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29. Walther von der Vogelweide.

3. Frühling und Frauen.

     

    Wenn die Blumen aus dem Grase dringen,
Gleich als lachten sie hinauf zur Sonne
Des Morgens früh an einem Maientag,
    Und die kleinen Vöglein lieblich singen
Ihre schönsten Weisen, welche Wonne
Hat wohl die Welt, die so erfreuen mag?
    Man glaubt sich halb im Himmelreiche.
Wollt ihr hören, was sich dem vergleiche,
So sag ich was mir wohler doch
An meinen Augen öfters that
        und immer thut, erschau ichs noch.

    Denkt, ein edles, schönes Fräulein schreite
Wohlgekleidet, wohlbekränzt hernieder,
Sich unter Leuten wandelnd zu ergehn,
    Hochgemuth in fürstlichem Geleite,
Etwas um sich blickend hin und wieder
Wie Sonne neben Sternen anzusehn:
    Der Mai mit allen Wundergaben,
Kann doch nichts so wonnigliches haben
Als ihr viel minniglicher Leib;
Wir laßen alle Blumen stehn
        und blicken nach dem werthen Weib.

    Nun wohlan, wollt ihr Beweise schauen,
Gehn wir zu des Maien Lustbereiche,
Der ist in seiner ganzen Fülle da.
    Schauet ihn und schauet edle Frauen,
Was dem Andern wohl an Schönheit weiche,
Ob ich mir nicht das beßre Theil ersah.
    Ja wenn mich Einer wählen hieße,
Daß ich eines für das Andre ließe,
Ach wie so bald entschied ich mich:
Herr Mai, ihr müstet Jenner sein,
        eh ich von meiner Herrin wich!


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