Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

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49. Schwank: Der eigensinnige Mönch mit dem Wasserkrug.

(12. November 1557.)

            Bei Regensburg im Baierland
Liegt eine Karthause, weit bekannt.
Darin ein alter Bruder war,
Der über alle Maßen gar
War wunderlich, zänkisch, widerhaarig,
Eigensinnig und trotzgebarig,
Der in dem Kloster sich in allen
Ließ eben glatt gar nichts gefallen.
Was oberst, unterst, alt oder jung
Im Chore betet' oder sung,
Zu Prim, Terz, Non, Vesper, Komplet,
Im Frühamt oder in der Mett',Vergl. oben Nr. 32.
Man redet' oder Silentium hatt' –
Kurzum, was man im Kloster that,
In Küchen oder in Kapiteln,
Das mußt' er ohne Grund bekritteln.
Vermeinte stets in allen Sachen,
Er wollt' viel besser Ordnung machen,
Als sie hätten in ihrer Regel.
Er war ein wunderlicher Flegel.
Drum steckt' man oft ins Gefängniß ihn;
Doch blieb er bei dem Eigensinn
Bei Tag, und war auch bei der Nacht
Ganz wunderlich und ungeschlacht,
Wenn er etwa hört' die Nachteulen,
Das Katzengeschrei, der Wölfe Heulen,
Der Hähne Krähn, oder wenn die Mäuse
Ihn plagten oder Flöh' und Läuse,
So er hört' Tauben, Frösch' und Grillen,
Wenn eine Mück' irrt' an den Dielen,
Wenn einen Hund er hörte bellen.
Darum bezog er alle Zellen
Und wechselt' sie in einem Gang,
Blieb drin nicht einen Monat lang.
In Summa, das währt' immer zu,
Daß niemand hatte seine Ruh',
So weit das ganze Kloster war.
Als das gewährt hatt' ein'ge Jahr',
Dem Obersten er solches sagte:
An keinem Orte, so er klagte,
Könnt' haben Ruh' er und Andacht,
Bei Tag so wenig, wie bei Nacht;
Im Kloster stört' ihn dies und das,
Er sagt' die Fehler, wie und was;
Bat, daß er Urlaub geben sollte
Ihm einen Monat, denn er wollte
Hinaus zum Wald und drinnen hausen
In einer alten Einsiedelklausen,
Ob er dort fänd' Andacht und Ruh'.
Der Oberste ließ alles zu
Und es erlaubt'. Er ging zuhand
Zum nächsten Wald, der Brühl genannt,
Zu versuchen sein Heil darin.
Als nun der Bruder kam dahin,
Er nichts mit in die Klause trug
Als einen grünen Wasserkrug.
Zu holen Wasser aus dem Brünnlein,
Das floß vom Fels, in einem Rinnlein.
Als eines Tags er betend saß
In seiner Klaus' und fröhlich wâs,
Daß es war also öd' und still,
Da dacht' der Bruder sich: Ich will
Forthin verbringen hier die Zeit;
Zur Unruh' mir nichts Ursach' beut;
Da hab' ich mir erwählet eben
Ein ruhig, abgeschieden Leben.
Nun stak ein Nagel in der Pforten;
Auf hängte seinen Krug er dorten.
Und wenn er dann ging auf und nieder,
In seiner Zelle hin und wieder,
Stieß er daran sich immerfort.
Unwirsch riß er den Krug vom Ort
Und stellte ihn hinaus zum Bronnen
In einen Busch. Schien dann die Sonnen,
So ward das Wasser ihm badwarm.
Das schmeckte dann so elend arm,
Weil er nur Brod zu essen hatt'.
Ganz unwirsch nahm er von der Statt
Den Krug, trug ihn zur Klause wieder,
Setzt' ihn in einen Winkel nieder
Und sprach: »Da bleibst du mir fein kalt.«
Dieselbe Nacht geschah's doch bald,
Als er aufstund in finstrer Nacht,
Die Mett' zu beten mit Andacht,
Daß er da kniete ungewiß
Und seinen Wasserkrug umstieß,
Der völlig naß die Klause macht'.
Da ward er wild und ungeschlacht
Und sprach: »Nun bin ich doch genug
Besch.ssen mit dem Wasserkrug!«
Früh riß den Krug er böse weg
Und hing ihn oben an die Deck'
Voll Wassers, gleich ob seinem Tisch,
Auf daß er bliebe kühl und frisch.
Als er nach dem zu Mittag saß,
An einem Klosterlaiblein aß,
Da dürstete ihn ungemessen.
Nun hatt' er seines Krugs vergessen,
Vermeint' er stünde noch beim Bronnen.
Dabei fuhr auf er unbesonnen
Und stieß sich an dem Krug sehr hart,
Mit Wasser ganz beschüttet ward,
So daß er dastand pudelnaß.
Unwillig flucht' er über das,
Riß von der Decke den Krug wieder
Und schmiß ihn auf die Erde nieder,
Daß er zerfiel zu kleinen Scherben;
Sprang drauf mit Füßen, und mit herben
Worten schalt er den Wasserkrug.
Nach dem der Bruder in sich schlug
Und dacht': »An meiner Ungeduld
Hab' selber ich allein die Schuld
Mit dem unleid'gen Wesen mein.
Kann ich mit einem Krügelein
Mich nicht vertragen in der Klause,
Wie hab' ich mich in der Karthause
Mit so viel Mönchen können vertragen?
Die Schuld ist mein, das muß ich sagen,
Sonst niemand auf der ganzen Erden;
Ich mache selbst mir die Beschwerden.
Drum, so ich kommen will zur Ruh',
Zu stillem Frieden auch darzu,
Muß ich mich bessern allermaßen,
Von meiner borst'gen Art ablassen,
Die selber ich im Busen trage,
Wiewol ich früher alle Tage
Hab' anderen gegeben Schuld.
Nun aber will ich mit Geduld
Ins Kloster gehn und drinnen bleiben,
Darinnen meine Zeit vertreiben
Mit all den andern Brüdern mein.«
Nach dem der Bruder ging hinein
Am dritten Tag aus der Waldklause
Und blieb forthin in der Karthause,
Ließ seine Brüder singen und lesen,
Es ärgert' ihn nicht mehr ihr Wesen,
Er ließ sich alles wohl gefallen.
So ward geholfen ihnen allen
Und kam der Bruder gut zur Ruh'
Und alle andern auch darzu.
Der Beschluß.
Nun bei diesen höflichen Schwänken
Ein eigensinn'ger Mensch soll denken –
Sei'n 's Männer oder Fraun, die sind
Gleichfalls so widerborstig gesinnt –,
Der sich auch gar nichts läßt gefallen,
Wo er ist bei den Leuten allen,
Der alles tadelt, was er sieht,
Daß er sich selbst Unruh' zuzieht,
Ohn' alle Noth sich selbst beschwert,
Bei aller Welt sich macht unwerth.
Will er nun Unfall viel vermeiden,
Muß solches Denken er abschneiden,
Den Eigensinn im Zaume halten
Bei Untern, Obern, Jungen, Alten,
Wo ihm daran nichts gehet ab,
Deß er nicht Schand' noch Unehr' hab';
Ihn fechte an nicht fremder Streit,
Was thun und schaffen andre Leut'.
Und überfällt ihn Ungeduld,
So denk' er: »Es ist meine Schuld,
Umsonst thu' ich mich darum scheeren,
Mit fremder Unruh' mich beschweren.
Wozu soll ich mich mit beladen,
Weil es mir ist ohn' Schand' und Schaden,
Gescheh's von Leuten oder Vieh?«
So muß ein Mensch sich spät und früh
Mit der Vernunft frei überwinden;
Dann kann er Herzensruhe finden,
Auf daß nicht Unruh' ihm erwachs'
Aus fremden Sachen, spricht Hans Sachs.

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