Hans Sachs
Hans Sachs' ausgewählte poetische Werke
Hans Sachs

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

51. Schwank: Die ungleichen Kinder Evä.Vergl. Nr. 22.

(6. Januar 1658.)

                        Die Gelehrten haben zugericht't
Vor Jahren ein lieblich Gedicht:
Nachdem der Herre Gott erschuf
All' Kreatur durch seinen Ruf,
Er unserm Ahnen, dem Adam
Eine Rippe aus der Seite nahm,
Daraus das Weib, Eva, ihm baute
Und Adam ehelich sie vertraute.
Gab darnach seinen Segen gleich,
Sprach: »Füllt die Erd' und mehret euch!«
Als sie jedoch nach dieser That,
Befolgend Satans falschen Rath,
Genossen der verbotnen Speise,
Trieb Gott sie aus dem Paradeise.
Sie waren bei Gott in Ungnaden.
Nach diesem furchtbar großen Schaden
Baut' Adam die unfruchtbare Erde
Mit vielem Schweiß und viel Beschwerde;
Jedoch Eva, das Weib, fürwahr
In Schmerzen Kinder viel gebar.
Von denen war ein Theil gar adelig,
Von zarten Gliedern untadelig,
Sinnreich, geschickt, höflich, anständig;
Doch hatt' sie Kinder viel unbändig,
Toll, tölpisch, grob und ungeschlacht,
Ungleich den Kindern obgedacht.
Es zog derhalb die Mutter klug,
Die schönen Kinder vor genug
Und hielt sie hold und lieb und werth;
Der andern Kinder sich beschwert',
Thät wenig nur nach ihnen fragen,
Weil sie so aus der Art geschlagen.
Der schlechtgerathnen Kinder Schaar,
Dieweil sie gar zu zahlreich war,
Ließ Eva gehen, wie sie gingen.
Jedoch nicht lang' nach diesen Dingen
Der gütige, allmächt'ge Gott
Eva durch seinen Engel entbot,
Er wollte zu ihr kommen hinaus,
Zu sehen, wie sie hielte Haus
Mit ihren Kindern und Adam.
Als Eva die Botschaft vernahm,
Da war sie froh ob Gottes Gnaden
Und dacht': »Sein Kommen wird nicht schaden.«
Sie kehrt' und schmückt' das ganze Haus
Mit Gras und schönen Blumen aus
Und steckt' in alle Zimmer Mai'n.
Thät die schönen Kinder baden fein,
Sie prächtig putzte, strählt' und kämmt',
Und jedem gab ein frisches Hemd;
Thät ihnen fleißig auch anzeigen,
Wie sie sich höflich sollten neigen
Dem Herren, und ihn schön empfangen,
Die Händchen bieten, fein züchtig prangen.
Die andern Kinder ungestalt
Verstieß sie alle, jung und alt.
Ein Theil verbarg sie in der Streu',
Ein Theil vergrub sie in das Heu,
Ein Theil stieß sie ins Ofenloch.
Denn sie sorgt' sehr, der Herre hoch
Würd' spotten ihrer ob dieser Zucht,
Ob ihrer ungestalten Frucht.
Als aber nun der Herre kam,
Die schönen Kinder all' zusamm'
Sie hatt' der Reih' nach aufgestellt.
Die empfingen den Herrn der Welt,
Neigten sich höflich nach dem Ende
Und boten ihm auch ihre Hände
Und knieten nieder schön alsdann
Und beteten den Herren an.
Darauf der milde Herre gütig
Segnet' die Kinder gar sanftmüthig
Nach einander an diesem Ende
Und legt' dem ersten auf die Hände
Und sprach zu ihm: »Du sollst auf Erden
Ein König gar gewaltig werden,
Es sollen halten deine Händ'
In der Welt das Regiment.«
Zum andern: »Du ein Fürste sei!«
Zum dritten: »Du ein Grafe frei!«
Zum vierten: »Du ein Rittersmann.«
Zum fünften: »Sei ein Edelmann!
Regieren sollt' ihr Leut' und Land
Und haben stets die Oberhand.«
Zum sechsten sprach er dann sogleich:
»Du aber sei ein Bürger reich.«
Zum siebenten: »Du sollst Kaufmann werden
Und haben großes Glück auf Erden.«
Zum achten: »Du werd' wohlgelehrt,
Ein Doctor, weis' und hochgeehrt.«
Gab also allen reichen Segen.
Eva thät diese Ding' erwägen,
Weil mit so milder Hand vom Herrn
Die Kinder all' gesegnet wär'n,
Und dacht', ich bringe auch herein
Die ungestalten Kinder mein,
So wird sich Gott noch mehr erbarmen
Auch der ungestalten und armen.
Lief weg und holte aus dem Heu,
Aus der Krippen und aus der Streu'
Und aus dem Ofenloch gar bald
Auch ihre Kinder ungestalt
Und führte sie hinein zu Gotte,
Eine unfrohe und strupp'ge Rotte,
Grindig und lausig, zottig und knotig,
Zerrissen, zerlumpt und schmutzig und kothig,
Grob, ungeschickt, tölpisch und dumm,
Plump, zuchtlos, bäurisch, faul und krumm.
Als sah der Herr den rotz'gen Haufen
So vor sich stehn, und keuchen und schnaufen,
Da mußt' der Herr ihr aller lachen:
»Eva, was meinst du mit den Sachen?«
Eva sprach: »Herr, gib ihnen Segen,
Weil du so heilig allerwegen;
Laß ihre Gestalt sie nicht entgelten!
Sie kommen zu den Leuten selten:
Derhalben lernen sie auf Erden,
Nicht sehr viel höflicher Geberden.«
Der Herr sprach: »Solches seh' ich wohl,
Jedoch ich sie auch segnen soll
Durch meinen Geist an diesem Ende,«
Und legt' dem ersten auf die Hände
Und sprach zu ihm: »Werd' du ein Bauer;
Deine Nahrung soll dir werden sauer,
Sollst andern Korn baun auf der Erde.«
Zum andern sprach er so: »Du werde
Ein Fischersmann und fange Fisch',
So gehören auf des Herren Tisch.« –
»Ein Schmied sei,« thät er dem dritten sagen,
»Mach' Sensen, beschlag' Ross' und Wagen.«
Zum vierten sprach er: »Sei ein Gerber.«
Zum fünften: »Du sollst sein ein Weber
Und wirken Leinen und wollen Tuch.«
Zum sechsten: »Du mach' Stiefeln und Schuch.«
Zum siebenten sprach er: »Ein Schneider sei
Und mache Hosen und Wämmser darbei.«
Zum achten: »Sei ein Hafner du,
Mach' Krüg' und Häfen auch darzu.«
Den neunten redet' er auch an:
»Du aber sei ein Karrenmann.«
Dem zehnten gab er seinen Segen:
»Du bleib' ein Schiffsmann allerwegen,
Daß du die Leut' fährst über Rhein.«
Zum elften: »Du sollst Bote sein,
Die Briefe hin und wieder tragen.«
Und zu dem zwölften thät er sagen:
»Du aber, du sollst bleiben schlecht,
So lang' du lebest, ein Hausknecht.«
Als Eva hörte diese Wort',
Wie Gott sprach seinen Segen dort,
Da sprach sie: »Lieber Herre reich,
Wie segnest du sie so ungleich?
Weß zeihest du die arme Rott',
Daß du sie so trittst in den Koth,
Daß sie auf der ganzen Erd' allein
Soll'n anderer Fußschemel sein?
Weil doch die Kinder allesammt
Von mir und Adam sind entstammt,
Drum sollt' dein guter Segen reich
Ergehen über alle gleich.«
Der Herr sprach: »Ich will dich berichten;
Das Ding verstehest du mit nichten.
Du weißt, ich bin ein ein'ger Gott,
Derhalb gebührt mir und ist noth,
Daß ich verseh' die ganze Welt
Mit deinen Kindern obgemeld't,
Mit Leuten zu den Regimenten,
Dergleichen zu den untern Ständen,
Auf daß sie mit einander wandern:
Bestehn könnt' keiner ohne den andern.
Wenn alle wären Fürsten und Herrn,
Wer wollte bauen Korn und Kern,
Wer dräsch' und mahlte, bük' darzu,
Wer schmiedete, webte, machte Schuh',
Zimmerte, baute, schnitzt' und drehte,
Wer grübe. gösse, schnitt' und mähte?
Schau, für dies alles ich erwähl'
Und jedem Stande Leut' zustell',
Die dafür passend können sein,
Denselben zu vertreten allein,
Auf daß in jedem Stand auf Erden,
Und Amt nichts soll versäumet werden,
Damit ein Stand den andern erhalt'.
Mit Hilfe meiner Gottesgewalt
Sie alle doch ernähret werden,
In seinem Stand jeder auf Erden
Daß so das ganze Menschengeschlecht
Verbunden bleibet immer recht.
Gleich wie in einem Leib die Glieder.«
Da gab zur Antwort Eva wieder:
»Ach Herr, vergib. ich war zu schnell!
Es gescheh' dein göttlicher Befehl
An meinen Kindern nach deiner Ehr',
Ich will dir nichts dreinreden mehr.«
Der Beschluß.
Allhier aus dieser hübschen Fabel
Ersehn wir, wie aus einer Parabel,
Daß man zu jedem Handel heute
Noch allezeit kann finden Leute,
In allen Ständen hin und wieder,
Sei'n hoch sie, oder sei'n sie nieder.
Kein Stand ist so gering und schlecht.
Man find't im menschlichen Geschlecht
Doch Leut', die sich gern geben drein.
Darbei spürt heimlich man allein,
Wie Gott so wunderbar regiert
Und also weislich ordinirt
Die Ständ', daß in der Welt bestehe
Das Menschengeschlecht, und es ordentlich gehe,
Wiewol jetzt Ober- und Unterthan
So gröblich fehlen oft daran,
Da keiner bleibt in seinem Beruf,
Zu dem ihn Gott, der Herr, erschuf,
Will gar nicht dran begnüget sein,
Und drängt sich jeder weiter ein,
Dem Nächsten sein zum offnen Schaden;
Darmit sind alle Ständ' überladen,
Da einer vor den andern dringet,
Betrügt, übervortheilt, schindet und zwinget,
Ganz wider Gottes Anordnung:
Derhalb leid't jetzund Alt und Jung
Viel unbilligen Ungemachs. –
Gott wend's zum Besten, wünscht Hans Sachs

 << zurück weiter >>