Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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60. Historia: Des Königs Sohn mit den Teufeln.

(6. Mai 1562.)

                    Astipulus thut schreiben das,
Wie in Schwedenland ein König saß,
Welcher Haldanus war genennt,
Der weislich hielt sein Regiment
Und war ein Held voll kühner Art;
Ein überschön Gemahl ihm ward,
Die lang' ihm Erben nicht gebar,
Weshalb betrübt der König war.
Doch endlich thät sie schwanger gehn
Und ihm gebar ein Söhnlein schön.
Deß ward der König hoch erfreut,
Darzu mit ihm auch Land und Leut';
Sie ließen Freudenfeuer brennen,
Daß man die Freude sollt' erkennen.
Doch ward dem Könige zerstört
Der Freud' ein Theil, dieweil er hört'
Von Weisen, die in Sternen lesen,
Was da geschieht und was gewesen,
Sobald des Jungen Augen ganz
Erschauen würden der Sonne Glanz
In zwölf Jahren, so würd' das Kind
An beiden Augen werden blind.
Den König das betrübet hat;
Doch fanden endlich einen Rath
Die Weisen, der dem König hieß,
Daß er im hohlen Berge ließ
Eine Wohnung machen. Darin sodann
Erzog den jungen König man.
Im Berge, in dem Dunkel fein,
Allein erhellt vom Kerzenschein,
Der Knabe aufwuchs und zunahm.
Als er nun zu acht Jahren kam,
Begann er zu studiren fleißig.
Zwei alte Männer hatt' er bei sich,
Die lehrten Schreiben ihn und Lesen
Ganz still, ohn alles höf'sche Wesen;
Da war kein Rennen noch Turnieren,
Kein Tanzen oder Bankettiren,
Kein Waidwerk oder Saitenspiel.
Der Junge hört' und sah nicht viel,
Denn die zwei alten weisen Herrn.
Oft fragt der Junge: »Nah und fern
Ist sonst kein Mensch, denn ich und ihr;
Wie sind denn hergekommen wir?
Sind aus den Felsen wir entsprungen?«
Verwundert hörten sie den Jungen,
Erstaunt ob seinem klugen Sinn.
Doch mußten sie abbringen ihn
Und oft ihm in den Ohren lagen,
Nichts von der Außenwelt zu sagen,
Bis seine Zeit gekommen war.
Als nun dahin das zwölfte Jahr,
Da ward zum König er gebracht
Mit Freuden und mit großer Pracht,
Mit Reverenz, mit Pfeif' und Flöten,
Posaunen, Harfen und Trommeten
Nach Kopenhagen, in die Stadt,
Wo der König seinen Hofstaat hatt'.
Auf seinem königlichen Saal
Ließ er ihn schauen überall
All' seine Schätze, Silber, Gold,
Kleinodien, die er erben sollt'.
Der Knabe stand verwundert gar,
Wußt' nicht, was dies und jenes war,
Weil er die Dinge nie gesehen.
Der Vater thät dann mit ihm gehen
Hinab zum Roßstall aus dem Saal,
Drin standen Rosse schön zumal.
Er führte ihn hinauf darnach
Im Schloß durch jegliches Gemach,
Die waren all' gezieret mild
Mit Tafelwerk, manch schönem Bild.
Der König führt' ihn weiter immer
Bis in das schönste Frauenzimmer,
Darin viel schöne Jungfraun saßen,
Geschmücket über alle Maßen.
Zum Vater sprach allda das Kind:
»O sage mir, was diese sind!«
Zeigt' auf die Jungfraun da mit Fleiße.
Der König sagte scherzesweise:
»Dies, lieber Sohn, die Teufel sind,
Wodurch die ganze Welt wird blind.«
Dann ward zum Zeughaus er geführt,
Mit Büchs' und Harnisch ausstaffirt,
Darmit zu schützen Land und Städte,
Getreideböden und Vorräthe.
Als er gezeigt dem Sohne ganz
Nun aller seiner Schätze Glanz,
Da thät ihn so der Vater fragen:
»Mein lieber Sohn, nun sollst du sagen,
Was dir gefiel am besten hier
Von allen Schätzen? Sag' es mir!«
Der Sohn gar schnelle Antwort gab:
»Von deinen Schätzen, deiner Hab',
Herr Vater, haben unter allen
Die Teufel mir am besten gefallen.«
Deß lachte alles Hofgesind'.
Der Beschluß.
Aus der Geschichte klar man find't
Und wird gesehen klar und pur
Die große Stärk' in der Natur,
Die mit Gewalt durchdringet stark
Vernunft, Herz, Sinn, Gebein und Mark,
Weil dieses Gottes Majestät
Den Menschen all einpflanzen thät,
Daß sich die Menschen pflanzen fort
Und dadurch haben Schutz und Hort.
Und so gewaltig ist der Trieb,
Daß zu den Fraun man heget Lieb',
Auf daß das Menschengeschlecht fortwachs'
Bis an der Welt End', spricht Hans Sachs.

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