Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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33. Ein Lobspruch der Stadt Nürnberg.

                                  Die Ordnung Nürnbergs und ihr Wesen
Kannst du hier im Gedichte lesen.

(20. Februar 1530.)

                Vor kurzen Tagen ich spazierte,
Vor grünem Holze promenirte,
Zu schauen an des Maien Wonne.
Mit heißem Glanze schien die Sonne,
Der ich entwich hinein ins Holz.
Da sah ich viel der Thierlein stolz
Von Rehen, Hinden und auch Hirschen
Umher im grünen Holze pirschen.
In Freuden schlich ich hin und wieder
Und ging im wilden Walde nieder
Auf einen dreieckigen Anger,
Von Klee und edlen Blümlein schwanger,
Darauf die kleinen Bienlein flogen,
Die süßen Säftlein daraus sogen.
Da schaute ich ein kühles Brünnlein,
Das von dem Fels in einem Rinnlein
In einen Marmor sich ergoß,
Darin es ringsum wirbelnd floß.
Ich legt' mich nieder, pflegt' der Ruh'
Und hört' der Vögel Singen zu,
Die laut im wilden Walde sangen.
Die kühlen Lüftlein sich herschwangen,
Die Blätter begannen lieblich Rauschen.
Also ward ich in stillem Lauschen
Gerückt in einen sanften Schlaf.
Ein übersüßer Traum mich traf:
Mich däucht', zu einem Plan käm' ich,
Darüber hob ein Hügel sich,
An dem ein Rosengarten lag,
Umzäunt von einem dichten Hag;
Mitten dadurch ein Bächlein floß,
Ringweis darum ein Wald sehr groß.
Ich blickte in den Garten reich
Durch Wipfel, Hecken und Gesträuch.
Da däuchte mich in dem Gesichte,
Wie der Garten trüg' so edle Früchte,
Granat, Muskat und Pomeranzen,
Und was nur Menschenhand mag pflanzen;
Zuckerrohr und Cyperreben
Waren im Ring im Garten daneben.
Manch edles Brünnlein strömt' darin
Aus goldnen Röhren schnell dahin.
Ich dacht', es ist das Paradeis,
Und blickt' hinein erst recht mit Fleiß.
Da kam mir etwas zu Gesicht:
In einem Rosenbusch gar dicht,
Da saß ein VogelNürnberg, das einen Adler im Wappen führt, dessen linke Seite roth und weiß ist. wunderschön,
Wie ein Adler war er anzusehn,
Kohlschwarz, der hatt' allda gehecket.
Seine linke Seit' war ihm bedecket
Mit lichten Rosen, roth und weiß,
Fein abgetheilt mit allem Fleiß;
Einem Engel seine Stimme glich:
Da schlug mein Herz gar freudiglich;
Der Vogel wiegte sein Gefieder
Um seine Jungen hin und wieder
Und füttert' sie, hielt sie in Hut.
Der edle Vogel wenig ruht',
Da man ihm trug viel Haß und Neid.
Es stellten nach ihm allezeit
Sperber, Habicht', Blaufüß', Trappen,
Elstern, Widehopf', Eulen, Raben
Und wilde Thiere, Leu und Luchs,
Schwein und Bär, Greif, Wolf und Fuchs.
Wo sie ihn möchten hämisch zupfen,
Die Schwungfedern ihm auszurupfen;
Doch kamen sie ihm allzu nah,
Kratzt' er sie mit den Krallen da,
Daß sie empfingen Todeswunden.
Vier FräuleinDie vier Fräulein sind die Weisheit in Polizei und Verwaltung, die Gerechtigkeit, die Wahrheit und die Stärke. um den Vogel stunden;
In Weiß das erste Fräulein edel,
Von klarem Gold trug's einen Zettel;
In Grün das andre Fräulein werth,
Das trug eine Wag' und ein bloßes Schwert;
Das dritt', in Blau, das trug die Sonnen,
Wovon die Thiere Furcht gewonnen;
Das vierte Fräulein, in Harnisch bloß,
Trug einen stählernen Hammer groß,
Damit sie das Ungeziefer schreckt'.
Im Augenblick ward ich erweckt
Von einem alten Persifant;Entstellt aus poursuivant, Stellvertreter des Herolds, Rufer.
Derselbe bei dem Brünnlein stand.
Ich sprach: »Ach, warum hast du mich
Gewecket also trutziglich
Aus meinem übersüßen Traum,
Dergleichen ich mag erzählen kaum?«
Nun fragte nach dem Traume er.
Da sagt' ich von dem Garten her,
Deß Wunderschönheit ich gesehn,
Vom kühnen Vogel, den Fräulein schön,
Den Dingen all in Kürze schier.
Da sprach der Persifant zu mir:
»Komm, ich zeig' dir den Garten gleich.
Es liegt eine Stadt im röm'schen Reich;
Dieselb' einen schwarzen Adler führet,
Mit Roth und Weiß fein dividiret,Das Nürnberger Wappen, das der Länge nach getheilt ist, hat rechts einen halben schwarzen Adler in goldenem Felde, links zeigt es sechs schräg-rechts ansteigende rothe Streifen auf silbernem Grunde.
Die ähnelt deinem Traumgesicht,
Von dem du mich hast unterricht't,
Die liegt mitten in diesem Wald;
Wolauf mit mir, wir sehn sie bald!«
Wir brachen auf in schneller Eile
Durch den Wald dreiviertel Meile.
Da führte mich der Persifant
Aus einen Plan von gelbem Sand,
Darum der Wald ging zirkelring;
Aufwärts ich mit dem Alten ging
Nach einer königlichen Veste,
Am Fels erbauet auf das Beste;
Manch Thurm auf Felsvorsprüngen lag,
Darin ein kaiserlich Gemach.
Geziert nach meisterlichen Sinnen
Die Fenster waren und die Zinnen;
Darum ein Graben war gehauen
In harten Fels. Uns umzuschauen
Gingen wir über die Schlagbrück' dort
Durch diese Burg an einen Ort.
Da sah ich abwärts auf 'nen Platz,
Darauf da lag der edle Schatz
In einer Ringmauer im Thal.
Da sah ich ungezählte Zahl
Erbaut von Häusern, hoch und nieder,
In diesem Orte hin und wieder,
Durch Giebelmauern stark geschieden,
Vor Feuersmacht sie zu befrieden,
Köstlich Dachwerk mit Knöpfen, Zinnen.
Der Persifant sprach: »Siehst du's innen,
Ihr überköstlich Gebäu und Zier,
Geschmücket auf die welsche Manier,
Gleich wie eines Fürsten Saal?
Schau durch die Gassen überall,
Wie ordentlich sie sind gesundert;
Deren sind achtundzwanzig fünfhundert,
Gepflastert gar, hell von der Sonnen,
Mit hundertsechzehn Schöpfebronnen,
Die allen Bürgern sind gemein,
Darzu zwölf Röhrenbrunnen fein.
Vier Schlagglocken, drei kleine Uhren,
Zwei Thürlein und sechs große Thore
Hat die Stadt und elf Steinbrücken,
Gehaun von großen Quaderstücken.
Auch hat der Berge zwölf die Stadt
Und zehn geordnete Märkt' sie hat,
Vertheilet durch die ganze Stadt,
Darauf man trifft nach allem Rath
Zu kaufen allerlei zumal
Um gleichen Preis für der Bürger Zahl,
Kraut, Rüben, Korn, Obst, Salz, Schmalz, Wein.
Auch dreizehn Badstuben sind gemein,
Der Kirchen acht sind in dem Ort,
Darin man predigt Gottes Wort.
So bedeutet jenes Wasser groß
Den Bach, der durch den Garten floß;
Das fleußt dort mitten durch die Stadt,
Treibt achtundsechzig Mühlenrad.«
Da sprach ich zu dem Persifant:
»Sag' an, wie ist die Stadt genannt,
Die unten liegt an diesem Berg?«
Er sprach: »Sie heißet Nürenberg.«
Ich sprach: »Wer wohnt in dieser Stadt,
Die also viele Häuser hat?«
Er sprach: »In der Stadt um und um
Des Volkes ist ohn' Zahl und Summ',
Ein emsig Volk, reich und sehr mächtig,
Gescheidt, geschickt und vorbedächtig.
Ein großer Theil treibt Kaufmannshandel,
In allem Land hat's seinen Wandel
Mit Spezerei und aller Waar'.
Allda ist Jahrmarkt jedes Jahr
Von aller Waar', die man begehrt.
Die Mehrzahl sich vom Handwerk nährt,
Allerlei Handwerk ungenannt,
Was je erfunden Menschenhand.
Ein großer Theil, der führt den Hammer
Für die Kaufleut' und für die Kramer,
Die andre Waare lassen dort
Und diese dafür holen fort
Von allen Dingen, der man bedarf,
Gemachet rein, künstlich und scharf:
Das deines Gartens Früchte sind.
Auch kluge Werkleut' man dort find't
Mit Drucken, Malen und Bildhauen,
Mit Schmelzen, Gießen, Zimmern, Bauen,
Wie man sie find't in keinen Reichen,
Die ihrer Arbeit sich vergleichen,
Wie da manch köstlich Werk anzeiget.
Wer dann zu Künsten ist geneiget,
Der find't allda den rechten Kern;
Und wem's behaget, daß er lern'
Fechten, Singen und Saitenspiel,
Die find't er künstlich und subtil.
Dies alles deutet im Garten darneben
Das Zuckerrohr und die Weinreben.
Darum dies edle Gewerbehaus
Gleicht wol dem Garten überaus,
Den du gesehn im Traume froh.«
Da sprach ich zu dem Alten so:
»Wer kann ein solches Werk regieren,
Gehorsamlich es ordiniren?«
Er sprach: »Da ist in dieser Stadt
Ein weiser, fürsichtiger Rath,
Der so fürsichtiglich regiert
Und alle Ding' fein ordinirt,
Der alles Volk in dieser Stadt
In acht Viertheil' getheilet hat,
Darnach in Hauptmannschaften fleißig,
Deren sind hundertundzweiunddreißig.
Fast jedes Handwerk in der Stadt
Auch seine geschwornen Meister hat.
Auch sind die Amtleut' ohne Zahl
Zu allen Dingen überall,
Daß Amt und Dienst sie stets versehen
Und nichts aus Unfleiß bleibt ungeschehen.
Ihre ReformazionStadtrechtsbuch vom Jahre 1479, neu bearbeitet 1522 und 1564. und Gesetzesbrauch
Ist vorgeschrieben für jeden auch;
Darin ist angezeiget wohl,
Was thun man oder lassen soll;
Und wer in diesem sich versieht,
Nach Gestalt der Sach' dem Straf' geschieht.
Auch ist verordnet ein Gericht,
Darin niemand Unrecht geschicht,
Dergleich ein Malefizenrecht,
Das gleich dem Herren wie dem Knecht.
Also ein ehrsam weiser Rath
Selbst eine fleiß'ge Aufsicht hat
Ueber seine Bürger aller Ständ',
Mit ordentlichem Regiment,
Guter Statut und Polizei,
Gütig ohn' alle Tyrannei.
Das ist der edle Vogel zart,
Den du gesehn im Rosengart
Behüten die edlen Jungen sein,
Die bedeuten die ganze Gemein'.
Die ist auch wiederum, wie billig,
Dem Rath gehorsam und gutwillig.
So sind der Rath und die Gemein'
Einhellig und einmüthig fein
Und halten da einander Schutz;
Daraus erwächst gemeiner Nutz,
Und also hat die Stadt Bestand.«
Da sprach ich zu dem Persifant:
»Wer sind die Vögel und die Thier',
Die so aus grimmiger Begier
Ich sah mit diesem Vogel kämpfen,
Seinen werthen Ruhm ihm zu verdämpfen?«
Er sprach: »Die Stadt ist weitberühmt,
Mit Lob erhöhet und geblümt,
Bedeut't des Vogels süßen Hall,
Den du vernimmst durch Berg und Thal.
Doch diesem guten Ruf und Nam'
Sind alle neidischen Herzen gram,
Setzen ihr zu aus Haß und Neid,
Oft wider alle Billigkeit.
Da halten Nürenberg in Hut
Diese vier Fräulein wohlgemuth.
Das erste, in dem weißen Kleid,
Bedeut't der von Nürnberg Weisheit,
Wenn ihnen etwas zu Handen geht;
Denn täglich man sich dort beräth
Mit Leuten, erfahren und gelehrt,
Die sind bei ihnen hochgeehrt;
Fürsichtig sie die Zukunft betrachten
Und fleißig auf die Umständ' achten,
Wer, was, wie, wann, wo und warum,
Durchgründen endlich Ort und Summ'.
Wo Feind' mit Lug nach ihnen stellen,
Durch Praktik sie und List zu fällen,
Da sie durch Weisheit es verstehn,
Den Ränken richtig zu entgehn.
Indem sie weis' und gütig walten,
Der Stadt den Frieden sie erhalten.
Das andre Fräulein, im grünen Kleid,
Bedeutet ihre Gerechtigkeit,
Mit der sie's halten auf das Beste
Gegen Einheim'sche und Gäste.
Freiheiten und Original
Sie niemand schmälern überall,
Nehmen niemandem, groß oder klein,
Und geben jedermann, was sein,
Was sie ihm schuldig sind von Recht,
Kaiser, König, Fürst, Graf, Ritter, Knecht,
Halten jeden nach seinem Stand;
Darzu thun sie Gewalt niemand
Und erbieten sich allezeit
Zu der wahren Gerechtigkeit,
Wodurch sie ihre Feinde schwächen,
Oft unbillige Feindschaft brechen.
Das dritte Fräulein, in blauem Kleid,
Bedeutet der Nürnberger Wahrheit,
An der sie halten ohne Wanken
In jedem Ding und ohne Schwanken.
Dem heiligen römischen Reich,
Den Bund'sgenossen auch ganz gleich
Hat Nürnberg mit den wahrhaft Alten
Beständigliche Treu' gehalten
Und drob oft große Noth erlitten;
Von Kaiser Heinrich ward's bestritten,
Zerstöret vor vierhundert Jahren;Der Sage nach wurde Nürnberg im Jahre 1105 von Heinrich V. belagert und erobert.
Doch ließ sie wahre Treu' nicht fahren.
In allen Sachen eidespflichtig,
Bleibt redlich sie, standhaft, aufrichtig,
Dergleich ihr Geleit, Siegel und Brief'
Litten nie keinen Uebergriff.
Verklagt man sie auf den Reichstägen,
Bestehn sie mit Wahrheit allerwegen;
Wenn dann die helle Wahrheit leucht't,
Ihr Gegentheil mit Schanden fleucht.
So ist zu Nürnberg friedlich Leben,
Niemand zu Krieg sie Ursach' geben
Und überhören mehr als viel;
So dann kein Glimpf mehr helfen will,
Nicht Wahrheit und Gerechtigkeit,
Der Feind den unverdienten Neid
Nicht läßt und auch den Hochmuth sein –
Dann schützt das vierte Jungfräulein:
Bedeut't der ganzen Stadt Nürnberg
Gewalt, Macht, Reichthum, Kraft und Stärk'.
Denn rings um sie stehn hoch erhaben
Zwei Mauern und ein tiefer Graben,
Daran hundertachtzig und drei
Thürme und manche starke Bastei.
Darzu sie mit gewalt'gen Gebäuen
Ihre Ringmauer täglich erneuen,
Was dir die Gartenheck' bedeut't.
Auch Büchsenmeister und Hauptleut'
Sie haben, Geschütz auch für das Feld
Und Kriegszeug, dazu Korn und Schmalz
Und Wein und Hirs', Fleisch, Hafer, Salz,
Daß man ein großes Volk vermag
Im Feld zu halten Jahr und Tag.
Auch wird die Stadt bei Tag und Nacht
Gar wohl behütet und bewacht;
Auch hat die Stadt ohne Unterlaß
Ihre eignen Reuter auf der Straß'.
Durch die vier Stück', die hergezählt,
Nürnberg sich Frieden oft erhält.
Darmit hast du in kurzer Summ'
Nach deinem Traume um und um
Einen Abriß der werthen Stadt,
Der Gemeind' mitsammt dem weisen Rath,
Ihres ordentlichen Regiments.
Sollt' ich nach der Experienz
All' Ding' von Stück zu Stück erzählen,
Die Aemter all, die sie bestellen,
Die große Weisheit ihrer Regenten
In geistlichen, weltlichen Regimenten,
Alle Ordnung und Reformation
Und all' ihre Strafen, ihren Lohn,
Die Gesetz', Statuten und ihr Verbieten,
Gewohnheiten und löbliche Sitten,
Ihr großes Almosen in der Stadt,
Ihr künstlich Gebäu und Vorrath,
Ihr Kleinod, Freiheit und Reichthum,
Ihre Thaten, Redlichkeit und Ruhm,
Darmit sie reichlich sind gezieret,
Gekrönet und geblasonieretBlasonieren bedeutet eigentlich das Ausmalen der Wappen mit richtigen Farben; hier hat es die allgemeinere Bedeutung: schmücken.
Mir würd' gebrechen Zeit und Zung'.
Weil du nun bist an Jahren jung,
So rath' ich dir, verbring' deine Tage
Allhie, dann glaubst du, was ich sage.«
Mit dem der alte Persifant
Nahm Urlaub und bot mir die Hand
Und schied dann aus der Burg von mir.
Also in fröhlicher Begier
Ging eilig ich hinab den Berg,
Mir zu beschaun die Stadt Nürnberg.
Darin verbracht' ich ein'ge Zeit,
Besah mir alles nah und weit;
Den Schmuck und Zier der ganzen Stadt,
Einigkeit von Gemeind' und Rath,
Ordnung der bürgerlichen Ständ',
Ein weis, fürsichtig Regiment
Vielfältig besser ich erkannt',
Als mir erzählt der Persifant.
Aus Gunst hab' ich mich da verpflicht't,
Zu vollenden dieses Lobgedicht
Zu Ehren meinem Vaterland,
Das ich so hoch lobwürdig fand
Wie einen blühenden Rosengart',
Den Gott sich selber hat bewahrt
In Gnaden bis auf diese Zeit,
Gott geb' noch lang', in Einigkeit,
Auf daß sein Lob grün', blüh' und wachs' –
Das wünscht von Nürenberg Hans Sachs.

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