Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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54. Schwank: Der Mönch mit dem Kapaun.Vergl. Pauli S. 29.

(4. August 1558.)

                    Ein Edelmann im Baierland,
Von gutem Stamm, doch ungenannt,
Hatt' einen Mönch zu seinen Fladen
Am heil'gen Ostertag geladen.
Derselbe sein Beichtvater wâs.
Selbsiebend er zu Tische saß;
Der Edelmann saß obenan,
Zur Seite saß sein Weib ihm dann
Und neben ihr zwei junge Söhn'
Und dann zwei junge Töchter schön.
Der Mönch macht' voll die Siebenzahl
Und saß beim Ritter bei dem Mahl
Und auch das Benedicite sprach.
Da setzt' man auf den Tisch darnach
Den geweihten Fladen mit den Eiern,
Wie das ist Brauch im Lande Baiern.
Von dem Geweihten aß jedermann.
Dann bracht' man einen Kalbskopf an
Auf einer Platt' mit viel Kalbsfüßen,
Daß sie den Hunger thäten büßen.
Als man das von dem Tisch wegnahm,
Die gelbe Ostersuppe kam.
Nach dieser trug man auf den Tisch
Eine Platt' mit heißgesottnem Fisch.
Da fing der Mönch zu essen an,
Daß Schweiß ihm übers Antlitz rann.
Es ward nach allem dem zuletzt
Ein Kapaun gebraten aufgesetzt.
Den thät der Edelmann hoch preisen
Und legt', um Ehr' ihm zu erweisen,
Dem Mönch den feinen Braten für,
Daß er ihn sollte nach Gebühr
Gar höflich und artig zerlegen.
Der Mönch gab Antwort ihm dargegen:
»Junker, ich kann auf meinen Eid
Nicht viel Gepräng' und Höflichkeit.
Soll ich zerlegen diese Speise,
So thu' ich's nach der alten Weise,
Wie man es that in alten Tagen.«
Die Edelfrau thät darzu sagen:
»Ja, Herr, zerlegt ihn ungestört,
Wie es die Alten euch gelehrt.«
Das Messer nahm der geschorne Tropf,
Schnitt dem Kapaune ab den Kopf
Und legt' den vor dem Edelmann;
Nach dem er sich nicht lang' besann,
Den Kragen dem Kapaun abschnitt,
Beehrt' die Edelfrau darmit.
Dann thät er ab die Füße schneiden
Und gab sie hin den Söhnen beiden.
Nach dem schnitt er die Flügel ab
Und jeder Tochter einen gab
Und legte ihn ihr höflich für.
Den Kapaun behielt er vor seiner Thür',
Der feist und ganz fürtrefflich war,
Und fraß in seinen Hals ihn gar
Und keinem etwas darvon gab
Und nagt' das Bein sein sauber ab.
Sie sahn das Mönchlein alle an.
Zuletzt sprach doch der Edelmann:
»Mein Herr, auf welcher hohen Schule,
Auf welcher alten Meister Stuhle
Ward das Zerlegen euch gelehrt?«
Der Münnich sprach: »Ich hab' verehrt
Euch, werther Junker (mir das glaubt!),
Den Kopf, weil ihr doch seid das Haupt
Und aller Weisheit thut regieren,
Die Unterthanen zu ordiniren,
Auch mannhaft seid in Krieg und Streiten,
Wenn ihr zu Fürstendienst thut reiten.
Den Kragen legt' ich vor die Frauen,
Die nach euch hat das meiste Vertrauen.
Die muß am Abend und am Morgen
Die Küche und das Haus versorgen,
Muß lassen Vorrath stets eintragen,
Was man muß haben in dem Kragen.
Ein jeder eurer Söhn' bekam
Einen Fuß, weil euer Geschlecht und Stamm,
Eur Schild und Helm und Wappen gut
Auf ihnen stehet und beruht.
Nach dem schnitt ich die Flügel ab,
Die ich alsbald verehret hab'
Den Töchtern, daß ich gebe kund,
Daß sie zur Liebe flügg' und rund,
Wo sie geschmückt mit Reverenzen
Sind bei der Edelleute Tänzen,
Wo mit freundlichem Augenblicken
Die Lieb' mit Lieb' sich thut erquicken.
Von dem Kapaun ist mir, ihr Lieben,
Nur der verstümmelte Rumpf geblieben.
Ich nahm mich seiner an als Armen
Und aß ihn selber aus Erbarmen,
Weil ich auch also hilflos bin
Und flieg' im Lande her und hin,
Bin ein Vogel und flügg' doch nicht,
Der Schnabel mir am Rücken liegt,D. h. die auf dem Rücken ruhende Spitze der zurückgelegten Kapuze.
Ich bin geschoren wie ein Narr,
Die Kutt' hat Eselfarbe gar,
Bin wie ein Dieb gegürtet worden,
Seitdem ich bin im Barfüßerorden,
Und gehe barfuß wie die Gans.
Ist das nicht wahr, mein Junker Hans?«
Der Edelmann des Mönches lacht',
Daß er so schlau es ausgedacht
Und sich verschafft das beste Stück,
Den Braten schnitt mit solcher Tück'
Und ihn allein schlang in den Hals. –
Er lud ihn nimmermehr nochmals.
Der Beschluß.
Aus diesem Schwank die Lehre nehmt:
Ist wo ein Gast so unverschämt
Vor der Herrschaft und andern Gästen,
Daß er bei Tisch greift nach dem Besten
Und sich der Schleckerbißlein fleißt,
Dafür nur lahme Zoten reißt,
Dem höret man wol zu und lacht,
Doch wird von jedem still gedacht:
O Pfui! du unverschämte Sau!
Auch denkt im Hause Herr und Frau:
Der ist mit Unflath arg besessen,
Kann nichts als Saufen, nichts als Fressen,
Als woll' es ihm entwischen immer;
Und läd't die Sau fortan dann nimmer.
Der Gäst' gibt's viel jenseits des Bachs
Und diesseits auch, so spricht Hans Sachs.

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