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3. König Wenzel von Böhmen.

1270–1305.

Ich brach die Rose nicht.

       

    Aus hoher Aventüre gar süße Würdigkeit
Hat Minn an Mir ans Licht gebracht:
Ich seufz aus Herzensgrund, gedenk ich nur daran!
    Zu Lohne gab sie mir zu minniglichem Leid
Was je mein Wunsch sich hatt erdacht,
Ein Weib so zart, daß ich mich immer rühmen kann,
    Ganz ungefährdet gleichwohl ihrer Sittsamkeit.
Sie gab in großer Liebe mir ein reiches Leid:
Das muß ich tragen jederzeit,
Wie auch dazu gebahrt der Neid.

    Recht wie eine Rose, die sich aus der Hülle löst,
Wenn sie des süßen Thaus begehrt,
So bot sie mir den rothen, zauberreichen Mund.
    Was je noch Freude ward in Mannes Herz geflößt,
Das ist ein Nichts, Ich ward gewährt
So hülfereichen Trostes, ach in lieber Stund!
    Ein Sinn es nie durchdenkt, kein Mund zu Ende sagt,
Wie selig Heil mir hat an ihrer Gunst getagt.
Mit Leide Freude ward erjagt;
Das Leid war froh, die Freude klagt.

    Nun hab er Dank, der so je seiner Frauen pflege
Wie ich der reinen, süßen Frucht:
Ich brach die Rose nicht, und hatt es doch Gewalt.
    Sie wohnte mir im Herzen, wohnt noch alle Wege.
Gedenk ich noch an ihre Zucht,
So blüht mein Sinn in Freuden also mannigfalt,
    Daß ich vor Liebeslust kein Ende sagen mag
All meines vollen Glücks an meines Heiles Tag.
Kein Mann wohl je so herrlich lag
Als ich, da mein die Liebe pflag.


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