auges (Optik), Ohres (Akustik) und Hautsinnes (Wärmelehre) ausgehend hat sie die Sinnesempfindungen allmählich ganz ausgeschaltet und durch abstrakte Beziehungssysteme ersetzt, so daß z. B. die strahlende Wärme infolge der Vorstellungen von dynamischen Bewegungen des Äthers heute in der Optik behandelt wird, und Optik mit dem Auge gar nichts mehr zu tun hat.

»Die Kraft« ist eine mythische Größe, die nicht aus wissenschaftlicher Erfahrung stammt, sondern im Gegenteil deren Struktur im voraus bestimmt. Nur in der Naturauffassung faustischer Menschen gibt es statt eines Magneten einen Magnetismus, in dessen Kraftfeld ein Stück Eisen liegt, statt leuchtender Körper eine strahlende Energie, und weiterhin Personifikationen wie »die« Elektrizität, »die« Temperatur, »die« Radioaktivität.Zuerst hat, wie oben gezeigt worden ist, der abendländische Sprachgebrauch mit seinem ego habeo factum statt feci die dynamische Struktur unseres Denkens zum Vorschein gebracht, und seitdem stellen wir mit steigender Entschiedenheit alles, was sich ereignet, durch dynamische Wendungen fest. Wir sagen, daß »die Industrie« sich Absatzgebiete erschließt und daß »der Rationalismus« zur Herrschaft gelangt. Keine antike Sprache gestattet solche Ausdrücke. Kein Grieche würde statt von den Stoikern von dem »Stoizismus« geredet haben. Hierin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zwischen den Bildern der antiken und abendländischen Poesie.

Daß diese Kraft oder Energie in der Tat ein zum Begriff erstarrtes numen und nicht entfernt das Ergebnis wissenschaftlicher Erfahrung ist, wird durch die oft übersehene Tatsache bestätigt, daß das Grundprinzip der Dynamik, der bekannte erste Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie, überhaupt nichts über das Wesen der Energie aussagt. Daß die »Erhaltung der Energie« in ihm fixiert sei, ist eigentlich ein falscher, aber psychologisch sehr bezeichnender Ausdruck. Die experimentelle Messung kann ihrer Natur nach nur eine Zahl feststellen, die man – ebenfalls sehr bezeichnend – Arbeit benannt hat. Aber der dynamische Stil unseres Denkens forderte deren Auffassung als Energie differenz, obwohl der absolute Betrag der Energie nur ein Bild ist und niemals durch eine bestimmte Zahl angegeben werden kann. Es bleibt also jedesmal, wie man sich ausdrückt, eine additive Konstante unbestimmt, das heißt man sucht das mit dem inneren Auge aufgefaßte Bild einer Energie festzuhalten, obwohl die wissenschaftliche Praxis nichts damit zu tun hat.

Aus dieser Herkunft des Kraftbegriffs folgt, daß er ebensowenig definierbar ist wie die gleichfalls den antiken Sprachen fehlenden Urworte Wille und Raum. Es bleibt immer ein gefühlter und geschauter Rest, der jede persönliche Definition zu einem fast religiösen Bekenntnis ihres Urhebers macht. Jeder Naturforscher des Barock hat hier ein inneres Erlebnis, das er in Worte kleidet. Man denke an Goethe, der seinen Begriff einer Weltkraft nicht hätte definieren können und mögen, aber seiner gewiß war. Kant nannte die Kraft die Erscheinung eines an sich Seienden: »Die Substanz im Raume, den Körper, kennen wir nur durch Kräfte.« Laplace nannte sie eine Unbekannte, deren Wirkungen wir nur erkennen; Newton hatte an immaterielle Fernkräfte gedacht. Leibniz sprach von der vis viva als einem Quantum, das mit der Materie zusammen die Einheit der Monade bildet. Descartes war ebensowenig wie einzelne Denker des 18. Jahrhunderts (Lagrange) gewillt, Bewegung vom Bewegten grundsätzlich zu sondern. Neben potentia, impetus, virtus finden sich schon in gotischer Zeit Umschreibungen mit conatus und nisus, wo offenbar die Kraft von der auslösenden Ursache nicht gesondert worden ist. Es ist sehr wohl möglich, katholische, protestantische und atheistische Kraftbegriffe zu unterscheiden. Spinoza, als Jude, seelisch also der magischen Kultur zugehörig, vermochte den faustischen Kraftbegriff überhaupt nicht in sich aufzunehmen. Er fehlt in seinem System.Vgl. Bd. I, S. 391 f. Und es ist ein erstaunliches Zeichen für die geheime Macht der Urbegriffe, daß H. Hertz, der einzige Jude unter den großen Physikern der jüngsten Vergangenheit, auch der einzige war, der den Versuch machte, das Dilemma der Mechanik durch Ausschaltung des Kraftbegriffs zu lösen.

Das Dogma von der Kraft ist das einzige Thema der faustischen Physik. Was unter dem Namen Statik als Teil der Naturwissenschaft durch alle Systeme und Jahrhunderte mitgeführt wurde, ist eine Fiktion. Es steht mit einer »modernen Statik« nicht anders als mit der »Arithmetik« und »Geometrie«, wörtlich den Lehren vom Zählen und Messen, die innerhalb der neueren Analysis ebenfalls, wenn man mit den Worten überhaupt noch den ursprünglichen Sinn verbindet, leere Namen, literarische Reste antiker Wissenschaften sind, die zu beseitigen oder auch nur als Scheingebilde zu erkennen uns die Ehrfurcht vor allem Antiken bisher nicht gestattet hat. Es gibt keine abendländische Statik, das heißt keine dem abendländischen Geist natürliche Art der Deutung mechanischer Tatsachen, welche die Begriffe Gestalt und Substanz (allenfalls Raum und Masse) statt Raum, Zeit, Masse und Kraft zugrunde legt. Man kann das auf jedem einzelnen Gebiet nachprüfen. Selbst die »Temperatur«, die doch am ehesten den antik-statischen Eindruck einer passiven Größe macht, läßt sich diesem System erst einordnen, wenn sie im Bilde einer Kraft erfaßt wird: die Wärmemenge als Inbegriff der sehr schnellen, feinen, unregelmäßigen Bewegungen der Atome eines Körpers, seine Temperatur als die mittlere lebendige Kraft dieser Atome.

Die späte Renaissance hat die archimedische Statik wiederzuerwecken geglaubt, ebenso wie sie die hellenische Plastik fortzusetzen glaubte. In beiden Fällen hat sie die endgültigen Ausdrucksformen des Barock, und zwar aus dem Geiste der Gotik, nur vorbereitet. Mantegna gehört zur Statik der Bildmotive, ebenso Signorelli, dessen Zeichnung und Haltung man später steif und kalt gefunden hat; mit Lionardo beginnt die Dynamik, und Rubens ist bereits ein Maximum der Bewegtheit schwellender Leiber.

Im Sinne der Renaissancephysik hat noch 1629 der Jesuit Nicolaus Cabeo eine Theorie des Magnetismus im Stil der aristotelischen Weltauffassung entwickelt, die ebenso wie Palladios Werk über die Baukunst (1578) keine Folgen haben konnte, nicht weil sie »falsch« gewesen wäre, sondern weil sie dem faustischen Naturgefühl widersprach, das durch die Denker und Forscher des 14. Jahrhunderts aus der arabisch-magischen Vormundschaft befreit worden war und das nun eigne Formen für den Ausdruck seiner Welterkenntnis brauchte. Cabeo verzichtet auf die Begriffe Kraft und Masse und beschränkt sich auf die klassischen: Stoff und Gestalt, das heißt er geht vom Geiste der Architektur des alternden Michelangelo und Vignolas auf den Michelozzos und Raffaels zurück und entwirft so ein vollkommen in sich geschlossenes, aber für die Zukunft belangloses System. Der Magnetismus als Zustand einzelner Körper, nicht als Kraft im grenzenlosen Raume – das konnte das innere Auge des faustischen Menschen symbolisch nicht befriedigen. Wir brauchen eine Theorie der Ferne, nicht der Nähe. Ein andrer Jesuit, Boscovich, hat Newtons mathematisch-mechanische Prinzipien als erster zu einer umfassenden eigentlichen Dynamik ausgestaltet (1758).

Selbst Galilei stand noch unter dem Eindruck starker Reminiszenzen des Renaissancegefühls, dem der Gegensatz von Kraft und Masse, aus der im architektonischen, malerischen und musikalischen Stil das Element der großen Bewegung folgt, fremd und unbequem war. Er beschränkt die Vorstellung der Kraft noch auf Berührungskräfte (Stoß) und formuliert lediglich eine Erhaltung der Quantität der Bewegung. Damit hält er am bloßen Bewegtsein unter Ausschluß eines räumlichen Pathos fest, und erst Leibniz entwickelte, gegen ihn polemisierend, die Idee der eigentlichen, im unendlichen Raum wirksamen, freien, gerichteten Kräfte (lebendige Kraft, activum thema), die er dann im Zusammenhang mit seinen mathematischen Entdeckungen vollkommen durchführte. An Stelle der Erhaltung der Bewegungsquantität trat die Erhaltung der lebendigen Kräfte. Das entspricht dem Ersatz der Zahl als Größe durch die Zahl als Funktion.

Der Begriff der Masse wurde erst etwas später deutlich ausgebildet. Bei Galilei und Kepler erscheint an seiner Stelle das Volumen, und erst Newton hat ihn mit Bestimmtheit funktional gefaßt: die Welt als Funktion Gottes. Es widerstrebt dem Renaissanceempfinden, daß die Masse – heute definiert als das konstante Verhältnis von Kraft und Beschleunigung in bezug auf ein System materieller Punkte – dem Volumen keineswegs proportional ist, wofür die Planeten ein wichtiges Beispiel gaben.

Aber Galilei mußte doch schon nach Ursachen der Bewegung fragen. Diese Frage hatte innerhalb einer eigentlichen, auf die Begriffe Stoff und Form beschränkten Statik keinen Sinn. Für Archimedes war die Ortsveränderung neben der Gestalt als dem eigentlichen Wesen alles körperhaften Daseins belanglos; was hätte auf die Körper wirken sollen – von außen –, da der Raum »nicht ist«? Die Dinge bewegen sich, sie sind nicht Funktionen einer Bewegung. Erst Newton schuf in völliger Unabhängigkeit von der Fühlweise der Renaissance den Begriff der Fernkräfte, der Anziehung und Abstoßung von Massen durch den Raum hindurch. Der Abstand ist für ihn bereits eine Kraft. Diese Idee hat nichts sinnlich Greifbares mehr, und Newton selbst empfand vor ihr einiges Unbehagen. Sie hatte ihn, nicht er sie ergriffen. Es ist der dem unendlichen Raum zugewandte Geist des Barock selbst, der diese kontrapunktische, gänzlich unplastische Auffassung hervorgerufen hat, und zwar mit einem inneren Widerspruch. Man hat diese Fernkräfte niemals hinreichend definieren können. Kein Mensch hat je begriffen, was eigentlich Zentrifugalkraft ist. Ist die Kraft der sich um ihre Achse drehenden Erde die Ursache dieser Bewegung oder umgekehrt? Oder sind beide identisch? Ist eine solche Ursache, für sich gedacht, eine Kraft oder eine andere Bewegung? Wie unterscheiden sich Kraft und Bewegung? Die Veränderungen im Planetensystem sollen Wirkungen einer Zentrifugalkraft sein. Aber dann müßten die Körper aus ihrer Bahn geschleudert werden, und da dies nicht der Fall ist, nimmt man noch eine Zentripetalkraft an. Aber was bedeuten diese Worte? Eben die Unmöglichkeit, hier Ordnung und Klarheit zu schaffen, hatte Heinrich Hertz bewogen, auf den Kraftbegriff überhaupt zu verzichten und sein System der Mechanik durch die äußerst künstliche Annahme von festen Koppelungen zwischen Lagen und Geschwindigkeiten auf das Prinzip der Berührung (Stoß) zurückzuführen. Aber damit sind die Verlegenheiten nur verdeckt, nicht behoben. Sie sind spezifisch faustischer Natur und wurzeln im tiefsten Wesen der Dynamik. »Dürfen wir von Kräften reden, welche erst durch Bewegung entstehen?« Gewiß nicht. Aber können wir auf die dem abendländischen Geist eingebornen Urbegriffe verzichten, obwohl sie undefinierbar sind? Hertz selbst hat keinen Versuch gemacht, sein System praktisch in Anwendung zu bringen.

Diese symbolische Verlegenheit der modernen Mechanik wird durch die von Faraday begründete Potentialtheorie – nachdem der Schwerpunkt des physikalischen Denkens aus der Dynamik der Materie in die Elektrodynamik des Äthers gerückt war – keineswegs beseitigt. Der berühmte Experimentator, der durchaus Visionär und unter allen Meistern der neuern Physik der einzige Nichtmathematiker war, bemerkte 1846: »Ich nehme in irgend einem Teil des Raumes, mag er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch leer oder von Materie erfüllt sein, nichts wahr als Kräfte und die Linien, in denen sie ausgeübt werden.« In dieser Beschreibung tritt die ihrem Gehalt nach heimlich organische, historische, das Erlebnis des Erkennenden bezeichnende Richtungstendenz deutlich hervor; damit knüpft Faraday metaphysisch an Newton an, dessen Fernkräfte auf einen mythischen Hintergrund hindeuteten, dessen Kritik der fromme Physiker ausdrücklich ablehnte. Der zweite noch mögliche Weg, zu einem eindeutigen Begriff der Kraft zu gelangen – von der »Welt«, nicht von »Gott«, vom Objekt, nicht vom Subjekt des natürlichen Bewegtseins aus –, führte eben damals zur Aufstellung des Begriffs der Energie, die im Unterschiede von der Kraft ein Quantum des Gerichtetseins, keine Richtung darstellt und insofern an Leibniz und an dessen Idee der lebendigen Kraft mit ihrer unveränderlichen Quantität anknüpft; man sieht, daß hier wesentliche Merkmale des Massebegriffs herübergenommen worden sind, derart, daß sogar der bizarre Gedanke einer atomistischen Struktur der Energie in Erwägung gezogen worden ist.

Indessen ist mit der Neuordnung der Grundworte das Gefühl vom Vorhandensein einer Weltkraft und ihres Substrats nicht verändert und damit die Unlösbarkeit des Bewegungsproblems nicht widerlegt worden. Was sich auf dem Wege von Newton zu Faraday – oder von Berkeley zu Mill – zugetragen hat, ist der Ersatz des religiösen Tatbegriffs durch den irreligiösen Begriff der Arbeit.Vgl. Bd. I, S. 454. Im Naturbilde Brunos, Newtons, Goethes wirkt sich etwas Göttliches in Taten aus; im Weltbilde der modernen Physik leistet die Natur Arbeit. Das bedeutet die Auffassung, wonach jeder »Prozeß« im Sinne des ersten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie am Energieverbrauch meßbar ist, dem ein geleistetes Arbeitsquantum in Gestalt von gebundener Energie entspricht.

Die entscheidende Entdeckung J. R. Mayers fällt deshalb mit der Geburt der sozialistischen Theorie zusammen. Auch die nationalökonomischen Systeme schalten mit denselben Begriffen; seit Adam Smith wird das Wertproblem mit dem Arbeitsquantum in Beziehung gebracht;Vgl. Bd. II, S. 1177. das ist Quesney und Turgot gegenüber der Schritt von einer organischen zu einer mechanischen Struktur des Wirtschaftsbildes. Was hier als »Arbeit« der Theorie zugrunde liegt, ist rein dynamisch gemeint, und man könnte zu den physikalischen Prinzipien der Erhaltung der Energie, der Entropie, der kleinsten Wirkung die genau entsprechenden der Nationalökonomie auffinden.

Betrachtet man demnach die Stufen, welche der zentrale Begriff der Kraft seit seiner Geburt im frühen Barock durchlaufen hat, und zwar in genauester Verwandtschaft mit den Formenwelten der großen Künste und der Mathematik, so findet man drei: Im 17. Jahrhundert (Galilei, Newton, Leibniz) trat er bildhaft ausgeprägt neben die große Ölmalerei, die um 1680 erlosch; im 18., dem der klassischen Mechanik (Laplace, Lagrange), stand er neben der Musik Bachs und empfing den abstrakten Charakter des fugierten Stils; im 19., wo die Kunst zu Ende geht und die zivilisierte Intelligenz das Seelenhafte überwältigt, erscheint er in der Sphäre der reinen Analysis, und zwar insbesondere der Theorie der Funktionen von mehreren komplexen Variablen, ohne die er sich in seiner modernsten Bedeutung kaum mehr verständlich machen läßt.


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