Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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22. Die ungleichen Kinder Evä.

(In dem zarten Ton Frauenlobs.)
(25. August 1546.)

            Nachdem Eva viel Kinder hätt'
Gezeugt, versteht!
Da wollt' der Herr einst kommen, daß er mit ihr red'.
Die schönsten Kinder sie zustutzt,
Sie badet, strählet, schmücket, flechtet, ziert und putzt
Und stellen thät,
Daß Gott gesegne sie.
    Die andern Kinder ungestalt,
So jung wie alt,
Verstieß sie in das Heu und Stroh und sie sehr schalt;
Ein Theil schob sie ins Ofenloch.
Also barg Eva sie,
Weil sie besorgte hoch,
Des Herrn Gewalt
Wird' spotten über die.
    Als nun der Herr zu Eva eingegangen,
Ward von den schönen Kindern er empfangen;
Sie thäten vor ihm prangen,
Wie es sie Eva hatt' gelehrt.
Der Herr, geehrt, sich zu ihnen kehrt
Und segnet sie allhie.

    Dem einen sagt' er: »König sei!«
Und dem darbei:
»Ein Fürst du sei!« dem dritten: »du ein Grase frei!«
Zum vierten: »Sei ein Ritter« – Dann
Zum fünften sprach er: »Und du sei ein Edelmann!«
Zum sechsten: »Ei,
Du sei ein Bürger reich.«
    Als Eva hört' des Segens Wort,
Da lief sie fort,
Die andern holend, jegliches von seinem Ort,
Und stellte alle sie vor Gott.
Die struppige, unlust'ge, grindige, lausige Rott'.
Schwarz und verschmort,
Fast den Zigeunern gleich.
    Der Herr thät des rostigen Haufens lachen,
Thät Bauern, Handwerker aus ihnen machen,
Zum Mahlen und zum Bachen,
Schuster, Weber und Lederer,
Waldleut', Hafner, Schmied' und Fischer,Sämmtliche Handwerkernamen auf er haben hier den Ton auf der letzten Silbe. Die Reime sind stumpfe auf er.
Fuhrleute und dergleich.

    Eva, die sprach von Schrecken bleich:
»O Herre reich,
Wie theilest du den Segen aus so sehr ungleich!
Weil doch die Kinder allzusammen
Ohn' Unterschied von mir und meinem Manne stammen,
Sollt' jeder gleich
Den Segen dein empfahn!«
    Gott sprach: »Es steht in meiner Hand,
Daß ich im Land
Mit Leuten muß besetzen einen jeden Stand;
Darzu ich Leut' denn auserwähl'
Und jedem Stand von seines Gleichen Leut' zustell',
Auf daß niemand
Gebrech', was man soll hân.«
    Also allhier die Fabel euch bedeute,
Daß man zu jedem Stand noch findet Leute;
Darbei man spüret heute,
Wie Gott so wunderbar regiert,
Mit Weisheit geziert; er ordinirt
Zu allem seinen Mann.


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