Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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36. Heinz Widerborst.

(1534.)

                  Heinz Widerborst bin ich genannt,
Komm' her vom wilden Lappenland,Lappenland hat hier die Nebenbedeutung: Land der Laffen (Lappen).
Zu Berge stehet all mein Haar,
Da ich bin widerspänstig gar;
Mein Sinn ist seltsam, launisch, wunderlich,
All die Gedanken mein sind sunderlich,
Mit keinem Menschen konkordieren,
Eigensinn, der thut mich zieren.
Was jedermann für gut erkannt,
Dem biet' Verachtung ich und Schand';
Was man verachtet, daß ich preise,
Leb' ganz in widerborst'ger Weise;
Weß man sich freut, deß traure ich,
Weß man trauert, deß freu' ich mich;
Wo man will Gutes fangen an,
Verkehr' ich's, wenn ich irgend kann;
Was auf der ganzen Welt geschicht,
Das laß ich mir gefallen nicht;
Das Wirken Gott's find't bei mir Tadel,
So auch Regenten, Fürsten, Adel,
Geistliche, Weltliche, Groß und Klein,
Rath und Gericht und die Gemein';
Man pred'ge, schreib', sing' oder sage,
Ich hebe doch Geschrei und Klage
Ohn' Ursach', ohne Fug und Sitt'
Und bin ein rechter Störenfried,
Ein wilder Lapp', dem ganz allein
Gefällt der eigne Wille sein.
Zwei Eselsohren ich auch hab',
Darbei nimmt leicht ein Weiser ab,
Daß meine Weisheit ist gar klein.
Zerstreuet sind die Sinne mein,
Sind durcheinander leicht geschnellt,
Wie gemähter Hafer auf dem Feld;
Meine Worte halt' ich nicht in Hut.
Verredet' ich auch Leib und Gut,
So halt' ich doch nicht Zahl noch Maß.
Weil mir gefällt nicht dies noch das,
Schlag' jedem ich sein Blechlein anVergleiche Seite 109.
Und kenn' nicht Billigkeit alsdann,
Es reim' sich oder reim' sich nicht –
Dasselbe wenig mich anficht.
Und wer mich darum strafen wollt',
Dem würd' ich feind und gar abhold,
Da ich will Recht haben allezeit,
Obschon mir alles widerstreit'.
Je mehr man stillt, je mehr ich tob',
Wiewol ich selber bin so grob,
Ei, gröber viel als Bohnenstroh,
Ein ungeschickter Schadenfroh,
Und wüßt' vor Unverstand dargegen
Einer Sau keinen Sattel aufzulegen.
Drum bleib' so klug ich, wie ich war,
Gleich unsres Müllers Pferde gar.
Mein Kleid ist wie ein Igelbalg,
Darmit deck' ich mich groben Schalk,
Bin stachlig ganz nach Igels Art,
Halt' allenthalben Widerpart
Und stech' mit spitzig scharfen Worten
Voll Tück' um mich an allen Orten.
Sitz' ich im Rath oder Gericht,
Laß ich der Weisheit Vorgang nicht;
Wo ich in einem Handwerk bin,
Viel Unraths richt' ich an darin;
Wo ich in eine Gesellschaft kommen,
Wird Lärmen nur von mir vernommen;
Wo ich in einer Gassen sitze,
Sticht alle Nachbarschaft meine Spitze,
Und wo ich komme in die Ehe,
Bring' meinem Gatten ich nur Wehe;
Wo ich auch wohn' in einem Haus,
Da hebt sich mancher wilde Strauß.
Ich sei bei Laien oder Pfaffen,
Ein jeder hat mit mir zu schaffen.
Ich keif', ich brumm', ich grein' und zank',
Kein Mensch um mich verdienet Dank;
Viel Hader, Aufruhr, Zank mach' ich,
Viel Unfug, Widerwillen, Krieg,
Daß jedermann mich billig schätz'
Als einen rechten Hadermetz.
Nach mir zieh' ich einen Dornenstrauch,
Der mich blutrünstig machet auch,
Mit scharfem Dorn auch meine Schenkel,
Die Füße, Sohlen, Fersen, Enkel,
Da ich mir selber richte zu
Durch meine Thorheit viel Unruh'.
Bei Leuten bleibt das Glück mir fern,
Niemand hat mit mir zu schaffen gern.
Weil ich nichts ungetadelt laß,
Mißt man mich auch mit solchem Maß.
Wer es vermag, der thut mich rupfen,
Mit Worten und mit Werken zupfen,
Daß ich doch nicht mehr dulden kann.
Weil mir zusetzet jedermann,
So will auch ich, Heinz Widerborst,
Zurückgehn in des Waldes Forst
Und ferner fliehn der Menschen Bildniß,
Einsam verbleiben in der Wildniß,
Weil meine Art gefällt mir allein,
Und gänzlich unbekümmert sein
Um die Welt, bis einmal mit der Zeit
Aufhöret meine Widerborstigkeit.
Der Beschluß.
Aus dem ein jeder merken mag:
Wer Frieden gern hat und Gemach,
Der meide widerborst'ge Art
Und halt' hinfort nicht Widerpart.
Was gern erträgt ein andrer Mann,
Dawider kläff' er auch nicht an;
Wenn gleich ein Ding gebrechlich sei,
So merk' er das und schweig' darbei,
Besonders, wo es ihm nicht schädlich.
Dann glaubt man ihn aufrichtig, redlich,
Leutselig, still, glimpflich und friedlich.
Wol mag er richten unterschiedlich,
Das Gute von dem Bösen schälen,
Und Gutes sich dann auserwählen;
Auch alle Ding' zum Besten richt',
Wie auch Herr Doktor FreidankFreidank ist der Verfasser des berühmten Spruchgedichts »Bescheidenheit;« vergl. meine Uebersetzung: Univ.-Bibl. 1019–1050. spricht,
Der Mann sei weis' und wohl gelehrt,
Der alle Ding' zum Besten kehrt.
Dann mag er bei den Leuten bleiben,
Mit guter Ruh' seine Zeit vertreiben,
Entgehen viel des Ungemachs;
Sanftmuth ist gut, so spricht Hans Sachs.

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