Fritz Müller-Partenkirchen
Die Firma
Fritz Müller-Partenkirchen

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31.

Nach dem Unglücksfall ein Augenblick des Schwankens: Mußte die Gläubigerversammlung verlegt werden? Gesetzt den Fall, die Tür würde plötzlich geöffnet, Männer erschienen, mit der ominösen Messingmarke der Kriminalpolizei in der Hand, um den Grauen herauszuholen?

»Keine Sorge,« sagte Brückner. »Die Sache ist erledigt. Ich bin vernommen und entlassen worden. Es wurde festgestellt, daß es sich um ein Unglück handelt. – Zur Sache: Es wäre üblich, Sie zu bitten, sich zu Ehren des Toten von den Plätzen zu erheben – –«

Alle saßen stumm. Niemand erhob sich.

»Es wäre ferner üblich, in der Todesanzeige mitzuteilen, die Werke würden seinen Namen und sein Wirken nie vergessen. Ich fürchte, sie werden es wirklich nicht, auch ohne daß es so doppelsinnig in der Zeitung stünde.«

Alle saßen stumm. Niemand rührte sich.

»Ich habe ferner mitzuteilen, daß des Rufs der Firma wegen eine herkömmliche Trauerfeier zur Erwägung stehen könnte – –«

Wieder nur ein Schweigen. Es war eine bedrückende, beredte Stummheit. Ohne ein Wort von irgendwelchen Lippen wurde in dieser Stummheit beschlossen, was zu beschließen war:

Keine Zeile in der Zeitung, keinerlei Begräbnis – 268 es sei denn, daß man Nichts begraben hätte und ein Gelöbnis aus dem aufgeworfenen Grabe hätte steigen lassen können: Wir wollen es anders werden lassen . . .

Aber dazu war es noch nicht an der Zeit.

Füglich hätte die Sitzung damit enden können. Eine Sitzung von drei Sätzen oder vieren. Und man hätte auseinandergehen können. Denn geschäftlich lagen die Beschlüsse, ob gefaßt oder nicht, klar auf der Hand:

Die Gläubiger, hätten sie beschlossen, nicht weiter stillzuhalten, hätten sich nur ins eigene Fleisch geschnitten.

Der Schädling war gefallen – das genügte.

Nein, es genügte nicht. Hinter dieser Tatsache stand eine große Frage, die zu beantworten war: War ein Wiederaufstieg möglich?

War Utz und Lamprecht verloren?

Oder gab es einen Mann, der das Riesenwerk anpackte, den Kampf aufnahm, um zu halten, was gehalten werden mußte?

»Lohmann, sind Sie der Mann?« Des Grauen Augen richteten sich auf Franz Lohmann. »Aber lassen Sie das Wenn und Aber. Ist die Firma überhaupt zu retten, so gibt es nur ein Trotzalledem. Sind Sie dazu bereit?«

»Zum Trotzalledem, ja – wenn Max Flamm bleibt.«

269 Alle blickten zu Max Flamm hinüber. Der sagte nur:

»Ich habe keine Wahl. Ein alter Erfinder hat mit dem zu leben und zu sterben, der ihn erfinden hieß, mit Utz und Lamprecht.«

Der Direktor der Unionsbank meldete sich und berichtete, der größte Außenseiter des Landmaschinentrusts – er brauche seinen Namen nicht zu nennen – habe ihm vertraulich zu verstehen gegeben, daß es ihm auf eine großzügige Stützungsaktion nicht ankäme, wenn – –

»Sie verstehen, meine Herren?«

Sie verstanden es alle.

»Wenn die zur Verfügung gestellte Summe genügt, uns über die größten von Richard Lamprecht angerichteten Schäden hinwegzubringen –« sagte einer.

»Sie wird genügen,« sagte Brückner.

»Sie müßte uns auch über die eingefrorenen Kredite hinwegbringen,« meinte ein anderer.

»Sie wird es,« bestätigte Brückner.

»Die gefährdete Pensionskasse der Beamten und Arbeiter müßte sich ebenfalls sicherstellen lassen.«

»Auch das,« nickte der Graue. »Und noch über etwas anderes brächte uns die Annahme des Angebotes hinweg.«

»Wenn wir unsere Produktionskraft als bisher mächtigstes Trustmitglied mit dem wichtigsten 270 Außenseiter vereinigen würden – –« sann ein anderer.

»– – so wäre der Trust für Landmaschinen überhaupt zerschlagen,« vollendete Brückner ruhig.

»Was angesichts der neuerdings durchdringenden Auffassung von der Schädlichkeit des Trusts sogar ein Verdienst bedeuten könnte, ein volkswirtschaftliches Verdienst – –«

»Womit die Bedeutung nicht einmal erschöpft wäre,« meinte der Graue.

»Ganz richtig,« wurde ihm erwidert, »es käme hinzu, daß das Beispiel zur Nachahmung anfeuern würde – –«

»Und noch etwas,« lächelte der Graue.

»Stimmt: Das schwindende wirtschaftliche Gewicht Europas würde gegenüber Amerika verstärkt – eine Überlegung, die Klarheit schaffen dürfte über das, was zu beschließen ist.«

»Eine Nebenbedeutung ist noch vergessen worden.« nickte der Graue. »Daß die Trustleitung von nun ab sagen dürfte: Die Lumperei Richard Lamprechts ist auf Utz und Lamprecht vererbt worden. Und Utz und Lamprecht hat das Erbe angenommen.«

Da streckten sich alle Hände hin zu ihm: »Das entscheidet's – bist doch ein Kerl, lieber Freund und Herr Konsul . . .!« 271

 


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