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44. Aus Freidanks »Bescheidenheit.«

               

    Gott dienen ohne Wank
Ist aller Weisheit Anfang.
    Wer um diese kurze Zeit
Verliert die ewge Seligkeit,
Der hat sich selber getrogen
Und zimmert auf den Regenbogen.
    Wer die Seele will bewahren,
Der muß sich selber laßen fahren.
    Wer Gott minnet wie er soll,
Des Herz ist aller Tugend voll.
    Es sei übel oder gut,
Was im Finstern Jemand thut
Und was im Herzen wird erdacht,
Das wird noch all ans Licht gebracht.
    Hätten wir den Himmel zerbrochen,
Es würde seiner Zeit gerochen.
    Man sagt, es sei der Seele leid,
Wenn sie der Leib mit Gott entzweit;
Doch wär die Seele ohne Schuld,
So verlöre sie nicht Gottes Huld.
    Wer dreier Dinge dächte,
Vermiede gern das Schlechte:
Was er war und was er ist
Und was er wird in kurzer Frist.
So sprechen, die da sind begraben,
Zu den Greisen, zu den Knaben:
Was ihr seid, das waren wir;
Was wir sind, das werdet ihr.
    Der Armen Hochfahrt ist ein Spott;
Der Reichen Demuth minnet Gott.
    Die Süßigkeit der Welt ist gar
Der Seele Gift, das nehmet wahr.
    Wer die Welt behalten kann
Und Gott, das ist ein selger Mann.
    Wer in der Welt das Rechte thut,
Der dünkt auch Gott im Himmel gut;
Doch ist der Welt hier Mancher werth,
Des Gott im Himmel nicht begehrt.
    Niemand ist unrein
Als von Sünden allein.
    Wer eigner Sünden nähme wahr,
Schwiege wohl der fremden gar.
Der rügt des Andern Missethat,
Der hundertfach so große hat.
    Wer von Sünden feiern mag,
Das ist der beste Feiertag.
    Wenn zu Berge Waßer steigt,
So wird dem Sünder Gott geneigt:
Ich meine jenes, das verborgen
Zu den Augen steigt aus Herzenssorgen.
Dieß Waßer hat gar leisen Gang;
Doch hört es Gott durch Preisgesang.
    Ob Einer viel des Guten thu
Und Eine Missethat dazu,
Der Gutthat wird vergeßen,
Die Missethat gemeßen.
    Judas, zweimal auch getauft,
Hätte dennoch Gott verkauft.
    Almosen bittet für den Mann,
Der selber nicht mehr bitten kann.
Waßer löschet Feuersglut,
Almosengeben Gleiches thut.
    Wer sich zu einem reichen Mann
Gesellet, der verliert daran:
Die Armen wie die Reichen,
Sucht Jeder seines Gleichen.
Die Geizgen und die Reichen
Mag man dem Meer vergleichen:
Wie viel des Waßers geh zum Meer,
Doch hätt es Waßers gerne mehr.
    Die Thränen bald getrocknet sind,
Die des reichen Mannes Kind
Weint an seines Vaters Grab:
Er wischt den kurzen Thau wohl ab;
Jedoch des armen Mannes Kind
Tröstet sich nicht so geschwind:
Des Thränen fließen lange
Mit Jammer über die Wange.
    Was zu Zwölfen wird gestohlen,
Das bleibt nicht leicht ein Jahr verhohlen.
    Schilt ein Dieb den andern Dieb,
Das ist den Nachbaren lieb.
    Mäuse soll man fangen,
Diebe soll man hangen.
    Der Augendiener dienet nicht
Als zu des Herren Angesicht.
    Wir wünschen Alters alle Tage
Und kommt es, hört man nichts als Klage.
    Das Alter sehnt sich nach der Jugend,
Die Jungen wünschen alter Tugend.
    Singen, springen soll die Jugend:
Die Alten walten alter Tugend.
    Wer seines Mundes hat Gewalt,
Der mag mit Ehren werden alt.
    So in Alter als in Jugend
Ziemt nichts so wohl als Zucht und Tugend.
    Wer Tugend hat, ist wohlgeboren,
Ohne Tugend Adel gar verloren.
    Dem Blinden ist im Traume wohl,
Wachend ist er Leides voll.
    Das Gut allein mag heißen gut,
Mit welchem man das Rechte thut.
    Das Gut sich nicht verhehlen kann,
Es spricht zu oft nur aus dem Mann.
    Man ehrt das Gut an manchem Mann,
Der Ehr und Tugend nie gewann.
    Der Mann ist elend ohne Gut,
Was er auch kann, was er auch thut.
    Man soll nach Gute werben
Als gält es nie zu sterben,
Um es in Fülle hinzugeben
Als bliebe man nicht Wochen leben.
    Ohne Sorge Niemand mag
Leben einen vollen Tag.
    Mich grüßen immer Sorgen
Zuerst an jedem Morgen.
    Es bekommt dem Siechen selten wohl,
Wenn ihn der Arzt beerben soll.
    Möcht es so weisen Arzt nur geben
(Nach dessen Rathe wollt ich leben),
Der durch die Leute könnte spähn,
Dem würd ich Kunst wohl zugestehn.
    Enthaltung ist die beste List,
Die in Arzneibüchern ist.
    Dem Leibe helf ich Tag um Tag,
Dem doch Niemand helfen mag;
Die Seele laß ich unterwegen:
Es frommte, wollt ich ihrer pflegen.
    Man lobt im Tode manchen Mann,
Der lebend selten Lob gewann.
    Ich weiß, aus meines Feindes Mund
Geht mein Lob zu keiner Stund,
Und wenn er Gutes von mir spricht,
So kommt es aus dem Herzen nicht.
    Will Einer wißen wer er sei,
Der schelte seiner Nachbarn drei:
Wenn ihm die zweie das vertragen,
Der dritte wird es ihm wohl sagen.
    Ich schelte das an manchem Mann
Was ich selber nicht vermeiden kann.
    Niemanden Der beschelten kann,
Der selber Ehre nie gewann.
    Ich schelte nicht was Jemand thut,
Macht er nur das Ende gut.
    Des Mannes Witz zu Ende geht,
Wenn er in großen Zorn geräth.
    Im Zorne redet leicht ein Mann
Das Schlimmste, das er reden kann.
    Der Teufel kehrt nicht seine List
Auf den, der schon sein eigen ist:
Die seiner Bosheit sich nicht fügen,
Die sucht er listig zu betrügen.
    Drei Dinge nichts ersättgen kann:
Hölle, Feur, und geizgen Mann.
Das vierte sprach noch nie: »Genug!«
Wie viel man ihm auch bracht und trug.
    Wer rußig ist, der wasche sich
Und komme dann und wasche Mich.
    Muß ich des Weges irre gehn,
Seh ich da tausend Blinde stehn
Und einen Sehenden dabei,
Den frag ich wo die Straße sei.
    Wie mag der lautres Waßer geben,
Den man sieht im Pfuhle schweben?
    Die Fürsten zwingen mit Gewalt
Feld und Waßer, Stein und Wald,
Das Wilde wie das Zahme gleich.
Sie zwängen gern der Lüfte Reich;
Das bleibt uns allen doch gemein.
Möchten sie der Sonne Schein
Uns verbieten, Wind und Regen,
Man müste Zins mit Golde wägen.
Sie sollten doch zu Herzen nehmen,
Daß Fliegen, Mücken, Flöhe, Brämen
Sie mühn wie jeden armen Mann,
Der nie Schatz noch Land gewann.
    Niemand hat weisen Muth
Als wer Gottes Willen thut.
    Gott hat den Weisen Harm gegeben,
Dazu den Thoren frohes Leben.
    Ich nähme weisen Mannes Muth
Für zweier reichen Thoren Gut.
    Wie großen Schatz ein Thor noch fand,
Er kam doch in der Weisen Hand.
    Wer mit der Welt will gedeihn,
Der muß bisweilen thöricht sein.
    Hat ein Thor nur Brei zur Hand,
Was kümmert ihn das Vaterland?
    Es nähm ein Thor des Kuckucks Sang
Für der süßen Harfe Klang.
    Wir gefallen all uns selber wohl,
Drum ist das Land der Thoren voll.
    Den Thoren dünkt es selten gut
Was ein weiser Mann auch thut.
    Weis ist wer Verlust beklagt
Und nichts von dem Gewinne sagt.
    Ich weiß wohl, daß ein milder Mann
Genug zu geben nie gewann.
    Milde macht werthe Hand,
Am Obste wird der Baum erkannt.
    Dem Bösen oft zu Theile ward
Was man vor dem Frommen spart.
    Wie argen Muth der Karge trug,
Er däuchte sich doch mild genug.
    Wer die Leute ungern eßen sieht,
Weh, wie oft dem weh geschieht!
Wie möcht ihm weher wohl geschehn?
Er muß sich selber eßen sehn.
    Der böse Mann ungerne sieht,
So dem Frommen wohl geschieht.
    Ein Mann um Ehre werben soll,
Wenn er will, er läßt sie wohl;
Gewinnt er aber Schande viel,
Die läßt er nicht so, wenn er will.
    Nach Lob und Ehre soll man jagen
Und doch Gott im Herzen tragen.
    Trunkenheit ist selten gut:
Sie tobt und fälscht den weisen Muth,
Sie raubt uns alle Tugend gar;
Sie gleicht dem Tode: nehmt es wahr.
Das Vieh, dem Gott nicht Sinn beschied,
Wenn es zu Dorf vom Felde zieht,
So erkennt doch Jedes wohl
Haus und Hof, dahin es soll;
So trinket leider mancher Mann,
Daß er Haus noch Hof erkennen kann.
    Es trinken tausend eh den Tod
Als Einer stürb in Durstes Noth.
    Gewisser Freund, versuchtes Schwert,
Das ist in Nöthen Goldes werth.
    Der meint es mit dem Freund nicht gut,
Der Alles lobt, was er auch thut.
    Noch beßer ist des Bösen Haß
Als ihre Freundschaft, wißet das.
    Keine Hut ist so gut
Als die ein Weib sich selber thut.
    Von Freude sind die Fraun genannt,
Ihre Freude freut das ganze Land.
Wie gut er Freude kannte,
Der zuerst sie Frauen nannte!
    Wer sich selbst erkennen kann,
Der heißt allein ein weiser Mann.
    Wer nach meinen Willen thut,
Dem trag ich immer holden Muth.
    Wer übel gegen Uebel thut,
Das ist menschlicher Muth.
Wer Gutes gegen Uebles thut,
Das ist göttlicher Muth.
Wer Uebels gegen Gutes thut,
Das ist teuflischer Muth.
    Man wird bei guten Leuten gut
Und bös bei dem, der Uebel thut.
    Wem gram geworden sind die Sterne,
Dem leuchtet auch der Mond nicht gerne;
Ich fürchte nicht des Mondes Schein
Will mir die Sonne gnädig sein.
    Wer mehr verspricht als er mag geben
Will ohne Noth in Schanden leben.
    Die Gab ist zweier Gaben werth,
Die gegeben wird eh man begehrt.
    Reines Herz und reiner Muth
Sind in jedem Kleide gut.
    Möcht ich mich selber besiegen,
All meine Noth wär überstiegen.
    Wer sich selber feind ist,
Der sei mein Freund zu keiner Frist.
    Laßt euch die Zeit gefallen wohl,
Da noch viel bösre kommen soll.
    Vollen Becher soll man tragen
Eben, hör ich immer sagen.
    Es dünkt manchen dummen Mann
Die Kunst die beste, die er kann.
    Wer zwei Ding auf einmal thut,
Die gerathen selten beide gut.
    Man mag wohl fangen Weib und Mann;
Gedanken Niemand fangen kann.
    Es ward kein Kaiser noch so reich,
Ich bin ihm in Gedanken gleich.
    Mich dünkt, wenn ich alleine bin,
Als hätt ich tausend Männer Sinn,
Und komm ich hin wo Leute sind,
So bin ich dummer als ein Kind.
    So wohl ist keinem noch geschehn,
Er sollte doch zur Erde sehn,
Denn von der Erd ist er genommen,
Und soll zur Erde wieder kommen.
    Ist eine Wiese gemein,
Deren Gras ist gerne klein.
    Ich missfalle manchem Mann,
Der mir auch nicht gefallen kann.
    Ein Kind nähm ein gefärbtes Ei
Für ungefärbter Eier drei.
    Man mag mit allen Sinnen
Dem Tode nicht entrinnen.
Wie je die Leute warben,
Sie sorgten bis sie starben,
Und wie sie jetzt noch werben,
Sie sorgen bis sie sterben.
    Ich weiß mir ist der Tod bereit;
Doch weiß ich nicht des Todes Zeit.


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