Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

40. Das menschliche Herz ist einer Mahlmühl' gleich.

(3. September 1548.)

                Einst in der Einfalt meiner Jugend,
Eh' ich erkannt die edle Tugend,
Nur um mit andrer Kurzweil ging,
Doch gern erforschte seltsam Ding,
Wo mir nur konnt' gelingen das,
Eines Tags ich auf 'ner Hochzeit wâs.
Und als man trank, war wohlgemuth,
Einander manches hielt zu gut,
Fragt' ich einen Doctor, künstereich,
Wem wol des Menschen Herz wär' gleich?
Er sprach zu mir fein sanft und kühl:
»Das Menschenherz gleicht der Mahlmühl',
Da 's ohne Ruh' stets mahlen thut;
Was man ausschüttet, bös und gut,
Demselbigen es Tag und Nacht
Nachtichtet emsig und nachtracht't,
Mahlt und beutelt es immerdar
So spitzfindig und wunderbar,
Thut sich mit stätigem Nachdenken
Selbst trösten, selbst auch oftmals kränken,
Sich balde hoch in Freuden übet,
Sich balde ängstlich schwer betrübet;
Jetzt ist es froh, dann bald schwermüthig,
Bald ist es zornig, darnach gütig,
Jetzt ist es kühn, bald wird es zag –
Es ändert sich so Stund' wie Tag,
Darnach man ihm aufgibt zu mahlen
Gut Korn oder unnütze Schalen.
Drum, welcher Mensch in dieser Zeit
Nach dem Affect der Sinnlichkeit
Auf Erden lebt, gleich einem Thier,
Der schüttet aus nach seiner Begier
Dem Herzen sein wollüst'ges Leben
(In den Gedanken bleibt er kleben):
Ihm mahlt sein Herz wie ein Zugpflaster
In Thorheit eitel schnöde Laster:
Geiz, Fraß, Unkeuschheit. Neid, Zorn, Rach';
Ein Laster folgt dem andern nach.
Denn wie das Herz gemahlen hat,
So folgt das Wort auch mit der That.
Doch welcher lässet die Vernunft
Regieren jetzt und in Zukunft,
Thut die Gedanken von sich schlagen,
Vom Herzen reißen und verjagen,
Auch geht sein Herz ihm darmit um,
Daß er aufrichtig bleib' und frumm.
Draus folgt, daß er thut ehrlich wandeln
Und immer bieder strebt zu handeln.
Darum denn,« sprach er, »rath ich dir,
Du wollest zähmen deine Begier,
Daß sie nicht schütte auf dein Herz
Zu mahlen Jammer, Angst und Schmerz,
Daß in Thorheit wie einem Thier
Verloren geht die Jugend dir –
Nein, laß vielmehr im Herzen dein
Die Vernunft selbst Müller sein,
Daß sie die Tugend dir ausschütte,
Auf daß dein Herze und Gemüthe
Mit dem Gedanken sei umgeben,
Aufrichtig und ehrlich zu leben.
Drum wend' all' deine Lieb' und Gunst
Zu ehrlicher Kurzweil und Kunst,
Zu Weisheit, Sitten und zu Tugend:
Darin üb' deine blüh'nde Jugend –
Dieweil das Herz nicht feiern kann –,
Damit du wirst ein Ehrenmann
Und mir in deinen alten Tagen
Für treue Lehre Dank thust sagen,
So Ehr' und Nutz dir draus erwachs',
Den treuen Rath gibt dir Hans Sachs.

 << zurück weiter >>